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Lösung der Klimakrise im Rahmen der Zusammenbruchskrise des Kapitalismus
Halil:
Im zweiten und im dritten Teil der Studie „Lösung der Klimakrise im Rahmen der Zusammenbruchskrise des Kapitalismus“ ( http://www.shaker.de/shop/978-3-8322-9943-9 und http://www.um-bruch.net/uforum/index.php?topic=48.0 ) vertrete ich die Ansicht, dass auf den Bankrott der wichtigsten Staaten der Welt eine globale Umwälzungsepoche folgt und die Klimakrise unter den historischen Bedingungen der Zusammenbruchskrise des Kapitalismus gelöst werden muss. Als Auftakt zu dieser Studie habe ich im Sommer 2009 im alten Querschüsse-Forum ein Thesenpapier zur Klimakrise formuliert, das ich unten wiedergebe. Ich hoffe, dass dieses Thesenpapier auch in diesem Forum auf reges Interesse stößt.
Halil Güvenis
Frage: Sich über das „Wie weiter?“ nach dem Bankrott der wichtigsten Staaten Gedanken zu machen, begrüße ich sehr. Und auch diese Situation in den Rahmen der ökologischen Krise zu stellen, finde ich unerlässlich.
Antwort: Ich finde auch, dass die Klimakrise in den Rahmen der Weltwirtschaftskrise gestellt werden sollte. – In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, dass der hier vorgelegte Wirtschaftsartikel im Rahmen eines „korrekten Rettungsszenarios in der globalen Klimakrise“ entstanden ist. Von daher möchte ich im Folgenden gerne versuchen, die Zukunftsprognose in meinem Wirtschaftsartikel fortzusetzen und einige Thesen zur Lösung der Klimakrise zu formulieren… Das Thesenpapier, das ich vorlege, ist nicht programmatisch bis ins Detail ausgearbeitet; im heutigen Stadium der Entwicklung scheint das unmöglich zu sein. Trotzdem hoffe ich, dass mein relativ kurzes Thesenpapier zur Klimakrise auf reges Interesse stößt und unverständliche Stellen im Text in Diskussionen geklärt werden können.
Vor oder nach dem globalen Staatsbankrott?
Wir erleben eine doppelte Krise – Weltwirtschafts- und Klimakrise, die uns in den nächsten Jahrzehnten bis zum äußersten herausfordern werden. Die Schwierigkeit der Problematik liegt darin, dass für beide Krisen gleichzeitig eine Lösung gefunden werden muss. Obwohl sich viele Klima-Aktivisten in diesem Punkt einig sind, herrscht darüber Unklarheit, ob die Lösung der Klimakrise vor oder nach dem globalen Staatsbankrott gesucht werden muss. Ich stehe auf dem Standpunkt, dass die Weltwirtschaftskrise unumgänglich auf den globalen Staatsbankrott zusteuert und daher jede realistische Lösung des Klimaproblems jenseits vom Staatsbankrott liegt.
Gründe für die doppelte Krise
Der Hauptgrund für die Doppelkrise liegt im gegenwärtigen Zustand des Kapitalismus. In den letzten achtzig Jahren hat sich der Kapitalismus zu einem Wirtschaftssystem entwickelt, das unersättlich nach Wachstum und Konsum drängt. Um den Teufelskreis von Wachstum und Konsum aufrechtzuerhalten, scheuen die Menschen nicht davor, den Staat und die Umwelt tief in Schulden zu stürzen. Der Staat wird verschuldet, um den fehlenden Gesamtkonsum zu finanzieren; die Umwelt wird verschuldet – verschmutzt –, um sich vor den Folgekosten einer Abfallbeseitigung zu drücken. So ist es nicht erstaunlich, dass der Staat und die Umwelt auf Dauer diese Belastung nicht ausgehalten haben und an ihrer schwächsten Stelle (am Finanzmarkt bzw. am Klimawandel) kaputt gehen – den Bankrott erklären –.
