Als Jugendlicher habe ich mich gewundert, warum ein Staat Schulden aufnimmt, wenn er doch vielerlei Steuern kassiert, mit denen es möglich sein sollte, die Aufgaben zu verrichten, die ein Staat nunmal zu verrichten hat. Ich hatte damals geglaubt, es gebe zuweilen eine besondere Situation, die das erforderlich macht.
Später erst ist mir dann aufgefallen, dass der Staat seine Schulden überhaupt nie tilgt. Im Gegensatz zu Privatpersonen oder Unternehmen konnte der Staat ständig neue Schulden machen, ohne dadurch in die Gefahr einer Insolvenz zu geraten. Wenn ich dann Fragen diesbezüglich stellte, war die Antwort damals (Ende 70er, Anfang 80er) oft: "Die Sozis können eben nicht mit Geld umgehen." Oder: "Die können leicht das Geld anderer Leute verschwenden." Oder auch: "Das ist notwendig, da die Wirtschaft in Schwierigkeiten steckt."
Wenige Jahre später musste ich feststellen, dass offenbar nicht nur die "Sozis" nicht mit Geld umgehen konnten. Unter der Regierung Kohl wurden weiter fleißig Schulden angehäuft und zum ersten Mal hörte ich von "Schattenhaushalten", die eine besondere Spezialität von Finanzminister Weigel waren, um die eigentlichen Schulden nicht sofort im Bundeshaushalt auftauchen zu lassen. Sie also zu verschleiern.
Aber nicht nur in Deutschland war dieses Phänomen zu beobachten. Präsident Reagan tat sich ebenfalls ganz besonders im Anhäufen immer größerer Schuldenberge hervor. Und noch heute liest man hier und da Zeitungsartikel in konservativen oder wirtschaftsnahen Zeitungen, die diese Schuldenpolitik - als "Reagonomics" bekannt - in höchsten Tönen loben (richtig drollig wurde das erst recht, als Maggie Thatcher dann im Hinblick auf die Verschuldung der sozialistischen Ostblockstaaten erklärte, dass nunmal irgendwann die Gelder anderer Leute zurückbezahlt werden müssten ...).
So ganz verstehen konnte ich das alles nicht. Wenn ich dann fragte ob diese Schulden nicht eines Tages in den Bankrott führen müssten, hieß es: "Ja, schon. Aber das dauert noch eine ganze Zeit." Oder: "Irgendwann wird der Staat die Schulden tilgen müssen." Oder auch: "Wir leben über unsere Verhältnisse. Das müssen wir ändern." Oder auch etwas deutlicher "Wir verfrühstücken unsere Zukunft."
Wenn dann mal solch kritische Worte fielen, wurde es aber immer so dargestellt, als ob das nun Anlass sein müsse, etwas zu ändern. Und das werde man bestimmt tun. Und dann würde alles wieder gut werden.
Geändert aber hat sich nie etwas. Im Gegenteil. Wuchs nämlich die Wirtschaft, hieß es: "Jetzt auf gar keinen Fall sparen! Das würgt den Aufschwung gleich wieder ab." Oder: "Gerade jetzt muss der Staat Impulse geben, damit sich ein dauerhafter Aufschwung entwickeln kann." Oder auch: "Wenn der Aufschwung länger anhält, kann man darüber nachdenken, die Schulden zu reduzieren. Aber erst dann."
Selten einmütig waren diese Aussagen, egal ob von Ökonomen, Unternehmern, Journalisten oder Politikern aller Couleur. Wie sich das anhörte, wenn die Wirtschaft nicht wuchs, muss ich nicht erwähnen. Man kann es sich denken.
Die logische Konsequenz, obwohl immer wieder das Gegenteil beteuert wurde, lautete: Schulden machen, Schulden machen, Schulden machen.
Ich habe mir damals so meine Gedanken gemacht und für mich stand irgendwann fest, dass es kein gutes Ende nehmen kann. Eines Tages würde hinten und vorne das Geld nicht reichen, Verteilungskämpfe und Schuldzuweisungen würden die Folge sein.
Sonderbar war auch stets die Berichterstattung der Medien und gleichermaßen auch die Aussagen sämtlicher "Experten". Nämlich dann, wenn es um die Darstellung der Verschuldung ging. Zwar hat der Staat in Wirklichkeit nie Schulden getilgt, aber immer wurde dem Bürger suggeriert, dass das der Fall sei. "Verschuldung sinkt" las man dann, wenn die neu aufgenommenen Schulden weniger schnell wuchsen. Von Haushaltskonsolidierung war die Rede, wenn dies in Wirklichkeit überhaupt nie geschah.
Wenn man einmal darauf achtete, musste man feststellen, dass (bis zum heutigen Tage) mit einer erstaunlichen Hartnäckigkeit Tatsachen verdreht und dem Bürger Lügen aufgetischt werden. Es vergeht kein Tag ohne diese sonderbare Propaganda. "Ob die USA ihre Schulden zurückzahlen könnten", fragte neulich besorgt eine Tageszeitung. In ähnlicher Form verbreitete ein Ökonom seine "Expertenmeinung" bezüglich Griechenland über das Radio, usw.usf...
