Hallo Halil,
in meinem Beitrag fragte ich:
.............
Welcher Unterschied besteht jetzt eigentlich zwischen einer geschlossenen Volkswirtschaft, in welcher "Sparen = Investitionen" sein soll und der von Dir angeführten offenen Volkswirtschaft?
............
Bereits bei der Aussage
"in welcher "Sparen = Investitionen" sein soll" zeigt sich meine Skepsis gegenüber festgefügten Dogmas der Volkswirtschaftslehre (VWL). Um Deinen Ausführungen auch nur annähernd folgen zu können habe ich mir ein Lehrbuch über "Grundlagen und Probleme der Volkswirtschaft" (Schäffer-Poeschel; Auflage:19; Ulrich Baßeler, Jürgen Heinrich, Burkhard Utecht) in der Bücherei ausgeliehen.
Viele Foren wie auch ernsthafte Wissenschaftlern werfen der VWL vor, dass das Geldsystem nur als ein Schleier über dem Marktgeschehen wahrgenommen und damit eine Neutralität des Geldes suggeriert wird. Auch ich bin der Meinung, dass der Stellenwert des Geldes und damit auch die Stellung der Finanzindustrie im Wirtschaftssystem von der VWL bisher nur fragmentarisch berücksichtigt wurde.
In dem von mir ausgeliehen Buch wird die von Dir aufgeführte Grundthese, "Sparen = Investitionen" ebenfalls gelehrt und auch detailliert erläutert. Nach 493 Seiten heißt es dann unter Punkt
"16.1.2 Neue Entwicklungen im Finanzbereich"
"Der Prozess der Kreditvermittlung und der Abwicktung des Zahlungsverkehrs wurde und wird zunehmend durch zwei Innovationen im Finanzbereich überlagert:- durch die zunehmende Möglichkeit der Geldschöpfung und der Kreditverwertung durch Banken und
- durch die damit verbundene Abkopplung des Finanzbereiches von der Realwirtschaft.
Das Geld als bloßes Mittel des Zahlungsverkehrs war lange Zeit ein so genanntes stoffwertiges Geld (vgt. Kapitel 1.6.3.2), vor allem Gold und Silber, und es bestand für die Banknoten die Deckungs- bzw. die Einlösungspflicht in Gold bzw. Silber. Die Geldmenge war damit an den Bestand von Gold gebunden, und Banken konnten Geld nicht in großem Umfang produzieren.
Im Laufe der Entwicklung von Wirtschaftsgesellschaften ist zunächst die Deckungspflicht und nachfolgend die Einlösungspflicht aufgegeben worden, zunächst im nationalen Bereich etwa Ende des Ersten Weltkrieges und im internationalen Bereich anfangs der 197Oer-Jahre.
Seitdem können die Banken nicht nur bei ihnen angelegte Sparbeträge verleihen, sondern sie können selbst Geld in großem Umfang schaffen. Banken schaffen Geld, das so genannte Buchgeld, einfach durch die Gewährung von Krediten (vgl. Kapitel 17). Und diese Möglichkeit der Kreditgewährung ist durch die Möglichkeit der Verbriefung und des Verkaufs der Kredite auf dem Finanzmarkt (vgL. Kapitel 16.2.3) noch einmal deutlich erweitert worden. Damit wird die Investition in Realkapital in gewisser Weise vom Prozess des Sparens entkoppelt und damit wird die Möglichkeit der Realkapitalbildung beschleunigt. Charakteristisch für die Zeit bis in die 1980er-Jahre blieb aber, dass die Kredite Investitionen in Realkapital finanziert haben und dass der Finanzbereich mit der Sachgüter produzierenden Realwirtschaft eng verbunden blieb.
........"Im Buch wird eingehend eine Theorie "Sparen/Investitionen" (Abkürzung: SI) untermauert um dann auf Seite 493 zu erkennen, dass diese nur bis in die "1980er-Jahre" so Bestand hatte. Anzumerken ist, dass die vorliegende 19. Auflage nach Auffassung der Autoren in 2009 "gründlich überarbeitet und aktualisiert" wurde. Welchen Nutzen hat eine Theorie über das Verhältnis von "Sparen" und "Investitionen", wenn im Nachgang die Basis dieser Theorie von deren Vertretern selbst in Frage gestellt wird? Ist diese SI-Theorie dann nur noch eine Pflichtkür für angehende Wirtschaftswissenschaftler an Schulen und Universitäten?
Ich wünschte mir, dass die Studenten sich mit realistischeren Thesen beschäftigen könnten. Es wird erwähnt, dass seit 1970 Banken Geld in großem Umfang schaffen können. Auch vor 1970 haben die Geschäftsbanken bereits Geld geschöpft. Seit Einrichtung der ersten Banken wurde von diesen das Geschäft der Geldschöpfung beherrscht und auch durchgeführt. Im Wiki-Beitrag
"Eigengeschäfte der Banken" wird dieser Vorgang an einem einfachen Beispiel erläutert. Würden Banken kein Geld schöpfen, sondern nur von Kunden angelegte Ersparnisse zur Kreditvergabe mit entsprechender Sicherheit verwenden, wäre der Zusammenbruch einer Bank fast unmöglich. Sie müssten folglich auch nicht gerettet werden, wie dies zur Zeit ja auch tatkräftig in großem Maßstab mit Steuergeldern erfolgt. Meines Erachtens wird damit der SI-Theorie, als Grundpfeiler unserer Wirtschaftsbetrachtungen, das Fundament entzogen.
Ich möchte mit den o.g. Aussagen Deine Arbeit keinesfalls angreifen, da Du in Deinem Buch ja bewiesen hast, dass auch auf der Lehrmeinung der Mainstream-Volkswirtschaftler aufbauend unser jetziges System kollabieren muss.
Auch viele andere Anzeichen deuten an, dass die Halbwertszeit unseres jetzigen System bei weitem überschritten ist.
Interessanter werden wohl die Zukunftsszenarien sein. Soweit bin ich in Deinem Buch jedoch noch nicht vorgedrungen.
Soweit für heute mal,
Rudi
Überarbeitung und Ergänzung des Textes am 2.8.2012