Das Geldrätsel: Depositen- und Girobanken
Neben den bisher beschriebenen italienischen, holländischen und englischen Banken erscheint eine Unterteilung der Banken nach Art ihrer Geschäftsfelder sinnvoll. Es ist jedoch zu beachten, dass sich wohl keine Bank im Laufe ihres Bestehens konsequent auf nur ein Geschäftsfeld beschränkt hat. Zu sehr lockte der erzielbare Profit mit Kreditvergaben.
Depositenbanken
Die ersten, in Italien gegründeten Banken, kann man zu den Depositen- und Girobanken zählen[1]. Eine Depositenbank ist eine Hinterlegebank. Sie dient der Aufbewahrung von Wertgegenständen. Diese bestehen vorzugsweise aus Schmuck, Gold- oder Silberbarren und Gold- oder Silbermünzen. Wie kann man sich das vorstellen?
Der Kaufmann Becker hat einen Posten Waren verkauft und 1000 Gulden eingenommen. Diese Menge Münzen möchte er nun nicht in seinem Haus aufbewahren. Die Gefahr, dass ihm das Geld gestohlen werden könnte, erscheint ihm zu groß. Er bringt die 1000 Gulden deshalb zu einer vertrauenswürdigen Person. Diese verwahrt das Geld in einem Schließfach in ihrem abgesicherten Gebäude, der Depositenbank "Moneta". Nachdem er das Geld übergeben hat erhält er eine Quittung über die 1000 Gulden. Für die Aufbewahrung muss er der Monetabank jedoch auch eine Gebühr zahlen. Dafür ist er jedoch die Sorge um einen möglichen Diebstahl in seinem Hause los. Bei Vorlage der Quittung muss ihm die Monetabank wieder die 1000 Gulden in Münzen aushändigen.
Girobanken
Bei der gleichen Monetabank haben nun auch mehrere seiner Handelspartner ebenfalls Geld deponiert. Muss Becker nun an Schmitt 100 Gulden zahlen so gehen beide zur Bank, Becker entnimmt seinem Schließfach 100 Gulden und gibt sie Schmitt, der die 100 Gulden in sein Schließfach legt. Die komfortable Geldaufbewahrung ist erhalten geblieben, jedoch erscheint die praktische Abwicklung sehr aufwendig und wenig effizient. Dies besonders auch dadurch, dass zusätzlich zur Geldübergabe, in Gegenwart eines Bankangestellten, die Änderung im Bestand der Schließfächern von der Bank entsprechend dokumentiert werden muss.[2]
Man stellte fest, dass es einfacher wäre, das gesamte eingelegte Bargeld in einem einzigen Tresorraum zu deponieren und nur den Anspruch eines jeden Kunden zu dokumentieren. Die Verantwortung für das eingelagerte Geld liegt ganz bei der Bank und es sind nun keine Schließfächer mehr erforderlich.
Umschreibungen im Kontenbuch waren natürlich auf den Kreis (ital. giro) der Bankkunden beschränkt. Hieraus entstand dann auch für diese "Umschreibebanken" die Bezeichnung "Girobanken".
Die Guthaben der Kunden stellten für die Bank eine Schuldanerkennung dar. Die Bank schuldete dem Kunden so und soviel Bargeld. Mit dem Guthaben konnten die Kunden jedoch wie mit Bargeld Geschäfte tätigen. Es war zu einem Zahlungsmittel geworden. Dieses Zahlungsmittel existierte jedoch nur in den Büchern der Bank und wurde deshalb auch Buchgeld genannt.
Vorteile der Depositen- und Girobanken
Vom Standpunkt der Sicherheit betrachtet erscheinen die Depositen- und Girobanken als optimal angelegte Dienstleistungsbetriebe. Das Risiko, dass der Kaufmann Müller sein Geld bei einem Einbruch in sein nicht besonders abgesichertes Haus verliert, ist nun ausgeschlossen. Verlangt er seine eingelagerten Gulden zurück, muss ihm die Monetabank diese jederzeit wieder aushändigen.
Welche Vorteile hatte nun eine solche Bank für die Wirtschaft?
- Es wurde mit der Vereinbarung, dass die Kontenbücher in "Bankgulden" geführt werden, eine Verrechnungseinheit geschaffen, welche unabhängig von Münzmanipulationen war.
- Die von der Bank entgegengenommenen Münzen mussten von dieser kontrolliert werden, bevor sie als Guthaben in das Kontenblatt eingetragen wurden.
- Konnte man sich bei der reinen Depositenbank noch darauf verlassen, dass man genau "seine eigenen Münzen" zurückerhielt, war dies bei der Girobank nicht mehr möglich. Die Münzen mussten daher einem einheitlichen Qualitätsstandard entsprechen.
- Nachdem jedoch die Münzen in Verrechnungsgeld (Giralgeld) der Bank umgerechnet worden war, entfiel bei den Handelsgeschäften mit Giralgeld jegliche Prüfung von Münzen auf deren Gewicht und Qualität.