In Wirklichkeit ist das, worüber nun im Zuge der Staatspleiten - wie Griechenland u.a. - gesprochen wird, nämlich die sog. "Umschuldung", logische Konsequenz angesichts jahrzehntelang gängiger Praxis der Aufschuldung durch Staaten von Anbeginn an. Überall. Alte Schulden werden mit neuen beglichen. Früher nannte man so etwas schlicht "Wechselreiterei".
Erstaunlich zu beobachten war auch, dass die Bürger sich darüber nie lustig machten. Im Gegensatz zur DDR oder dem Dritten Reich, in dem es Witze über den von der Regierung und staatlichen Organisationen verbreiteten Unsinn gab, existierte so etwas in diesem Fall überhaupt nicht. Es war offenbar überhaupt nicht in das Bewusstsein der Menschen gedrungen, dass hier beständig die Unwahrheit gesagt wurde.
Fragen
Erst als ich mich mit dem Geldsystem beschäftigte, dämmerte mir, dass es scheinbar eine Notwendigkeit gab, immer mehr Staatsschulden anzuhäufen. Aber die Details kannte ich nicht. Lange Zeit haben viele kluge Leute darüber diskutiert, wo das Geld eigentlich herkommt, wie die Geldschöpfung genau funktioniert und was das für Konsequenzen hat. Zu den wesentlichen Erkenntnissen für mich zählte dabei u.a.:
1. Die allermeisten Menschen haben absolut keine Ahnung, wie die Wirklichkeit aussieht.
2. Geldschöpfung durch Geschäftsbanken ist keine Verschwörungstheorie (mag sonderbar klingen, wurde aber lange lange Zeit vehement bestritten).
Wenn ich nun die Rolle des Staates in diesem Geldsystem untersuche, stellen sich mir Fragen, viele merkwürdige Fragen, auf die ich einfach keine befriedigende Antwort finden kann ...
Vielleicht kann sie mir jemand beantworten, oder auch einen Hinweis auf einen Fehler meinerseits geben.
Gedanken
So berechtigt die Kritik am Geldschöpfungsprozess durch private Geschäftsbanken sein mag (ich hab das ja auch hin und wieder zum Ausdruck gebracht), so sehr wird aber die Rolle, die der Staat in diesem System einnimmt, außer acht gelassen.
Immerhin kann man ja davon ausgehen, dass der Staat als Souverän die Rahmenbedingungen für dieses System geschaffen hat. Der Staat hat das Notenbank-(oder Zentalbank-)System mit angeschlossenen Geschäftsbanken etabliert. Er hat ein gesetzliches Zahlungsmittel definiert, das einzig und allein (in der Theorie) zur Begleichung der Steuerschuld anerkannt wird.
Darüber hinaus ist der Staat (noch) verantwortlich für das Bildungssystem. Es ist (noch) nicht der Fall, dass wir ausschließlich an privaten Schulen, Universitäten etc. lernen und studieren, sondern zum überwiegenden Teil eben an staatlichen. Nirgends aber wird dem Bürger Wissen über das Geld vermittelt. An Volkshochschulen kann man die exotischsten Dinge erlernen, über das Geld aber wird man wenig erfahren.
Aber auch Ökonomen und "Wirtschaftswissenschaftler" haben keine Ahnung, was Geld eigentlich ist. Es wird nicht gelehrt. Es wird stattdessen eine "Tauschökonomie" gelehrt, die mit der Wirklichkeit absolut nichts zu tun hat. Finanzmärkte kommen in den Modellen nicht vor. Das ist zumindest erstaunlich, handelt es sich, wie gesagt, schließlich nicht um private Universitäten und Fachhochschulen (bei denen eine evtl. gezielte Desinformation vielleicht nicht verwundern sollte), sondern um staatliche.
Was mich in diesem Zusammenhang extrem irritiert hat, waren die Bemerkungen von Ökonomen abseits des Mainstream. Da war dann häufig von Tabus die Rede, von Denkverboten. Als Beispiel nenne ich mal Bernard Lietaer, der von einem Tabu in der herrschenden ökonomischen Lehre sprach, "außerhalb der Box zu denken" (jenseits des Zentralbankensystems).
Die Vermutung, dass der Bürger dumm gehalten wird, liegt nahe. Der Staat hat komischerweise kein Interesse an einem aufgeklärten Bürger ...
Im Gegenteil trägt er seinen Part zur Verschleierung und Verwirrung bei, wie man noch sehen wird.