Die Bedeutung des globalen Staatsbankrotts für die Klimakrise
Kommt es in den nächsten Jahren zum globalen Staatsbankrott, dann wird das eine derart elementare kollektive Erfahrung sein, dass die gesamte Weltbevölkerung bereit sein wird, althergebrachte Wertvorstellungen über Bord zu werfen und ein neues Wirtschaftssystem zu schaffen… Waren bis zum globalen Staatsbankrott Wachstum und Konsum Hauptsorgenkinder der Wirtschaft, so wird das nach dem Staatsbankrott nicht mehr der Fall sein. Das ständig zu hörende Argument, man könne doch für die Klimapolitik finanziell nur das hergeben, was Wachstum und Konsum erlauben, wird vom globalen Staatsbankrott an nicht mehr von Bedeutung sein. Mit der Schaffung eines neuen Wirtschaftssystems, das vom Negativwachstum und von schrumpfenden Nettoinvestitionen ausgeht, wird das Schuldenproblem endlich an der Wurzel gepackt werden können. Dabei werden Staats- und Klimaschulden als gleichberechtigte Themen behandelt und für beide Probleme gleichzeitig eine Lösung gesucht werden.
Lösung der Schuldenfrage durch einmalige, proportionale Vermögenssteuer
Um die Altschulden aller Staaten auf der Erde zu tilgen, habe ich bei der Zukunftsprognose in meinem Wirtschaftsartikel vorgeschlagen, weltweit eine Umschuldungsaktion vorzunehmen und durch eine einmalige proportionale Vermögenssteuer die Schuldenfrage ein für allemal aus der Welt zu schaffen… Nun möchte ich diesen Lösungsvorschlag erweitern: Ich behaupte, diese Lösung wird nicht nur die Altschulden aller Staaten auf der Erde tilgen, sondern auch die Klimaschulden beseitigen helfen, die in Form von gefährlichen Treibhausgasen in der Atmosphäre das Schicksal der Menschheit bedrohen. Genauso wie die Staatsschulden gemäß dem Verursacherprinzip je nach Land und Vermögensstand global und historisch einzelnen Menschengruppen zugeordnet werden, werden die Klimaschulden global und historisch einzelnen Nationen und Personengruppen zur Last gelegt und damit für die Lösung des Klimaproblems eine gerechte und von allen Menschen akzeptable finanzielle Grundlage geschaffen.
Selbstverwaltete Großbetriebe – Vorreiter und Antreiber in der Klimapolitik
Bei der Zukunftsprognose in meinem Wirtschaftsartikel habe ich ausgeführt, dass die einmalige, proportionale Vermögenssteuer eine Vermögensstruktur erzeugt, die die Übernahme der Großbetriebe durch ihre Belegschaft notwendig macht… Ich möchte nun darauf hinweisen, dass diese notwendige Maßnahme nicht nur volkswirtschaftlich, sondern auch klimapolitisch von entscheidender Bedeutung ist.
Mit der Schaffung einer gerechten und von allen Menschen akzeptablen finanziellen Grundlage ist die Klimapolitik noch nicht erschöpft. Vor allem die Manipulationsbemühungen der internationalen Konzerne gegen eine wirksame Klimapolitik müssen aus dem Weg geräumt werden. Die Konzerne sehen nämlich durch eine „übertriebene Klimapolitik“ ihre Gewinne und Investitionen sowie ihre gesamte Technologie-Entwicklung in Gefahr… Gehen die Großbetriebe nach der einmaligen proportionalen Vermögenssteuer als notwendige Maßnahme in die Hände der unmittelbaren Produzenten über, so fallen die Manipulationsbemühungen der internationalen Konzerne automatisch weg. Da in der neuen Ära Wachstums- und Gewinnstreben keine entscheidende Rolle mehr spielen werden, wird auch dieser Faktor als treibendes Motiv der Entwicklung wegfallen. Hauptakteure des neuen Wirtschaftslebens werden die selbstverwalteten Großbetriebe sein, die in der Klimapolitik eine einmalige Vorreiter- und Antreiberrolle übernehmen werden. Die Umstellung der gesamten Wirtschaft auf erneuerbare Energien und auf entsprechende Produktions- und Konsumtechniken (= auf umweltverträgliche, klimafreundliche Basisinnovationen!) wird nur durch ihre aktive Teilnahme möglich sein. Vor allem, wenn die selbstverwalteten Großbetriebe ihre Organisationsformen voll entfaltet haben, werden sie für die Demokratiesuche in der Gesellschaft ein großes Vorbild sein und der Klimapolitik eine breite, organisierte Massenbasis zur Verfügung stellen.