- Das Zählen der Münzen bei der Abwicklung eines Kaufes oder Verkaufes entfiel.
- Jeglicher Transport von Münzen bei Geschäften mit Giralgeld wurde überflüssig
- Erteilte die Girobank auch Kredite, wie nachfolgend beschrieben, wurde die Geldmenge in der Wirtschaft erhöht und der Grundstein für eine Vorfinanzierung zur Produktion von Wirtschaftsgütern gelegt.
Diese Vorteile waren für die Belebung des Handels von erheblicher Bedeutung, da auf die vorgenannten, ineffektiven Tätigkeiten im Zusammenhang mit Bargeldzahlungen verzichtet werden konnte und sogar über die Kreditmöglichkeit ein erheblicher Anstieg der Wirtschaftstätigkeit ermöglicht wurde.
Nachteile der Depositen- und Girobanken
Wurden die eingelagerten Münzen wie vorgesehen unangetastet in den Gewölben des sicheren Bankgebäudes belassen, so waren keine direkten Nachteile erkennbar. Lediglich die Verfügbarkeit über sein Geld war für den Kaufmann Becker eingeschränkt. Er konnte nur zu den Öffnungszeiten der Bank Geld entnehmen oder hinzufügen. Der Bank musste zwar eine Gebühr für die Verwahrung des Geldes bezahlt werden, jedoch waren die Kosten hierfür bei weitem geringer als bei eigener Verwahrung und Bargeldzahlungen.
Strittig war zeitweise, wem die bei der Bank "eingelegten" Münzen gehörten. Gingen diese bei Einlage in das Eigentum der Bank über oder aber war der gesamte Barvorrat der Bank Eigentum der Gemeinschaft der Einleger[3]. Die Sichtweise, dass die Münzen Eigentum der Bank seien, setzte sich schließlich durch.
Als indirekt nachteilig kann angesehen werden, dass der ganze Bargeldvorrat für den eigentlichen Zweck der Bank nicht erforderlich war. Da als Zahlungsmittel ja das Buchgeld in der Wirtschaft zirkulierte, fehlte auch kein Zahlungsmittel im Wirtschaftskreislauf. Der Münzschatz lag jedoch brach und reizte so zu einer gewinnerzeugenden Verwendung. Auch die ansonsten als sehr solide geltende Amsterdamer Wechselbank konnte von diesen zusätzlichen Geschäften nicht Abstand halten. Die heimliche Kreditvergabe an die "Ostindische Kompagnie" führte schließlich zu einer ernsthaften Existenzkrise der Bank.[1] Die Einleger wollten nach Bekanntwerden dieser Kreditvergabe ihre Guthaben bar ausgezahlt bekommen. Zwar waren die Kredite durch Aktien der "Ostindischen Kompagnie" abgesichert, diese konnten jedoch nicht so schnell flüssig gemacht werden. Die Bank wurde "zahlungsunfähig" obwohl entsprechende Vermögenswerte noch vorhanden waren. Diese Problematik wurde offensichtlich erst später allgemein bekannt. 1854 schrieb erstmals Otto Hübner, dass unterschiedliche Laufzeiten von Krediten und Einlagen Zahlungsprobleme entstehen lassen. [4]. Selbst die hochgeachtete "Bank von England" musste einige Male die Auszahlung von Bargeld aussetzen. Dies gelang nur mit Hilfe des "Suspension act" der Regierung[5]. Bereits vorher, erstmalig 1697, drei Jahre nach Gründung der Bank stellte diese die Auszahlung von Bargeld gegen Banknoten vorübergehend ein. [6].
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Banken Meyers Großes Konversations-Lexikon, Abruf 7.6.2017
- ↑ Eine ähnliche Regelung gilt heute noch bei der Federal Reserve Bank in New York, welche die Goldbarren der verschiedener Staaten jeweils in unterschiedlichen Tresorräumen lagert und einen An-und Verkauf zwischen Staaten auch über das Hin- und Herfahren von Goldbarren nachvollziehen soll.
- ↑ Die Entnahme des hinterlegten Bargeldes durch die Bank für Eigengeschäfte der Bank wurde im Brockhaus von 1896, Stichwort "Banken" noch als Missbrauch angesehen, siehe auch Das Geldrätsel: Bodensatztheorie.
- ↑ Otto Hübner: Die Banken. Leipzig 1854. Auszug bei Google eBook
- ↑ "Um die Existenz nicht zu gefährden, wurde 1797 die Goldeinlösungspflicht aufgehoben. Die sogenannte ”suspension period” dauerte bis 1825.""Geld und Kredit" Uni Hamburg 2004, Seite 16
- ↑ Carl Schwebemeyer: Das Actien-Gesellschafts-, Bank- und Versicherungs-Wesen in England. Julius Springer, Berlin 1857, ISBN 978-3-642-51253-7. Auszug bei Google eBook Abruf 7.11.2015, Seite 64