Banken ohne Sparer?

Aus um-bruch
Zur Navigation springenZur Suche springen


Wie im Beitrag "Es werde Geld" beschrieben können Geschäftsbanken auch ohne vorhergehende Ansammlung von „Spargeldern“ Kredite erteilen. Sind damit Sparer für Banken nicht insgesamt überflüssig oder sogar nachteilig, da sie nur unnötige Kosten verursachen? Ist die Vermittlerfunktion von Banken nur ein Märchen?

Die Vorstellung von Banken als Vermittler (Intermediär) zwischen denjenigen, die Geld benötigen und denjenigen, die Geld übrig haben, basiert noch auf der Warengeldära. Der Sparer hat 100 Goldmünzen angesammelt und zahlt diese auf sein Sparkonto bei der Bank ein. Diese verleiht anschließend die 100 Goldmünzen an einen Unternehmer, der damit Investitionen tätigt. Daraus ergibt sich zwingend die Reihenfolge, dass zuerst ein Sparguthaben vorhanden sein muss bevor der Unternehmer etwas leihen kann. Nur etwas Vorhandenes kann real ausgeliehen werden. Eine bestimmte Menge „Geld“ wird einfach als vorhanden vorausgesetzt. Der zwingende Zusammenhang zwischen Sparen und Ausleihen wird bereits den Kindern in unseren Schulen vermittelt. Auch im Schülerheft der Deutschen Bundesbank[1] wird die Vermittlerfunktion der Banken ausführlich beschrieben. Viele Fachbücher beschreiben ebenfalls noch diese Funktion, obwohl nach der Schuldgeldtheorie im heutigen Bankensystem Sparer eigentlich überflüssig sind. Wie lässt sich dieser Widerspruch erklären und gegebenenfalls auflösen?

Warengeld/Kreditgeld

Ein reines Warengeldsystem, wie zuvor vorausgesetzt, dürfte in der Geschichte zu den Ausnahmeerscheinungen zählen. So wurde wohl zu allen Zeiten neben Warengeld auch mit Kreditgeld gearbeitet. Goldschmiede, Handelshäuser und später auch Banken nahmen Gold- und Silbermünzen entgegen und stellten für die übergebenen Münzen Quittungen aus. Diese Quittungen zirkulierten in der Wirtschaft wie die ursprünglichen Münzen als "Geld". Die gehorteten Münzen wurden dann teilweise an Wirtschaftsteilnehmer mit Geldbedarf ausgeliehen. Diese mussten sich jedoch verpflichten, den ausgeliehenen Betrag zu einem vereinbarten Termin zurückzuzahlen. Einfacher gestaltete es sich jedoch, wenn der Darlehensnehmer zusätzlich erstellte Quittungen als Darlehensbetrag akzeptierte. Auch die Bank von England begann ihren Geschäftsbetrieb sowohl mit dem Ausleihen von Goldmünzen wie auch gleichzeitig mit der Ausgabe von zusätzlichen Banknoten. Die Darlehensnehmer mussten sich sich zur Rückzahlung des entliehenen Betrages einschließlich Zinsen verpflichten. Diese Mischung aus Warengeld und Kreditgeld, bei den zusätzlichen Banknoten sprechen wir von Kreditgeld, existiert heute nicht mehr. Wir sind in einem reinen Kreditgeldsystem angelangt. Jedoch werden die Begriffe aus der Warengeldära auch heute noch verwendet, obwohl die Grundlage dazu nicht mehr existiert. So wird teilweise noch davon ausgegangen, dass auf dem Konto bei der Bank "Geld liegt". Folglich unterstellt man der Vermittlungstheorie, dass von einem Konto "Geld" verschwinden muss, wenn es nach einem Kreditvertrag zugunsten des Kreditnehmers auf dessen Girokonto zusätzlich auftaucht. So glaubt ein Hochschulprofessor[2], die Nichtigkeit der Vermittlungstheorie empirisch damit nachweisen zu können, dass bei einem Kreditvorgang zwar neues "Geld" auf dem Girokonto des Kreditnehmers auftaucht, dieser Betrag aber von keinem Sparkonto abgezogen wurde[3]. Ist damit die Vermittlungstheorie hinfällig? Horten die Banken unnötigerweise teure Spargelder?

