Martin Scheytt: Kassenüberschuss

Aus um-bruch
Version vom 7. November 2013, 06:56 Uhr von Mumken (Diskussion | Beiträge) (Überarbeitung Inhalt)
Zur Navigation springenZur Suche springen

Kassenüberschuss

Wie kommt jetzt die Überschussreserve zustande, von der Scheytt immer wieder spricht, die er jedoch nie näher erläutert? Eine, nach der "orthodoxen Kredittheorie" arbeitende Bank kann nur dann einen Kassenüberschuss für Kredite bekommen, wenn die Sparguthaben größer als der Kreditbestand sind.

Sämtliche Bargeldeinlagen von Kunden sind mit vorhandenem Bargeld im Tresor der Bank "gedeckt". Kredit kann die Bank nur erteilen, wenn ein Kunde bewusst für einen bestimmten Zeitraum auf die Nutzung seiner Einlage verzichtet, wenn er also seine täglich fällige Sichteinlage in eine Spareinlage umwandelt. Bei diesem Ablauf der Bankgeschäfte kann ein Kassenüberschuss nur entstehen, wenn z. B. 100.000 € an Spargeldern festgelegt sind, die Bank aber nur Kredite in Höhe von 50.000 € vergeben hat.

Bilanztechnisch geschieht bei der

Auszug Passiva

Umwandlung von Sichteinlagen in Spareinlagen ein Passivtausch. "Täglich fällige Verbindlichkeiten" werden nach "Spareinlagen" umgebucht. Die Bilanzsumme hat sich nicht verändert.

Sind keine Kredite vergeben, ist die Summe sämtlicher Verbindlichkeiten gleich dem Kassenbestand. Die Bank kann jede Anforderung nach Bargeldauszahlung von Verbindlichkeiten erfüllen. Ist eine Spareinlage vorhanden, muss sie den Sparbetrag nicht als Bargeld flüssig haben sondern kann einen entsprechenden Kredit vergeben. Den frei verfügbaren Kassenbestand kann man als Kassenüberschuss bezeichnen.

Es ist jetzt leicht nachvollziehbar, dass die Summe sämtlicher Spargelder maximal die Summe des Bargelds erreichen kann. Auf die Nutzung des eigenen Sparguthabens wird solange verzichtet, wie das, aus der Kreditgewährung stammende Geld in Umlauf ist. Gleichgültig ob als Bargeld oder als Buchgeld. Auch Scheytt hat diesen Zusammenhang klar erkannt. Diese Art von Kassenüberschuss liegt Scheytts Überlegungen jedoch nicht zugrunde.

"Im vorigen, dritten Abschnitt haben wir schließlich ausgeführt, daß die Summe sämtlicher Bankguthaben die Summe des umlaufenden Bargeldes nicht übersteigen könnte, wenn die Banken lediglich Geldaufbewahrungs- und Geldübertragungsstellen wären."

In dem Bemühen den Grundsatz seiner Arbeit, "Eine Bank kann nicht mehr Kredit geben, als sie selbst erhalten hat." zu beweisen, vernachlässigt er eine klare Definition des "Kassenüberschusses".

"Die Verknüpfung der Geschäfte wirkt sich also sogar noch bei der Kreditgewährung für die Banken günstig in dem Sinne aus, daß der vorhandene Kassenüberschuß genügt, um eine Kreditnachfrage zu befriedigen, die über den Betrag des Kassenüberschusses hinausgeht."

Die Auswirkungen des Kassenüberschusses werden mehrfach beschrieben. Die Entstehung bleibt jedoch im Nebel. Wenn die Summe der Guthaben die Summe des Bargeldes überschreitet, hat jedenfalls eine Geldschöpfung stattgefunden. Vereinfacht ausgedrückt: Geldschöpfung findet statt, wenn der Eigentumsnachweis für einen Geldschein gleich mehrfach ausgestellt und in Umlauf gebracht wird. Dies geschieht mit dem Buchgeld.

Der Kassenüberschuss nach Scheytt

Bilanz04.png

gründet auf der Tatsache, dass nicht alle Kunden das Bargeld im Tresor auch benutzen, sondern dass ein erheblicher Betrag, der Bodensatz, nicht bewegt wird. Dieses unbenutzte Bargeld wird ausgeliehen, ohne dass die Kunden, welche es einmal eingezahlt haben, hiervon erfahren. Noch effektiver funktioniert der Kassenüberschuss, wenn das Bargeld weiterhin im Tresor bleibt und nur als Kassenreserve für Buchgeldschöpfungen dient. Nebenstehend ein Beispiel mit 100.000 € Kassenbestand. Bei 1/3 Deckung und ausschließlicher Kreditgewährung über Buchgeld, kann die Bank 200.000 € an Krediten vergeben. An Buchgeld sind dann insgesamt 300.000 € vorhanden und 100.000 € als Bargeld im Tresor. Ein Sparer wurde bisher nicht benötigt. Das Verhältnis der Sichteinlagen zu gewährten Krediten beträgt 3:2, also sind mehr Einlagen vorhanden als Kredite ausgereicht wurden. Offensichtlich ein Trugschluss, da erst die Kredite buchungstechnisch zu 200.000 € Einlagen geführt haben. Ohne diese buchungstechnischen Abhängigkeiten zu berücksichtigen, ist also schnell eine irreführende Aussage über das Verhältnis von Einlagen zu Krediten getroffen.[1]


Liquidität

Auch wenn gemäß vorstehender Abbildung die Bilanz ausgeglichen ist, kann die Bank sehr schnell zahlungsunfähig werden. Wollen Kunden mehr wie 100.000 € Guthaben in Bargeld umtauschen, ist die Bank bereits zahlungsunfähig, da sie nur 100.000 € Bargeld besitzt. Dem kann man entgegenhalten, dass sich die Dritteldeckung doch aus vorangegangenen Jahren als vollkommen ausreichend erwiesen hat. Auch hat man noch einige Reservemitteln und die Absicherungen im Bankenverbund um ein vorübergehendes Zahlungsproblem zu beseitigen. Dem Zahlungsproblem kann jedoch auch wirkungsvoll mit Spargeldern begegnet werden. Wenn eine Anzahl der Kunden auf die sofortige Verfügbarkeit über ihre Einlagen verzichtet, kann die Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit vermindert werden. Mit diesen Kapital- und Fristenproblemen beschäftigt sich die "Goldene Bankregel". Peter Betge bezieht sich in seinem Buch Bankbetriebslehre [2] auf Otto Hübner. Dieser erkannte bereits 1854 die Probleme, welche bei unterschiedlichen Laufzeiten von Krediten und Einlagen entstehen [3].


Einzelnachweise

<references >

  1. *Helmut Creutz: Die 29 Irrtümer rund ums Geld. 2 Auflage. Signum, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-85436-701-7. Irrtum Nr. 15, Mit Bankkrediten wird Geld geschöpft; Die Nichtbeachtung der Ersparnisbildung, Seite 174
  2. Peter Betge: Bankbetriebslehre. Springer, Berlin Heidelberg 1996, ISBN 3-540-61364-1.
  3. Otto Hübner: Die Banken Leipzig 1854. Leipzig 1854.