Das Geldrätsel: Geldschöpfungsgewinn

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Die Entstehung eines Geldschöpfungsgewinns – Fachsprache "Seigniorage", auch Schlagschatz oder Münzgewinn genannt –, ist geschichtlich schon sehr früh zu beobachten. Vom 8. Jahrhundert bis ins 4. Jh. vor Chr. benutzten die Römer Metallklumpen aus Bronze als Tauschmittel. Sie waren offizielle Zahlungsmittel, da mit diesen, als "Aes rude" bezeichneten "Geldstücken", die Soldaten der römischen Armee bezahlt wurden[1][2][3]. Es handelte sich um Warengeld. Der Wert wurde durch die Menge an enthaltener Bronze bestimmt.

Die

Metallklumpen wurden im Laufe der Zeit in handlichere Barren "As signatum" und schließlich in Münzen "As grave", mit dem Stempelaufdruck der römischen Münzstätte beim Tempel der Göttin Iuno Moneta gegossen. Ein Münzgewinn konnte jedoch erst erzielt werden, nachdem das Gewicht des Münzmaterials reduziert, der Münzwert jedoch beibehalten wurde. Die Reduzierung des Münzmaterials, hier bis auf 1/20 der ursprünglichen Masse, wird als "Geldverschlechterung" bezeichnet und ist gleichzeitig die Grundlage für den Geldschöpfungsgewinn. Aus der Bronzerohmasse für ursprünglich 1 "As grave" konnten nun 20 "As grave" hergestellt werden.

Im Mittelalter besaß in der Regel der Feudalherr – französisch Seigneur – eines Landes das alleinige Recht, Münzen prägen zu lassen und den Münzwert festzusetzen. Der Münzwert setzte sich zusammen aus dem Materialwert – Gold oder Silber –, den Prägekosten und einer Ausgabegebühr, dem Münzgewinn.

Kurantmünzen

Ohne die oben genannte Ausgabegebühr konnte der Feudalherr aus der Herstellung und Inumlaufbringung von Münzen keinen finanziellen Gewinn erzielen. Dies war bei den sogenannten "Kurantmünzen" der Fall, vergleichbar mit den ursprünglichen "As grave" der römischen Republik. Der Wert dieser Münzen bestand vollständig aus dem Materialwert. Basierend auf dem "freien Prägerecht" wurden aus dem bei der Münzstätte abgelieferten Gold (ursprünglich Silber), Münzen frei ausgeprägt, dass heißt ohne Anrechnung der Prägekosten.[4] Aus einer Unze Gold wurden in England 3 pounds, 17 shillings und 10½ Pennies geprägt.[5] Die Goldmenge in einem Lande war damit die Grundlage für dessen Geldmenge. Wenn das Land keine eigenen Goldvorkommen besaß, konnte die jeweilige Regierung nur indirekt über die Förderung der Ausfuhr von Wirtschaftsgütern, welche dann mit Gold zu bezahlen waren, den Goldbestand im Lande erhöhen und damit die Basis zur Prägung von neuem Geld schaffen.

Heute noch existierende Kurantmünzen sind z. B. der "Krugerrand" oder der "Maple Leaf". Kurantmünzen spielen im heutigen Zahlungsverkehr jedoch keine Rolle mehr.

Scheidemünzen

Einen Gewinn konnte der Feudalherr nur erzielen, wenn er den Materialwert einer Münze herabsetzte, also weniger Gold oder Silber zur Herstellung der Münze einsetzte. Der ursprüngliche Münzwert, z. B. 1 Gulden wurde jedoch beibehalten. Diese "minderwertigen" Münzen wurden als Scheidemünzen bezeichnet. Je geringer der Materialwert desto höher konnte die Ausgabegebühr, also der Münzgewinn des Feudalherrn ausfallen. In die Kategorie "Scheidemünzen" fällt auch unser heutiges Münzgeld. Das Recht Münzen zu prägen ist bis heute beim Staat geblieben. Den Staat kostet zum Beispiel die 2-€ Münze in der Herstellung (Material- und Prägekosten) nur 13 Cent. Was geschieht dann mit den restlichen 187 Cent? Diese vereinnahmt der Staat als Geldschöpfungsgewinn – Münzgewinn – in seinem Haushalt. Dazu verkauft er die Münzen zu ihrem aufgeprägten Nennwert an die Zentralbank.

Banknoten

Das Recht Banknoten zu drucken besitzt in Deutschland heute die Zentralbank und nicht der Staat. Nun könnte man annehmen, dass bei der Herstellung von Banknoten ansonsten die gleichen Verhältnisse herrschen wie bei der Herstellung von Münzen. Ein 100 € Schein verursacht Kosten in Höhe von 16 Cent bei der Produktion. Somit würde ein "Gewinn" in Höhe von 99,84 € je 100 € Schein entstehen. Die Banknoten erscheinen aber nicht wie die Münzen als Vermögenswerte in der Zentralbankbilanz sondern als Schulden auf deren Passivseite. Volkswirtschaftlich betrachtet handelt es sich um "Inhaber-Schuldverschreibungen" der Zentralbank. Rechtlich gesehen zählen Banknoten jedoch zum "gesetzlichen Zahlungsmittel" und sind damit "schuldbefreiend". Banknoten werden rechtlich nicht als "Schuldurkunde" behandelt sondern nach dem Sachenrecht als eine "Sache". Die nachfolgende Erläuterung zur Inumlaufbringung von Bargeld verdeutlicht die Sichtweise von Banknoten als Schuldgeld nochmals.

