Am Sa 27 Nov 2010 12:15:25 CET schrieb Matthias
"Geld" :O)
Hallo Rudi!
Die endlosen Diskussionen um das Geldsystem scheitern meist an einem sehr einfachen Umstand. Der Tatsache nämlich, dass man sich nicht einigen kann, was unter Geld zu verstehen ist. Natürlich sorgen auch die unklaren Begriffe und Definitionen derselben für ungleich mehr Verwirrung.
Wir haben uns ja bereits diesbezügich ausgetauscht. "Bargeld", "Geldschein", "Münzen", "Buchgeld", "Giralgeld", "Sichteinlagen", "Zahlungsmittel", "gesetzliches Zahlungsmittel", "monetäre Aktiva", "nichtmonetäre Aktiva", "liquide Mittel" usw. usf.
Ein wesentlicher Streitpunkt ist die Schöpfung von "Geld aus dem Nichts" durch Geschäftsbanken. Creutz und andere bestreiten das, und natürlich haben sie ihre Gründe. Denn wie wir alle wissen, kann ich mit einem Guthaben auf meinem Konto (gebuchte Zahlen!) eine Geldschuld begleichen und sie wird von jedermann anerkannt. Also muss es sich ja um Geld handeln, und da dieses Geld durch Sachwerte oder zukünftige (Arbeits- oder sonstige) Einkünfte besichert ist, gibt es doch eigentlich keinen Grund, an diesem Vorgang irgendetwas merkwürdig zu finden.
Die Gegenseite behauptet, dass Buchgeld, das durch einen Kredit einer Geschäftsbank geschöpft wird, kein "wirkliches Geld" ist, da es nur einen Anspruch auf Auszahlung eines gesetzlichen Zahlungsmittels darstellt. Später mehr dazu.
Nun also zu deiner Frage, ob für die Vergabe eines Kredites eine Einlage bei einer Bank vonnöten ist.
Die Sache ist eigentlich viel einfacher, als du (vermute ich einfach mal) denkst. Es geht nicht um Einlagen, um Geld eines Sparers etc., sondern das Zauberwort ist "Mindestreserve". Verfügt eine Bank über ausreichend Zentralbankgeld und somit über eine ausreichende Mindestreserve, kann sie jederzeit einen Kredit vergeben, also neues Geld schöpfen.
Beispiel: Bank hat 2.000 € Mindestreserve, das ermöglicht 100.000 € Kredit...
Möchte eine Bank einen großen Kredit vergeben, der aber die Mindestreserve der Bank im Verhältnis überstiege, müsste sich die Bank Zentralbankgeld bei einer anderen Bank oder der Zentralbank besorgen. So einfach ist das. Hat eine Bank den Mindestreservesatz bei weitem noch nicht ausgeschöpft, kann sie Kredite vergeben, egal, ob Oma Schulze ein Sparkonto bei der Bank eröffnet und ihre tausend Euro bar einzahlt oder ob z.B. ein Einzelhändler den Tagesumsatz seines Geschäftes bar einzahlt. Dann erhöht sich schlicht der Anteil an Zentralbankgeld dieser Bank und somit die Mindestreserve. Umgekehrt verringert sie sich mit jeder Barabhebung an einem Geldautomaten.
Es ist eben eher verwirrend, in diesem Zusammenhang von "Spargeldern" zu sprechen. Denn dann geht es wieder los: Was ist "Spargeld"? In welcher Form liegt es denn vor? etc...
Das ist jetzt natürlich alles sehr stark vereinfacht dargestellt. Aber das wesentliche trifft es...
Und vielleicht erinnerst du dich, dass wir schon einmal das Thema "Mindestreserve" in historischem Bezug hatten. Erst waren es 50%, dann 20%, 10% usw... Warum es heute viel weniger ist, dürfte klar sein...
Ich hoffe ich konnte deine Frage:
"Wenn die Geldschöpfung durch Kredite entsteht und zusätzlich nur noch abhängig von der Mindestreserve, der Bargeldquote und der Eigenkapitalquote der Bank ist, stellt sich die Frage wieso Banken dann noch Spargelder in erheblicher Höhe benötigen."
beantworten...
Der Schlüssel zum Verständnis der Vorgänge sind die Buchungsvorgänge der Banken und die Bilanzen. Wer sich damit nur ungenügend oder gar nicht auskennt, hat schon verloren. Allein deshalb bin ich sehr gespannt auf das Buch von Raimund Brichta, denn ich kann mir viele Details einfach nicht merken...
Was hat es also mit der Kritik, dass es sich nicht um "wirkliches Geld" handelt, auf sich? Ganz einfach, es ist das Prinzip des Goldschmieds, wie es in Fabian und anderen Filmen erklärt wird. Der Schmied verleiht sein gelagertes Gold mehrfach. Und nimmt dafür auch noch Zinsen.
Und das hat wiederum andere Folgen, wie ich es in meinem "Versuch über das Geldsystem" beschrieben habe.
Derzeit beträgt die von der EZB vorgeschriebene Mindestreserve 2%. Das bedeutet, solange nicht mehr als 2% des Bargeldes ausgezahlt werden, bemerkt niemand, dass sein Anspruch auf Auszahlung eines "gesetzlichen Zahlungsmittels" eigentlich nichts wert ist. Wenn das aber eines Tages anders aussieht und ein "Bankrun" stattfindet, bemerkt es schließlich jeder. Spätestens dann hat jeder die Gewissheit, dass dieser Anspruch auf Auszahlung eines "gesetzlichen Zahlungsmittels" nichts, aber auch gar nichts wert ist. Und jeder wird sich betrogen fühlen, wie das in der Geschichte schon allzuoft geschehen ist.