Reorganisierung des politischen Lebens nach globalen, historischen und kollektiven Menschenrechten
Allein mit der Erfüllung der ökonomischen und organisatorischen Bedingungen kann das Klimaproblem nicht adäquat gelöst werden; auch politische Bedingungen müssen erfüllt werden… Die korrekten Maßnahmen, die in der Klimapolitik ergriffen werden, sind nicht von lokaler Art und werden nicht unmittelbar zum Wohle der Individuen ergriffen. Sie sind globale, historisch notwendige Maßnahmen und dienen dem kollektiven Wohl der gesamten Menschheit. Von daher sind unsere Nationalstaaten, die auf lokalen, unmittelbaren und individuellen Menschenrechten des eigenen Volkes basieren, keine geeigneten Instrumente, um die Klimapolitik effektiv zu führen.
Wir sind in die Klimakrise geraten, weil unsere lokalen, unmittelbaren und individuellen Menschenrechte nicht ausreichen, die globalen, historischen und kollektiven Gefahren zu erkennen und zu vermeiden. Wenn wir die Klimakrise lösen wollen, müssen wir daher über den Nationalstaat hinaus, der ein Instrument der lokalen, unmittelbaren und individuellen Menschenrechte ist, den internationalen Staat gründen, dessen Aufgabenbereich durch globale, historische und kollektive Menschen- und Naturrechte definiert ist. Dabei sollen die lokalen, unmittelbaren und individuellen Menschenrechte nicht aufgehoben werden, sondern in Nationalstaaten als untergeordnete Rechtsgrundlage weiter bestehen.
Die selbstverwalteten Großbetriebe, die im neuen Zeitalter an die Stelle der internationalen Konzerne treten werden, müssen auch bei der Reorganisierung des politischen Lebens als Vorbild dienen. Sie repräsentieren nämlich in einem kleineren Maßstab den zu gründenden internationalen Staat. Sie sind sozusagen der lokal, unmittelbar und individuell organisierte Nationalstaat und der global, historisch und kollektiv agierende internationale Staat in ein- und derselben Organisationsform. Es wird enorm wichtig sein, die Organisationsprinzipien der selbstverwalteten Großbetriebe auf den internationalen Menschen- und Naturstaat zu übertragen. – Erst dann wird sich der Kreis in der Klimafrage schließen.
Eurelios:
Hallo Halil,
schöne Gedanken von Dir aber ich befürchte daß das Ganze so nicht funktionieren wird. Weil der Mensch so ist wie wer ist nähmlich
nur an sich selber denkend. Bis auf ganz wenigen Ausnahmen wie zum Beispiel Gandi oder Mutter Theresa.
Du schreibst:
Lösung der Schuldenfrage durch einmalige, proportionale Vermögenssteuer
Um die Altschulden aller Staaten auf der Erde zu tilgen, habe ich bei der Zukunftsprognose in meinem Wirtschaftsartikel vorgeschlagen, weltweit eine Umschuldungsaktion vorzunehmen und durch eine einmalige proportionale Vermögenssteuer die Schuldenfrage ein für allemal aus der Welt zu schaffen… Nun möchte ich diesen Lösungsvorschlag erweitern: Ich behaupte, diese Lösung wird nicht nur die Altschulden aller Staaten auf der Erde tilgen, sondern auch die Klimaschulden beseitigen helfen, die in Form von gefährlichen Treibhausgasen in der Atmosphäre das Schicksal der Menschheit bedrohen. Genauso wie die Staatsschulden gemäß dem Verursacherprinzip je nach Land und Vermögensstand global und historisch einzelnen Menschengruppen zugeordnet werden, werden die Klimaschulden global und historisch einzelnen Nationen und Personengruppen zur Last gelegt und damit für die Lösung des Klimaproblems eine gerechte und von allen Menschen akzeptable finanzielle Grundlage geschaffen.
Bei den unterschiedlichen Blöcken weltweit die nur ihre eigenen Intressen sehen sage ich zu 99,9999% wird das nicht gemacht.
