Autor Thema: Was ist Geld?  (Gelesen 88202 mal)

Mumken

  • Sr. Mitglied
  • ****
  • Beiträge: 291
    • Profil anzeigen
Re: Was ist Geld?
« Antwort #75 am: 04. Dezember 2012, 07:47:52 »

Hallo Rudi,

viele, viele Missverständnisse. Ich frage mich langsam, ob Sprache wirklich zur Kommunikation geeignet ist. Egal ...

Grundsätzlich ja, aber nur wenn jeder versucht, dem anderen auch zuzuhören und ihn zu verstehen. Ansonsten entwickelt sie sich zu sinnlosen Selbstgesprächen. An diesem Punkt sind wir angelangt. Meine explizit gestellten Fragen im letzten Post übergehst Du geflissentlich und antwortest mit neuen Fragen, welche m. E. bereits mit meinem letzten Post hinreichend beantwortet wurden. 

Hallo Matthias,

nachdem ich mir unsere Diskussionen in den letzten Beiträgen nochmals angesehen habe stelle ich mir einige  Fragen:
Macht es eigentlich noch Sinn weiter zu diskutieren, da Du die Wahrheit ja schon gefunden hast?
Welche Sachverhalte sehen wir beide gegensätzlich und bei welchen stimmen wir im Grunde überein?
Gehe ich dann noch einen Schritt weiter und versuche nach Wichtigkeit zu ordnen, komme ich zu dem Ergebnis, wir streiten uns um Peanuts.  ::) Möglicherweise siehst Du das jedoch ganz anders.

Es macht vielleicht Sinn, die Unterschiede genauer darzustellen und dann zu entscheiden, ob man die Überzeugung des Anderen tolerieren kann und ob es dann noch Sinn macht die Diskussion fortzusetzen. Dies setzt jedoch den Versuch voraus, dogmatischen Überzeugungen etwas hinten an zu stellen und die Position des Anderen zumindest mal durchzudenken.
................

Die Diskussion über Gold, Silber, Warengeld usw. möchte ich hiermit beenden, da wir uns ja doch nur im Kreis drehen. Es liegt nicht an Deiner Erklärung. Diese ist für mich nachvollziehbar, jedoch teile ich Deine Auffassung nicht, dass dies eine "Gewissheit, weil stichhaltig belegbar und überprüfbar", ist. Eine These , ja. Auch muss ich zugeben, dass ich erst durch Heinsohn/Steiger, Martin und Graeber zu vielen Erkenntnissen gelangt bin, wenn auch erst indirekt, indem ich eine Behauptung auf ihren Wahrheitsgehalt untersucht habe.

Zum Ende stellt sich dann die Frage, ob wir uns weiter über verschiedene Auswirkungen der kapitalistischen Wirtschaftsform unterhalten können, ohne die o.g. Gewissheit über die Herleitung zu bemühen?

.................

Nun halte ich es für erforderlich, dass wir uns erst in dieser Grundsatzfrage einig werden müssen, bevor wir weiter diskutieren.

Gruß
Rudi


Matthias

  • Intern
  • Held Mitglied
  • *****
  • Beiträge: 582
    • Profil anzeigen
Re: Was ist Geld?
« Antwort #76 am: 07. Dezember 2012, 11:51:10 »

Hallo Rudi,

als dieses Forum an den Start ging (und damit das wiki), hatten wir uns vorgenommen, herauszufinden, was es mit dem Geld auf sich hat. Unsere Erkenntnisse wollten wir dann in verständlicher Form aufbereiten, sodass auch Menschen, die sich mit dem Thema nicht gut auskennen, einen Einstieg finden. Nun handelt es sich beim Thema Geld gewiss nicht um leichte Kost und folglich ist die Herausforderung, dieses nachvollziehbar und allgemeinverständlich auf den Punkt zu bringen, groß. Natürlich ist es dabei unabdingbar, in einem gewissen Rahmen auch zu vereinfachen (und je tiefer man in die Details eintaucht, desto schwieriger wird es).