Buchgeld

Den weitaus größten Anteil an unseren Zahlungsmitteln stellt das Buchgeld dar. Hierbei unterscheidet man zwischen dem Buchgeld der Geschäftsbanken und dem Buchgeld der Zentralbank. An der Geldmenge M1 ist das Buchgeld der Geschäftsbanken mit 84 % beteiligt. Es entsteht auf dem Wege der Kreditschöpfung oder aber beim Ankauf von Aktiva durch eine Geschäftsbank.

Als "Reserve", oder einleuchtender als "Zentralbank-Buchgeld" wird das Guthaben von Geschäftsbanken bei der Zentralbank bezeichnet.

Die Buchgeldschöpfung ist im Kapitel "Wicksellsche Idealbank" erläutert.

Inumlaufbringung von Bargeld

Wie gelangt der Bankkunde an Bargeld? Der Bankkunde nimmt hierzu einen Kredit bei seiner Geschäftsbank auf und diese wiederum einen Kredit bei der Zentralbank. Bei diesen Schritten entsteht "Geschäftsbanken-Buchgeld" und "Zentralbank-Buchgeld". Der Bankkunde muss in der Regel eine Sicherheit für seinen Kredit bei der Bank hinterlegen. Er wandelt in einem ersten Schritt eigene Vermögenswerte (Grundschuldbrief, Versprechen auf künftige Arbeitsleistung, Eigentum an Produktionsgeräten) in Buchgeld der Geschäftsbank um. Die Geschäftsbank verschuldet sich sodann bei der Zentralbank und erhält im Gegenzug Zentralbank-Buchgeld. Auch die Geschäftsbank muss bei der Zentralbank Sicherheiten hinterlegen zum Beispiel Bankschuldverschreibungen oder Staatsanleihen. Benötigt die Geschäftsbank jetzt Bargeld, so tauscht sie Zentralbank-Buchgeld gegen Bargeld. Für die Zentralbank stellt das Guthaben der Geschäftsbank (= Zentralbank-Buchgeld) eine Forderung der Geschäftsbank dar. Das Bargeld wird volkswirtschaftlich als Forderung an die Zentralbank angesehen, gleichgültig ob im Besitz einer Geschäftsbank oder aber einer Nichtbank. Bei dem Tausch wird damit lediglich eine beleglose Verbindlichkeit gegen eine beleghafte Verbindlichkeit ausgewechselt. Die Schuld der Zentralbank auf dem Sichtguthabenkonto der Geschäftsbank in Form von Zentralbank-Buchgeld, wurde gegen einen "Inhaber-Schuldschein", die Banknote getauscht.

Die Geschäftsbank gibt diese Inhaber-Schuldverschreibung an ihren Kunden weiter und vermindert damit gleichzeitig die Forderungen des Kunden auf Geschäftsbanken-Buchgeld. Unsere heutigen Zahlungsmittel bestehen somit lediglich nur aus Forderungen.[6] Damit wird deutlich, dass Buchgeld wie auch Bargeld nur unterschiedliche Dokumentationen von Schulden darstellen. Die Vorgänge bei der Anforderung von Bargeld durch einen Bankkunden sind detaillierter im Beitrag "Teilnehmer am Geldsystem" beschrieben.

Es ist jedoch anzumerken, dass die vorgenannte Sichtweise mit der Theorie vom Staatsgeld kollidiert. Die Banknoten, als "gesetzliche Zahlungsmittel" begleichen eine bestehende "Geldschuld". Sie sind der "Erfüllungsgegenstand" zum Ausgleich einer Geldschuld. Auf diesen Expertenstreit wird im Artikel Zahlungsmittel sind Schulden? eingegangen. Im Rahmen des Projektes "Das Geldrätsel" wird jedoch weiter davon ausgegangen, dass die Banknoten "Inhaber-Schuldverschreibungen" darstellen.

Rückzahlung von Bargeld

Zahlt der Geschäftsbankenkunde Bargeld an die Geschäftsbank zurück, steigt sein Sichtguthaben bei der Bank und er kann dieses Guthaben zu Tilgung seiner Kreditschuld verwenden. Die Geschäftsbank kann ihrerseits Bargeld an die Zentralbank zurückgeben. Ihr Sichtguthaben bei der Zentralbank steigt und sie kann damit ihre Kreditschuld bei der Zentralbank tilgen. Damit hat sowohl der Bankkunde als auch die Geschäftsbank einen Anspruch auf die Rückgabe der, bei der Krediterteilung hinterlegten Sicherheiten.