Es wird zu einem Verteilungskampf kommen der so hässlich sein wird wie wir es uns garnicht vorstellen können. Leider :o
Viele Grüße aus Owen an der Teck von
Günter
Halil:
Hallo Eurelios,
--- Zitat ---Es wird zu einem Verteilungskampf kommen der so hässlich sein wird wie wir es uns garnicht vorstellen können. Leider
--- Ende Zitat ---
Selbstverständlich wird es nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch zu einem unvorstellbaren Verteilungskampf kommen. Du hast, langfristig gesehen, wohl recht mit deinen Vorstellungen über gesellschaftlichen Zerfall. Ich möchte aber in diesem Zusammenhang auf einen sehr wichtigen Punkt hinweisen: Die von dir genannten Kräfte können, kurzfristig gesehen, nicht so schnell die gesellschaftlichen Prozesse erfassen. In der Phase nach dem globalen Staatsbankrott werden wahrscheinlich aufgrund des Vertrauensschwunds sämtliche Wirtschaftsbereiche auf der Welt stillstehen. Um die Räder wieder in Gang zu bekommen, muss in dieser Situation schnellstens gehandelt werden. Man wird nicht viel Zeit haben, ein oder zwei Neustartversuche, bis man den richtigen Weg gefunden hat, wird es sicher geben. Ich vermute aber, dass zum Schluss Einsicht in die Notwendigkeit Oberhand gewinnen wird… Wenn diese Neustartversuche nicht funktionieren sollten, dann würden die von dir genannten sozialen und politischen Folgen des wirtschaftlichen Zusammenbruchs erst richtig am Horizont sichtbar werden… Wie gesagt, das alles ist eine Vermutung von mir – beim heutigen Stand der Kenntnisse scheint es mir am naheliegendsten zu sein.
Herzliche Grüße aus dem sonnigen Istanbul
Halil
Mumken:
Hallo Halil.
Du schreibst:
--- Zitat von: Halil am 28. April 2012, 08:57:47 ---
..........
Man wird nicht viel Zeit haben, ein oder zwei Neustartversuche, bis man den richtigen Weg gefunden hat, wird es sicher geben. Ich vermute aber, dass zum Schluss Einsicht in die Notwendigkeit Oberhand gewinnen wird… Wenn diese Neustartversuche nicht funktionieren sollten, dann würden die von dir genannten sozialen und politischen Folgen des wirtschaftlichen Zusammenbruchs erst richtig am Horizont sichtbar werden… Wie gesagt, das alles ist eine Vermutung von mir – beim heutigen Stand der Kenntnisse scheint es mir am naheliegendsten zu sein.
......
--- Ende Zitat ---
Meiner Einschätzung nach siehst Du das sehr optimistisch. Besonders wenn Du sagst "Ich vermute aber, dass zum Schluss Einsicht in die Notwendigkeit Oberhand gewinnen wird…" habe ich so meine Zweifel. Der Weltgemeinschaft zu unterstellen, das sie die Fähigkeit habe Einsicht zu zeigen, halte ich für sehr gewagt. Einfacher ist es doch, wenn alles zerstört wird und danach wieder genügend Potential für ein weiteres, einige Jahrzehnte andauerndes Wachstum vorhanden ist. Hierfür bietet die Geschichte Deutschlands nach dem zweiten Weltkrieg doch eine eindrucksvolle Vorlage.
Ich würde mir wünschen, dass Du trotzdem mit Deiner Vermutung richtig liegst; allein der Glaube fehlt mir.
Gruß aus der jetzt auch sonnigen Eifel,
Rudi
Halil:
--- Zitat ---Hierfür bietet die Geschichte Deutschlands nach dem zweiten Weltkrieg doch eine eindrucksvolle Vorlage.
--- Ende Zitat ---
Die Geschichte Deutschlands nach dem zweiten Weltkrieg ist kein geeignetes Beispiel für die von mir beschriebene Umwälzungsepoche. Ein sehr gutes Beispiel hingegen ist die Französische Revolution! In jeder Etappe der Französischen Revolution zeigten die Massen die von ihnen erwartete Einsicht in die Notwendigkeit und trugen die Revolution zum nächsten Etappenziel! Genau nach diesem Vorbild entwickle ich "das optimistische Szenario" in meinem Buch "Lösung der Klimakrise im Rahmen der Zusammenbruchskrise des Kapitalismus" ( http://www.shaker.de/shop/978-3-8322-9943-9 ).
Halil
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