Mit Geldschöpfung 2.0 soll ein Versuch unternommen werden, die vielen Erklärungsversuche im Netz mit Pro und Kontra zur Schöpfung von Geld aus dem Nichts gegenüber zu stellen, sowie zu einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem Thema zu gelangen. Polarisierungen bringen absolut nichts, sondern kosten nur Zeit und führen zu falschen Schlussfolgerungen.
Das Thema Geldschöpfung der Geschäftsbanken wird immer wieder andiskutiert, findet jedoch nie zu einem befriedigenden Ergebnis. In vielen Foren werden dazu Diskussionen geführt, die teilweise bis zu persönlichen Beleidigungen führen, ohne zu einer allgemein akzeptablen Schlussfolgerung zu gelangen. Auch eine Gegenüberstellung von herausgearbeiteten gegensätzlichen Standpunkten erfolgt nicht. Die Situation in einschlägigen Mailinglisten zum Geldsystem ist ähnlich.
GeldbegriffWenn von Geldschöpfung gesprochen wird, ist zuerst die Einigung auf einen gemeinsamen Begriff von Geld bzw. der vorhandenen Geldmenge erforderlich. Hierzu die Bundesbank in ihrem „Schülerbuch, Geld und Geldpolitik, 2012, Seite 69“
Die Geldmenge lässt sich nicht eindeutig definieren
Da die Übergänge zwischen den unterschiedlichen Einlegearten und kurzfristigen Finanzinstrumenten fließend sind, lässt sich die Geldmenge nicht eindeutig definieren. Letztlich hängt es beispielsweise von der Fragestellung der Untersuchung ab, welche Einlegearten man zum Geld rechnet und welche nicht bzw. welche Geldmenge man in der Untersuchung verwendet. Vor diesem Hintergrund haben andere Länder ihre Geldmengen nach anderen Kriterien definiert, beispielsweise die Schweiz und die USA.
In der praktischen Geldpolitik steht in der Regel derjenige Geldmengenbegriff im Vordergrund, der zur Erfüllung der geldpolitischen Ziele am besten geeignet erscheint. Für das auf Preisstabilität verpflichtete Eurosystem steht die weit abgegrenzte Geldmenge M3 im Vordergrund seiner monetären Lageeinschätzung.
Eine allgemeingültige Definition existiert also nicht und die Geldmengenbegriffe der EZB dienen vordergründig geldpolitischen Zielen.
BankbetriebDas Stichwort Geldmenge suchte ich in einem führenden Fachbuch der Bankbetriebslehre „Wirtschaftslehre des Kreditwesens, Grill/Perczynski, 47. Auflage“ vergebens. Ein anderes Fachbuch, Bankbetriebslehre, Becker/Peppmeyer, 8. Auflage, widmet diesem Thema genau eine halbe Buchseite (Seit 74 unten) und wiederholt im Wesentlichen die o.g. Aussage der Bundesbank. Die Geldmengendefinition ist also für den Bankbetrieb ohne Belang, d. h. diese Begriffe sind nur in der Volkswirtschaft von Bedeutung. Bei der Frage der Geldschöpfung muss man demnach auch unterscheiden, ob im betriebswirtschaftlichen Sinn die Geldschöpfung einer Geschäftsbank untersucht werden soll oder aber im volkswirtschaftlichen Sinn die Geldschöpfung des gesamten Bankensystems, bezogen auf die Geldmengenbegriffe der EZB.