Geldschöpfungsgewinn heute

Aus dem ursprünglichen Geldschöpfungsgewinn bei Münzen ist heute noch der Gewinn des Staates durch die Herstellung von Münzen geblieben. Für die Bundesrepublik Deutschland betragen die aus der Seigniorage resultierenden "Münzeinnahmen" im Haushaltsplan 0,3 Mrd. € pro Jahr.[7] Die Münzen haben jedoch nur noch einen Anteil von etwa 0,1 Promille an der kaufkraftfähigen Geldsumme M1.[8]

Ob man die Gewinne der Zentralbank, welche ebenfalls indirekt als Bundesbankgewinn an den Staat fließen, auch als Geldschöpfungsgewinne bzw. Seigniorage bezeichnen kann, bleibt umstritten. Auch die Gewinne einer Geschäftsbank, welche auf deren Buchgeldschöpfung basieren, werden in der Fachliteratur teilweise als Geldschöpfungsgewinn bezeichnet. Diese Zuordnung bleibt ebenfalls sehr zweifelhaft.

Hierzu bemerkt die Bundesbank in ihrem Glossar[9]

„Trotz der geänderten Rahmenbedingungen wird der Begriff Seigniorage auch heute noch verwendet, allerdings mit schwammiger und im Detail unklarer Bestimmung, mal im Sinne von Gewinn aus der Geldschöpfung einer Zentralbank, mal ganz allgemein als Synonym für den Gewinn einer Zentralbank.“

Geldschöpfungsfähigkeit

Um die jeweilige Zuordnung deutlicher herauszustellen können die Banken nach ihrer Fähigkeit, Geld zu schöpfen, unterschieden werden.

  • Zentralbanken können durch Kreditvergabe an Geschäftsbanken sowie durch den Ankauf von Aktiva (Gold, Devisen, Wertpapiere) Zentralbankgeld schaffen. Das Zentralbankgeld besteht aus Zentralbank-Buchgeld und in Umlauf befindlichem Bargeld. Der Umfang der Geldschöpfung soll im Wesentlichen durch das Ziel der Preisstabilität mit einer geringen Inflationsrate bestimmt werden.
  • Geschäftsbanken, die das Einlagen-, Kredit- und Zahlungsverkehrsgeschäft betreiben, sind in der Lage, Geschäftsbanken-Buchgeld zu schöpfen. Hier erfolgt die Schöpfung durch Kredite an Nichtbanken und den Ankauf von Aktiva von Nichtbanken. Es existiert eine Vielzahl an mehr oder weniger wirksamen Einflußfaktoren, welche die Kreditschöpfungskapazität der Geschäftsbanken einschränken.
  • Kreditvermittelnde Banken, wie zum Beispiel reine Hypothekenbanken betreiben keine Geldschöpfung sondern lediglich Kreditvermittlung. [10] Sie betreiben kein Einlagen- und Zahlungsverkehrsgeschäft sondern im Wesentlichen nur das Kreditgeschäft. Über die Pfandbriefe beschaffen sie sich das Geld genau in der benötigten Höhe und Fristigkeit. Auch bei den Krediten bestimmen sie weitgehend Tilgungsbeträge und Fristen, dass heißt ihre Liquiditätsplanung gestaltet sich gegenüber einer Geschäftsbank wesentlich überschaubarer.

Die folgenden Betrachtungen der Gewinne von Banken durch die Buchgeldschöpfung können sich somit auf die beiden Gruppen "Zentralbanken" und "Geschäftsbanken" beschränken. Ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen Gruppen besteht darin, dass Geschäftsbanken im Gegensatz zu Zentralbanken im Wettbewerb stehen. Auch in der Verwendung von erzielten Gewinnen unterscheiden sie sich grundlegend.


Einzelnachweise

<references >

  1. Belgische Nationalbank: Vom Aes rude zum Aes grave
  2. Stephen Zarlenga: Der Mythos vom Geld - die Geschichte der Macht, Seite 39-40
  3. Wikipedia: Römische Währung
  4. "Free Coinage Act"
  5. Grundzüge der Volkswirtschaftslehre von W. Gelesnoff,Dr. E. Altschul, Reprint von 1928, ISBN978-3-663-15364-1
  6. In seinem Buch "Einführung in die Wirtschaftstheorie" stellte Erich Schneider schon 1952 einleitend fest: "Wir beschränken uns dabei bewußt auf die Analyse einer Wirtschaft, wie sie heute ist, d. h. auf eine Wirtschaft, in der allein Forderungen als Zahlungsmittel verwendet werden."
  7. Haushaltsrechnung 2014 Band 1Seite 2, Abgerufen 17.06.2015
  8. Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, Mai 2015 Statistischer Teil, Seite 13, 2,45 Billionen € + Bargeldumlauf Deutschland, ca, 0,25 Billionen €
  9. Deutsche Bundesbank, Glossar Seigniorage Abgerufen 17.06.2015
  10. Ludwig Mülhaupt: Einführung in die BWL der Banken. 3 Auflage. Gabler, Wiesbaden 1980, ISBN 3-409-42133-5. Seite 202