Friedrich A. Lutz

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Geldschaffung durch die Banken

Friedrich A. Lutz, (* 29. Dezember 1901 in Saarburg; † 4. Dezember 1975 in Zürich), verfasste 1970 im "Weltwirtschaftlichen Archiv", der "Zeitschrift des Instituts für Weltwirtschaft an der Universität Kiel", Band 104, Seite 3-19, einen Aufsatz zum Thema "Geldschaffung durch die Banken".

Die bisherigen Kredittheorien nach Phillips, Crick, Keynes und auch der MacMillian Report von 1931 gehen davon aus, dass die Existenz von Überschussreserven Voraussetzung und die Ursache der Kreditexpansion seitens des Bankensystems sei. Genau diesen Punkt beabsichtige ich als erstes anzugreifen.

Ich stelle im folgenden der üblichen Theorie die andere gegenüber, daß die Kredit- und Geldschaffungskraft des Banksystems nicht abhängig ist von der Höhe des Kassesatzes im Vergleich zum Pflichtreservesatz oder, in anderen Worten, nicht von den Überschußreserven, sondern vom Verhältnis sämtlicher liquider Aktiven zu den Einlagen. Ist dieses Verhältnis größer als dasjenige, welches das Banksystem aus Liquiditätsgründen für unbedingt erforderlich hält, so kann das Banksystem Kredit schaffen, auch wenn es keinerlei Kasse-Überschußreserven hat. In einem solchen Fall werde ich von liquiden Überschußreserven sprechen, um sie von den üblichen Kasse-Überschußreserven abzuheben. Und nun zur Begründung:

Das Banksystem hält neben Kasse eine Reihe von liquiden Anlagen, eine sekundäre Liquiditätsreserve. Dazu gehören in der Bundesrepublik Deutschland die folgenden drei Posten:

  1. Auslandsanlagen
  2. Geldmarktpapiere
  3. Rediskontfähiges Wechselmaterial

Es ist also nicht so, daß das System zuerst zusätzliche Kasse haben muß, wenn Kreditexpansion eintreten soll, wie es nach der orthodoxen Darstellung der Fall wäre, sondern das Banksystem treibt Kreditexpansion, weil es liquide Uberschußreserven hat, und besorgt sich die erforderliche Kasse nach der Kreditexpansion.

Lutz geht davon aus, dass durch die Krediterteilung zusätzliches Bargeld erforderlich wird. Dieses Bargeld kann sich das Bankensystem nur bei der Zentralbank besorgen. Er bestreitet jedoch, dass zuerst eine Überschussreserve an Bargeld vorhanden sein muss, bevor ein Kredit erteilt werden kann. Durch das Veräußern von "liquiden Überschussreserven" kann das Bankensystem sich die erforderlichen Barmittel auch nachträglich besorgen.

Maßgebend für das Geldschaffungspotential sind Überschußreserven in den gesamten liquiden Aktiven und nicht solche in Kasse.

Einen zweiten Angriffspunkt sieht Lutz in der Darstellung der multiplen Giralgeldschöpfung nach Phillips.

Ich wende mich nun den Problemen zu, die durch die Existenz vieler Banken entstehen, und behandle zunächst die Frage, ob die übliche Darstellung, wonach von einer Bank neugeschaffene Sichteinlagen an andere Banken abgezogen werden, wodurch die erste ins Debet bei der Scheckabrechnung kommt, der Tatsache entspricht.

Die übliche Darstellung der multiplen Geldschöpfung geht auf die Darstellungen und Thesen Phillips' zurück. Das Bankensystem ist demnach in der Lage, das Mehrfache ihrer Einlagen als Kredite zu erzeugen. Eine einzelne Bank ist hierzu jedoch nicht fähig. Besitzt eine einzelne Bank eine Einlage von $ 1.000, so kann sie nach Phillips nur wenig über diesen Wert als Kredit vergeben. Zieht der Kreditnehmer sein Geld per Scheck ab, gerät die Einzelbank ins Minus.

Nach Lutz spricht eine ganze Reihe von Argumenten gegen diese Anschauung.

  1. Ein Teil von Scheckeinziehungen oder Überweisungen geschieht zwischen den Kunden der gleichen Bank oder des gleichen Bankenverbundes, so dass für diese Vorgänge kein Zentralbankgeld benötigt wird.
  2. "Die übliche Darstellung geht davon aus, daß nur bei einer einzelnen Bank eine Vergrößerung von Sichteinlagen einsetzt, nicht aber bei den anderen Banken. Diese Annahme ist unrealistisch." Auch andere Banken erhöhen ihre Kreditvergaben, so dass es in Summe zu einem Ausgleich der Forderungen zwischen den Banken kommt. Diesen, als "Gleichschritt" bekannten Effekt, kann man nicht einfach vernachlässigen.
  3. "Longfield geht davon aus, daß Schecks auf die verschiedenen Banken nach dem Verhältnis ihrer ausstehenden Depositen gezogen und entsprechend deponiert werden." Eine Bank, welche ihre Kredite stark ausdehnt, wird auch im Verhältnis zu ihrer Kreditexpansion vermehrt eine Erhöhung von internen Scheckziehungen und Überweisungen erfahren.

"Schon aus den beiden ersten Argumenten scheint zu folgen, daß die übliche Darstellung, die auf Phillips zurückgeht, wonach als Resultat der Kreditexpansion einer Bank Kasse von dieser in andere überfließt, bis sie schließlich im Banksystem absorbiert ist, nicht realistisch ist. In Wirklichkeit treibt jede Bank Kreditexpansion auf Grund eines Überschusses an liquiden Aktiven, sobald und soweit es die steigende Kreditnachfrage erlaubt; sie sieht zu, was als Resultat ihrer eigenen Aktion und derjenigen der anderen an zusätzlicher Kasse jeden Tag erforderlich ist, und besorgt sich diese oder hält genügend zurück, falls gleichzeitig Kasse »von außen« (z. B. auf Grund von Zahlungsbilanzüberschüssen oder Offen-Markt-Operationen der Zentralbank) zufließt. Es kann demnach die Geldschaffung der einzelnen Bank im Verhältnis zu ihrem Überschuß an liquiden Aktiven genau so groß sein wie die des Banksystems als Ganzes und ist es wahrscheinlich auch."

"Unter diesen Umständen ist heute auch im englischen Banksystem wie im deutschen die »liquid asset ratio« und nicht die »cash ratio« ausschlaggebend für das Geldschafiungspotential der Kreditbanken."

(liquid asset ratio = Verhältnis der liquiden Aktiven,
cash ratio = Verhältnis der Barreserve)