Geschäftsbanken können Buchgeld auf zwei Wegen schöpfen und zwar
- durch Kreditgewährung der Bank an einen Kunden
- durch Ankauf von Aktiva durch die Bank, z. B. Gebäude, Wertpapiere oder andere Güter
Betrachtet man nur die direkt kaufkraftfähige Geldmenge M1 als Geld, entsteht eine dritte Möglichkeit durch die Umwandlung von Spar- und Termineinlagen in Sichteinlagen. Bei der Beschränkung auf M1 entsteht Geld durch Umschichten von längerfristig angelegtem Geld in sofort verfügbares Geld. Mit dieser Funktion kann nun aber keine sinnvolle Aussage über die Geldschöpfungsmöglichkeit einer Geschäftsbank getroffen werden. Auch hat die Bank wenig Einflussmöglichkeiten auf das Handeln der Kunden, welche mit einer Umwandlung ja „Geld“ schöpfen können. Es erscheint deshalb zweckmäßig, die Möglichkeit der Umwandlung unberücksichtigt zu lassen, d. h. davon auszugehen, dass Geldschöpfung für diese Untersuchung nur durch die beiden o. g. Vorgänge entsteht. Bei beiden Vorgängen verschuldet sich die Bank gegenüber ihrem Kunden, jedoch tritt eine Verschuldung des Kunden gegenüber der Bank nur bei einer Kreditgewährung ein.
Der buchungstechnische Vorgang der Geldschöpfung dürfte hier allgemein bekannt sein. Betrachtet man diesen Vorgang isoliert von anderen, könnte man von einer Geldschöpfung aus dem Nichts sprechen. Mit der Geldschöpfung werden zwangsläufig aber noch andere Ereignisse innerhalb der Bank ausgelöst.
Als Reaktion auf die Geldschöpfung wird der betroffene Kunde höchstwahrscheinlich
- eine Bargeldabhebung vornehmen,
- eine Überweisung zu einem Kunden bei einer anderen Bank tätigen,
- eine Überweisung zu einem Kunden bei der eigenen Bank vornehmen.
Abhängig vom Kundenhandeln muss die Bank reagieren.
Im ersten Fall muss sie sich Bargeld besorgen. Dies kann über die Zentralbank oder aber durch Hereinnahme von Bargeld durch Kunden geschehen.
Wird eine Überweisung an eine andere Bank getätigt, so ist grundsätzlich entweder Zentralbank-Buchgeld erforderlich, falls sich im Wege von Clearing und Settlement nicht ein Ausgleich schaffen lässt, oder aber es muss bei der anderen Bank ein Kredit aufgenommen werden. Wie aus den konsolidierten Bilanzen der Bundesbank/EZB ablesbar, hat der Handel unter Banken eine erstaunliche Größenordnung angenommen. Bei einer Bilanzsumme der MFIs in Deutschland von 7,5 Billionen € beträgt der Interbankenhandel (ohne Bundesbank) 2,1 Billionen €. Dieser besteht zu ¾ aus Buchkrediten und ¼ an Wertpapieren (Stand März 2014, Monatsberichte der Deutschen Bundesbank).
Benutzt der Kunde sein Giroguthaben zur Überweisung an einen Kunden bei derselben Bank, muss die Bank lediglich eine Umbuchung von "Verbindlichkeiten gegenüber Kunden" vornehmen.
Da die Kunden der Bank unterschiedliche Möglichkeiten besitzen ihre Sichtguthaben in Anspruch zu nehmen, kann m. E. keine seriöse Aussage über die Geldschöpfungskapazität der Banken getroffen werden, da sie das Vorgehen des Kunden kaum beeinflussen kann. Jede dieser Möglichkeiten müsste einzeln untersucht und quantitativ bewertet werden. In den Bilanzen der Banken sind hierzu jedoch keine verwendbaren Zahlen enthalten, so dass eine Untersuchung bereits an dieser Stelle scheitert.
Kann man aus den konsolidierten Bilanzen der MFIs noch auf anderem Wege zu einer Aussage über die Geldschöpfung des gesamten Bankensystems kommen? Aus den Zeitreihen der Bundesbank lässt sich die Entwicklung der Geldmengen wie auch der einzelnen konsolidierten Bilanzpositionen der MFIs entnehmen. (Fortsetzung folgt)
Beste Grüße
Rudi