Refinanzierung/Liquidität

Obwohl der Kreditvorgang nicht auf vorhandene Spargelder zurückgreift, lassen die Bankenbilanzen erkennen, dass erhebliche längerfristige Verpflichtungen, also Spargelder, auf der Passivseite stehen. Die Passivseite wird deshalb vielfach als Refinanzierungsquelle angesehen, die Mittel zur Kreditvergabe bereitstellt. Was ist unter dem Begriff Refinanzierung zu verstehen?

Als "Refinanzierung" wird in der Fachsprache die Beschaffung von Mitteln zur Vergabe von Krediten genannt. Nun wurde aber im Beitrag "Es werde Geld" gezeigt, dass Geschäftsbanken auch ohne vorhergehende Ansammlung von „Spargeldern“ Kredite erteilen können. Was nach der Krediterteilung geschieht wurde dort bisher ausgeblendet. Um zu einer tragfähigen Bewertung des Kreditvorganges zu gelangen sind aber auch die indirekten Folgen des Kreditvorgangs zu beachten, auch wenn sich diese erst später zeigen. Zielführend erscheint deshalb ein Modell, bei welchem die Liquidität und damit zusammenhängend die Fristen der Forderungen/Verbindlichkeiten mit untersucht werden[4]. Vergibt eine Bank einen Kredit über 10.000 € mit einer Laufzeit von 1 Jahr, so entsteht für sie ein Fristenrisiko. Während der Kreditnehmer sofort mit dem Bankguthaben Einkäufe bezahlen kann, muss die Bank 1 Jahr auf die Rückzahlung der Kreditsumme warten. Diesen Nachteil kann sie ausgleichen, in dem sie z. B. einen anderen Kreditkunden dazu bewegt, auf die Inanspruchnahme seines Bankguthabens in Höhe von 10.000 €, ebenfalls für 1 Jahr, zu verzichten. Dieser Kunde spart dann.[5] Es muss dazu also bei der Vermittlerfunktion kein "Geldbestand" verringert werden, sondern es reicht eine Umschichtung mit unterschiedlichen Fristen[6].

Ein anderer Fall ist zu beachten, wenn der Kreditnehmer sein Bankguthaben bar abheben will. Die Bank muss sich dann Bargeld bei der Zentralbank besorgen. Dazu muss sie Aktiva an diese verkaufen oder aber einen Kredit für den Zeitraum von 1 Jahr bei dieser aufnehmen. Will der Kreditnehmer sein Guthaben zur Zahlung einer Rechnung an eine andere Bank überweisen, muss die Bank sich Mittel besorgen um diese Überweisung tätigen zu können. Im einfachsten Fall nimmt sie dazu ebenfalls einen Kredit bei der Zentralbank auf oder aber einen Kredit bei der Empfängerbank.

Die wesentlichen Auswirkungen einer Kreditvergabe werden leichter erkennbar, wenn man die Zahlungsfähigkeit (Liquidität) einer Bank betrachtet. Soll diese durch einen Kredit nicht verschlechtert werden, muss die Bank sich refinanzieren, durch Aufnahme von Krediten bei der Zentralbank, anderen Banken oder aber bei eigenen Kunden. Jedoch wirken sich in erheblichem Maß auch Zahlungsrückflüsse von Kreditkunden sowie Überweisungen von anderen Banken auf die Zahlungsfähigkeit aus. Die Banken sind dazu übergegangen, nicht jeden einzelnen Kredivertrag im Hinblick auf eine Refinanzierung zu betrachten sondern die gesamte Finanzsituation der Bank nach Liquiditätsgesichtspunkten zu bewerten. Neben der Rentabilität und der Sicherheit ist die Liquidität eine der tragenden Säulen einer Bank, die zumindest zur Rentabilität in einem Konfliktverhältnis steht. Eine Grundforderung der Bankpolitik lautet deshalb:

"So rentabel wie möglich und so liquide wie nötig."