Vor nunmehr zweieinhalb Jahren habe ich den Text über "Unser Geldsystem" geschrieben. Angesichts der allerorten herrschenden Verwirrung, die durch Darstellungen von Herrn Creutz u. a. noch verschlimmert wurde, wollte ich auf den Umstand, wie Banken Geld schöpfen, aufmerksam machen. Bekanntlich entspricht die Realität nicht der Vorstellung der meisten Menschen. Schon diesen Umstand klar zu machen, war ein langes und mühsames Unterfangen.

Nachdem also das gelungen war, stellten sich viele Fragen, z.B:
- Warum weicht meine Vorstellung von der Realität ab?
- Warum glauben wir alle, Geld sei ein "Ding"?
- Warum ist ein Geldschein ein Schuldschein?

Nun kann ich hergehen und entweder
a) an meinen Vorstellungen festhalten, oder
b) diese in Frage stellen

bei a) kann ich sowohl stehen bleiben als auch weitergehen, während b) mehr oder weniger automatisch zum nächsten Schritt führt, nämlich zu
c1) um zu untersuchen, wie es eigentlich heute genau funktioniert, um nun
c2) verstehen zu können, warum es so ist, wie es ist. Denn erst das ermöglicht es mir
c3) das jetzige System mit früheren zu vergleichen, welches mich wiederum in die Lage versetzt
c4) über evtl. Lösungen oder gar Verbesserungen nachzudenken

Komischerweise nehmen sich viele zwar c) vor, wählen aber zunächst a), ohne sich bewusst zu sein, dass das Festhalten an bestimmten Vorstellungen nicht selten mit einem Verständnisproblem einhergeht, ganz einfach weil es sehr viel schwieriger ist, sich auf ungewohnte Denkweisen überhaupt einzulassen (denn seine Vorstellungen hat man ja nicht ohne Grund). Und deshalb (vermutlich) halten sie den Weg nicht konsequent durch und kürzen ab. Man gibt sich recht schnell mit Wissensbrocken unter c1) zufrieden (z.B. "Geld drucken") und in der irrigen Annahme, man habe es schon verstanden (und ebenso c2), springt man zu c3) und kommt zu dem Schluss, dass man eine Lösung c4) - wie auch immer geartet - gefunden habe. Und das endet dann wie so oft in endlosen Diskussionen und Streitereien, und führt manchmal (siehe Diskussion mit Brichta) zu wahrlich skurrilen Überzeugungen: man selbst verstehe mehr von Geld, als sämtliche Verantwortliche in den entsprechenden Institutionen wie Bundesbank u.ä. (!). (Da ist es nicht verwunderlich, höchstens bedauerlich, wenn jemand wie Brichta entnervt die Diskussion abbricht ...)

Ich muss aber, wenn ich den (zweifellos mühsamen) Weg c) einschlage, diesen auch konsequent Schritt für Schritt bewältigen. Ich muss c1) vollständig hinter mich gebracht haben, um zu VERSTEHEN, und ich muss ebenso c2) beantworten können, alles andere ist eine Illusion und macht eine Analyse, die diesen Namen auch verdient, unmöglich!
Mir ist es mit meinen Beiträgen anscheinend nicht gelungen, meine Gedanken und Erkenntnisse für andere nachvollziehbar mitzuteilen. Aber zumindest zum Teil ist dazu eben auch ein Gedankenaustausch vonnöten, der nicht stattfinden kann, wenn diese keinen Widerhall finden und letztlich als Selbstgespräche enden, was bedauerlicherweise meist der Fall war. Sei's drum ...