Betrachten wir nun, wie das Geld entsteht (ich muss es relativ einfach halten, da sonst ellenlang und schwer verständlich). Ein wesentliches Mittel, um an gesetzliches Zahlungsmittel (GZ) zu kommen, stellen für Geschäftsbanken Staatsanleihen dar. Eine Geschäftsbank erwirbt Staatsanleihen (finanziert damit die durch den Staat aufgenommenen Schulden), hinterlegt sie bei der Zentralbank als Pfand und erhält nun Zugriff auf GZ. Mithilfe des GZ ist die Geschäftsbank nun imstande, Kredite zu vergeben (Einzelheiten der Geldschöpfung bitte hier im Forum nachlesen). Dieses durch Kredit geschöpfte Geld stellt kein GZ dar. Es wird aber merkwürdigerweise vom Staat (FA) als solches ohne weiteres anerkannt (Steuern werden eben nicht in Form von GZ = Bargeld beglichen).
Das bedeutet:
Der Staat leiht sich ("selbstverständlich" gegen saftige Zinsen) ein Zahlungsmittel von Geschäftsbanken (das kein GZ darstellt, sondern nur den Anspruch darauf), versetzt aber erst durch Verschuldung die Geschäftsbank dazu in die Lage, selbiges zu schaffen, indem diese die Schuld bei der Zentralbank verpfändet, wobei der Staat offiziell nur Zentralbankgeld als GZ anerkennt. Er akzeptiert jedoch die Tilgung der Steuerschuld mit "Nicht-GZ", eben mit Geld, dass lediglich Forderung auf GZ darstellt.
Verwirrend? Absurd? Schizophren?
Aber es wird noch besser. Betrachtet man nämlich einmal die Tatsache, dass der Staat nur über Steuern und Veräußerung von Staatseigentum (= Volksvermögen!) in der Lage ist, diese Schulden irgendwann einmal zu begleichen, kommt man irgendwann auf den Gedanken, dass es sich hier um einen Taschenspielertrick handeln könnte.
Der Staat verpfändet das Eigentum der Bürger nicht nur, er macht es auch ungefragt und behauptet sogar, es sei zum Wohle aller. Das ist offensichtlich eine dreiste Lüge (habe lange überlegt, ob ich das so stehen lasse ...). Denn wenn die verausgabten Zinszahlungen höher sind, als die aufgenommenen Summen, so handelt es sich spätestens dann um eine betrügerische Umverteilung von Steuergeldern in die Hände der Vermögenden. Es ermöglicht zum einen den Geschäftsbanken eine sichere Grundlage für ihre Kreditvergabe (für die eine Bank bekanntermaßen noch einmal ordentliche Gebühren einstreicht, zusätzlich zur Zinsdifferenz Notenbank/Geschäftsbank/Nichtbank), zum anderen vermögenden Privatpersonen und Unternehmen eine über Jahrzehnte sichere Geldanlage.
Vor einem Jahr hatte ich keine Informationen über die Relation von Staatsdefizit zu Schuldendienst finden können. Neulich wurde ich auf das Buch von Ministerialrat a. D. Dieter Meyer "Die Schuldenfalle" aufmerksam. In seinem Buch hat er interessante Zahlen errechnet:
"Von 1965 bis 2009 lag auf der Ebene des öffentlichen Gesamthaushalts die Summe aller Neuverschuldungen bzw. Defizite bei ca. 1.420,1 Mrd.EUR und die Summe aller Zinsausgaben bei ca. 1.578,1 Mrd.EUR."
(Quelle:
http://www.staatsverschuldung-schuldenfalle.de)
Das sind durchschnittlich 35 MILLIARDEN an Zinszahlungen pro Jahr!
Absurdes Beispiel: Ich nehme einen Kredit für ein Auto in Höhe von 10.000,- € auf. Die anfallenden Zinszahlungen alleine aber übersteigen bei diesem Kredit bereits den Wert des Kredites selbst!? Welcher noch einigermaßen vernünftige Mensch würde so etwas tun???
Aber darüber hinaus ist noch etwas seltsam an den Staatsanleihen. Sie werden nicht nur von Banken und Vermögenden gehalten, sondern auch von Staaten untereinander. Motto: Ich verpfände meine Steuereinnahmen für Geld, das du mir bezahlst und du verpfändest mir deine für Geld, das ich dir bezahle (Prinzip linke Tasche, rechte Tasche). Das ganze läuft dann unter dem Vertrauen erweckenden Begriff "Reserven" oder "Sicherheiten". (!?)
(Bürger übrigens, die Staatsanleihen halten, erwerben, sehr vereinfacht ausgedrückt, Forderungen an sich selbst (Beispiel Japan).)
Noch Skurrileres aber meldete der SPIEGEL in einem Artikel vom 6.6. ("Zweifelhafte Werte"):
"Auf der Liste der Sicherheiten der Europäischen Zentralbank findet sich eine portugiesische Anleihe aus dem Jahr 1943. Sie soll möglicherweise erst in rund 8000 Jahren zurückgezahlt werden: am 31.12.9999."
(Quelle:
http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,766905,00.html)
Da sollte vielleicht mal jemand der "Experten" die Zinszahlungen, die der portugiesische Steuerzahler aufzubringen hat, berechnen. Aber vermutlich würde er ohnehin zu dem Ergebnis kommen: "Hervorragendes Geschäft für den portugiesischen Staat ..."
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