Zum Thema Frank Schäffler möchte ich nichts weiter sagen. Ich wäre schon froh, wenn ich das jetzige System wirklich verstehen und kennen würde. Über Alternativen zu diskutieren, traue ich mir nicht zu.
Mir ist allerdings bei deinen Bemerkungen diesbezüglich aufgefallen, dass du zwischen Geschäfts- und Zentralbanken unterscheidest. Ich glaube, du unterliegst da einer Illusion. Das gesamte System ist "eine Einheit". Und beide sind nur ein Teil davon. Du erinnerst dich sicher an die Geschichte der Entstehung der Zentralbanken (Schweden und England). Beide waren private Institutionen, vom Staat bevollmächtigt, aber nicht kontrolliert oder überwacht oder reguliert.
Je länger ich versuche, etwas darüber heraus zu finden, desto merkwürdiger erscheint mir die ganze Geschichte. Ich hatte ja schon mal erwähnt, dass ich irgendwann gehört habe, die "FED" sei eine private Institution, dass aber jeder, den ich fragte, das als Blödsinn abgetan hat. Heute ist mein Kenntnisstand ein anderer. Nicht zuletzt Dank Ron Paul, einem amerikanischen Kongressabgeordneten, der seit Jahrzehnten versucht, Informationen über die FED zu erhalten. Du findest dazu viele Quellen im Internet. Er hat mittlerweile auch ein Buch veröffentlicht.
Es wird demnach offenbar einem Abgeordneten verwehrt, Einblick in die Bücher der FED zu bekommen, oder an Sitzungen teilzunehmen, oder sonst genauere Informationen über die Tätigkeiten und Machenschaften der FED zu bekommen...
Die für mich inzwischen entscheidende Frage ist: Wer regiert eigentlich das Geld?
Das mag nach Verschwörungstheorie klingen, aber da heutzutage viele Fragen, die man stellt auf bestimmten Gebieten generell mit diesem Vorwurf abgetan werden, habe ich gelernt, mich darum nicht mehr zu kümmern.
Was ist denn nun die Bundesbank genau? Sie soll ja unabhängig sein, aber auch nicht privat. Aber auch keine staatliche Organisation, wie bspw. der Bundesgerichtshof o.ä. Weißt du es vielleicht? Ich finde nur schwammige Formulierungen, aber nichts, was mir das Gefühl gäbe, wirklich mehr zu wissen, als zuvor.
( Übrigens sind manche Zentralbanken offiziell privat, so z.B. die italienische. Bis zu ihrer Umwandlung im Jahr 1936 in eine Anstalt des öffentlichen Rechts, und seit Anfang der 80er wieder. Der jetzige Vorsitzende, Mario Draghi, geriet Anfang des Jahres im Zusammenhang mit den Schulden Griechenlands in die Schlagzeilen:
http://www.handelsblatt.com/politik/international/mario-draghi-top-notenbanker-geraet-in-strudel-der-griechenland-krise;2531821 )
Versucht man bspw. Informationen über die "Zentralbank der Zentralbanken", die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zu bekommen, findet man nur vages, unklar formuliertes Material.
Zum Beispiel wikipedia:
"Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) (engl. Bank for International Settlements) ist eine Internationale Organisation auf dem Gebiet des Finanzwesens."
"Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich wurde 1930 von den Zentralbanken Belgiens, Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens sowie von zwei Gruppen privater Banken aus Japan und aus den Vereinigten Staaten gegründet."
"Die BIZ ist eine internationale Organisation und mit eigenem Rechtsstatus einer spezialrechtlichen Aktiengesellschaft organisiert."
http://de.wikipedia.org/wiki/Bank_für_Internationalen_ZahlungsausgleichZum Beispiel mein Lexikon aus den 80er Jahren:
"...internationale Bank, als AG geführt, Sitz Basel, gegr. 1930 durch die Präs. der Notenbanken von Belgien, Deutschland, Frankr., Großbrit., Italien und Japan und die Vertreter einer amerik. Bankengruppe. Zweck der BIZ ist, die Zusammenarbeit der Zentralbanken zu fördern, neue Möglichkeiten für intern. Finanzgeschäfte zu schaffen und als Treuhänder oder Agent bei den ihr auf Grund von Verträgen mit den beteiligten Parteien übertragenen intern. Zahlungsgeschäften zu wirken..."
Ich habe mir das Buch von Stephen Zarlenga "Der Mythos vom Geld - die Geschichte der Macht" ausgedruckt, aber leider nur das erste Kapitel im Urlaub gelesen (hab einfach zu viele andere Bücher, die gelesen werden müssen... ).
Zuerst war ich skeptisch, denn es gibt so viele schlechte Bücher zu dem Thema auf dem Markt. Schlecht recherchiert, falsche Zitate und Quellenangaben, reißerische Aufmachung usw.
Bei diesem Buch konnte ich das nicht feststellen. Auch macht der Autor einen sehr vernünftigen Eindruck auf mich. Es gibt ein oder zwei Interviews mit ihm auf youtube (nur in Englisch). Er ist Gründer des "American Monetary Institute" (AMI):
http://www.monetary.org/Das entspricht in etwa der Monetative bei uns...
Vielleicht solltest du dir das Buch einmal vornehmen (hier als pdf):
http://www.steuerboykott.org/download/zarlenga.pdfSo, nun muss ich wieder weiter machen. Beste Grüße aus einem zwar sonnigen, aber auch sehr kalten Lübeck.
Matthias