Bilanzen heute

Bilanz Sparda.png

Untersuchungen von Bankbilanzen zeigen nun, dass die Banken auch heute noch, zumindest teilweise, eine Vermittlerfunktion ausüben. So stehen z. B. in der Bilanz der Sparda-Bank von 2013 Krediten an Kunden in Höhe von 10,7 Mrd € Sparguthaben von 5,9 Mrd € (10,6 - 4,7) gegenüber. Es ist wohl anzunehmen, dass die Sparda-Bank ihren Sparkunden nicht aus Freude am Schenken Zinsen zahlt, sondern das handfeste betriebliche Forderungen sie dazu zwingen.

Geschäftsbanken-€

Um die real existierenden Zwänge zur Förderung von Sparkonten zu ergründen ist das Modell von Banken ohne Bargeld hilfreich. In dem Modell existieren zwei Banken, die Kreditbank und die Handelsbank. Zum Beispiel bilden sämtliche Kunden der Kreditbank die Zahlungsgemeinschaft Kreditbank, d. h. das Giralgeld der Kreditbank besitzt nur Gültigkeit bei den Kunden der Kreditbank. Dieses Giralgeld, nennen wir es Kreditbank-€, kann den Kontenbereich der Kreditbank nicht verlassen. Das Giralgeld stellt eine Forderung an die Kreditbank dar. Beim Entstehen dieses Giralgeldes sind auch gleichzeitig betragsmäßig gleich hohe Kredite von Kreditbankkunden entstanden. Die Kreditbankkunden aber benötigen nach Ablauf der Kreditlaufzeit Kreditbank-€ um ihre Schulden zu tilgen. Damit ist ein Zwangskreislauf installiert.[7]

Überweisung

13Bilanzen, zwei Banken-vereinfachte Darstellung.png

Soll eine Überweisung von Anton, einem Kunden der Kreditbank zu Benno, einem Kunden der Handelsbank vorgenommen werden, so muss die Kreditbank einen Kredit über 4.500 € bei der Handelsbank aufnehmen. Die Einzelschritte können unter Bilanzen der Geschäftspartner nachvollzogen werden. Das Guthaben der Kreditbank bei der Handelsbank wird sodann von der Handelsbank auf Bennos Konto überwiesen. Danach verbleibt bei der Handelsbank eine Forderung von 4.500 € an die Kreditbank, und bei der Kreditbank eine Verbindlichkeit (Schuld) gegenüber der Handelsbank. Erforderlich ist diese Kreditaufnahme unter den Banken, da Kreditbank-€ nur Gültigkeit bei der Kreditbank besitzen und Handelsbank-€ nur Gültigkeit bei den Kunden der Handelsbank haben. Würde die Handelsbank auf Wunsch der Kreditbank Benno 4.500 € auf seinem Konto gutschreiben ohne eine zuvor erfolgte Kreditaufnahme der Kreditbank, so wäre dies für die Kreditbank von großem Vorteil, da sie Ihre Verpflichtung gegenüber Anton auf die Handelsbank übertragen hat ohne selbst eine neue Verpflichtung eingegangen zu sein. Ihre Schuld gegenüber Anton hätte sie der Handelsbank aufgebürdet. Deshalb wird die Handelsbank die Überweisung nur ausführen, wenn die Kreditbank sich im Gegenzug bei ihr verschuldet. Die oben stehende Abbildung zeigt die betroffenen Bilanzänderungen nach erfolgter Kreditaufnahme und Überweisung. Die Einschaltung der Zentralbank bei einer Überweisung ändert an diesen grundsätzlichen Überlegungen nichts, da die Zentralbank dann lediglich als Vermittler mit eigenen Zentralbank-€, dem Zentralbank-Buchgeld auftritt.

Beträchtlich vermindert wird der Bedarf an gegenseitigen Kreditaufnahmen durch gegenläufige Überweisungen der Banken untereinander sowie durch Einschaltung von Verrechnungsstellen. Durchschnittlich verbleibt jedoch ein Grundblock an Kreditaufnahmen zwischen den Banken mit Einbeziehung der Zentralbank in der Größenordnung von ca. 30 % der Bilanzsummen.

Deshalb Sparer

Nach der oben genannten Devise "So rentabel wie möglich und so liquide wie nötig" muss die Bank bestrebt sein, jederzeit zahlungsfähig zu bleiben, d. h. auch unerwarteten Mittelabflüssen gegenüber gewappnet zu sein. Andererseits möchte sie jedoch auch möglichst profitabel arbeiten. In der Liquiditätsregulierung sind die grundlegenden Forderungen an die Liquidität einer Bank aus Sicht der Aufsichtsbehörden festgelegt. Danach müssen Banken ihre Mittel so anlegen, dass sie künftige Zahlungsausgänge mit den künftigen Zahlungseingängen bedienen können und auch noch eine Reserve für unerwartete Mittelabflüsse besitzen. Ihre Liquiditätslage kann die Bank verbessern, in dem sie Mittel im Bereich ihrer Bank bindet, z. B. Kunden durch Sparangebote zur längerfristigen Stilllegung ihrer Forderungen an die Bank veranlasst. Für die Anlagedauer werden diese Mittel die Bank nicht verlassen und somit nicht zu einem liquiditätsmindernden Mittelabfluss führen.

Aus dem Beispiel der Überweisung von Anton an Benno wird ersichtlich, dass die Kreditbank z. B. kein Interesse daran haben kann, dauerhaft nur Überweisungen an andere Banken auszuführen, da sie sich dadurch gegenüber dem Bankensystem erheblich verschulden würde. In einer Krisensituation , wenn das Bankensystem die Interbankenkredite zurückführt, wären ernsthafte Zahlungsprobleme unausweichlich. Sparkunden reagieren hingegen nicht so hektisch, da ihnen eine vermeintliche Sicherheit durch Sicherungsfonds geboten wird.

Nehmen Banken Kredite bei anderen Banken auf, sind vielfach Sicherheiten zu hinterlegen, ähnlich wie auch der Bankkunde in der Regel Sicherheiten hinterlegen muss, wenn er einen Kredit von seiner Bank haben will. Vorteilhaft für die Banken erweist sich die Mittelbeschaffung bei eigenen Bankkunden auch deshalb, da für diese keine Sicherheiten hinterlegt werden müssen. Hier reicht die pauschale gesetzliche Einlagensicherung. Es liegt deshalb im Interesse der überwiegenden Anzahl an Banken, einen gewissen Stock an Sparanlagen von Bankkunden zu besitzen, um den Mittelabfluss an andere Banken zu begrenzen.

Einzelnachweise und Fußnoten

<references >

  1. Deutsche Bundesbank, Geld und Geldpolitik, Schülerbuch für die Sekundarstufe II, Stand 24.05.2015
  2. Richard A. Werner, Professor of International Banking an der Universität Southampton in seiner Schrift "Can banks individually create money out of nothing?".
  3. Richard A. Werner: "We now would like to analyse the balance sheet in order to see whether this new loan of €235,071.88 was withdrawn from other accounts at the bank, or how else it was funded."
  4. In Anlehnung an die "ceteris paribus" - Annahme, "unter sonst gleichen Bedingungen". Um aus dem Modell eindeutige Beziehung zwischen Ursachen und Wirkungen ablesen zu können, müssen die Auswirkungen eindeutig auf die Krediterteilung zurückzuführen sein. Andere Einflüsse müssen also ausgeschlossen sein bzw. konstant gehalten werden. Was bei naturwissenschaftlichen Experimenten noch relativ einfach erscheint, stößt bei der Verwendung im Geldwesen auf einige Schwierigkeiten.
  5. Es liegt dann eine fristenkonqruente Refinanzierung vor. Es herrscht Übereinstimmung der Beträge und Fristen von Kapitalbindung und Kapitalüberlassung
  6. Offensichtlich ist dieser grundlegende Zusammenhang dem vorgenannten Hochschulprofessor nicht bekannt gewesen, da er seinen empirischen Gegenbeweis auf seiner Unkenntnis über die Funktion von Bankkonten aufbaut.
  7. Eine Ausnahme bildet der Kauf von Wertpapieren oder Sachgütern durch den Bankensektor. Hierbei entstehen nur Verbindlichkeiten der Kreditbank gegenüber ihren Kunden.