Bislang war ich der Ansicht, du hättest c1) verstanden und als nächstes c3) in Angriff genommen. Du hast dich mit Banken im ausgehenden Mittelalter beschäftigt und alles mögliche gelesen und untersucht, aber nie hast du die Frage c2) gestellt, warum es heute so ist, bzw. ob es irgendwelche einleuchtenden Gründe dafür geben könnte (was dann Einfluss auf die Einschätzung hätte). Deshalb habe ich dich darauf aufmerksam gemacht. Wenn ich dann feststellte, dass c2) Unbehagen oder Schwierigkeiten bereitet, habe ich versucht, dir beim Verständnis behilflich zu sein. Warum es (heute) so ist (und früher so oder anders), kann ich nur verstehen, wenn ich Geld nicht als Selbstzweck betrachte, also losgelöst von anderen Bereichen. Geld ohne Wirtschaft zu definieren ist ebenso sinnlos, wie steuerliche Aspekte oder den gesetzlichen Rahmen außen vor zu lassen. Du wirst Geld nie verstehen können, wenn du nicht wenigstens einigermaßen den Sinn und die wichtigsten Grundlagen des Wirtschaftens verstanden hast. Und das beginnt eben bei simpelsten Dingen, wie dem Unterschied zwischen "Wert" und "Preis". Versuche ich dir klarzumachen, warum es unabdingbar ist, diese mit einzubeziehen, vor allem aber auch die Gesetzgebung, erklärst du das als für dich unwichtig.
Zitat: "Deine Aussagen zu Schuldverhältnissen und daraus folgend der Bezeichnung von Geld als Schulden, sind nach der geltenden Gesetzgebung logisch richtig. Aber wenn wir uns schon von vielem Hergebrachten lösen erlaube ich mir, auch diesen Begriff in Frage zu stellen."
Im Klartext: Recht und Gesetz sind für dich unerheblich.
Mal ganz abgesehen davon, dass es mich doch sehr verwundert, wenn ein Beamter so denkt, treibt es mich in der Sache zur Verzweiflung. Und die Erkenntnis reift, dass die Geduld nicht ausreichen wird, wenn etwas zur Diskussion gestellt wird, worüber es nichts zu diskutieren gibt, weil es schlicht und ergreifend unumstößliche Realität ist, die jedermann jederzeit überprüfen kann. Genauso gut könnte ich mich bis in alle Ewigkeit mit der sinnfreien Frage beschäftigen, ob ein Kernkraftwerk nicht auch ohne Kernspaltung und ohne radioaktiv verstrahlten Müll möglich sei. Das ist einfach albern.

Als mir jetzt auch noch klar wurde, dass du wohl nicht einmal verstanden hast, wie unser zweistufiges Bankensystem funktioniert, ist meine Hoffnung allerdings vollends versiegt. Deine Aussage, heutiges Geld sei durch "Nichts" gedeckt, ist Kokolores und du solltest das auch so nicht stehen lassen. Diese extreme Vereinfachung wird dem Anspruch, die Leute aufzuklären nicht nur nicht gerecht, sondern im Gegenteil: sie verwirrt die Menschen nur noch mehr ...

Ich habe mir den Wolf geschrieben, aber es hat überhaupt nichts genützt. Ich habe auch ehrlich gesagt den Eindruck, dass es dich im Grunde gar nicht interessiert, dass du gar nicht wirklich verstehen willst, sondern lediglich etwas suchst, was deine Einschätzungen bestätigt. Wie auch immer, ich kann einfach keinen Sinn mehr darin erkennen, hier weiter zu machen ... vielleicht kriegst du es ja noch hin (und vielleicht gelingt es dir allein einfach besser) und ich drücke dir ehrlich die Daumen.



Bevor ich mich jedoch verabschiede, möchte ich dir noch etwas mit auf den Weg geben. Wahrscheinlich wirst du dich furchtbar aufregen, aber das ist dein Problem, denn was ich hier schreibe, mache ich nicht, um jemanden zu verärgern, sondern um ihm ein wenig die Augen zu öffnen. Und es steht dir übrigens auch gar nicht zu, dich über Ansichten anderer Menschen aufzuregen, es sei denn, diese seien vollkommen unbegründet und aus der Luft gegriffen.

Aus all deinen Beiträgen erkennt man, wie weit du vom Leben, von der Realität, den Alltagsproblemen und Nöten der meisten Menschen entfernt bist. Man könnte wirklich glauben, du lebst in einem Elfenbeinturm oder irgendwo da oben in Wolkenkuckucksheim. Deine empörte Frage, "warum es denn immer Profite oder Gewinne geben müsse", ist in etwa so intelligent, wie die Frage, ob ein Mensch für seine Arbeit denn einen Lohn verdient hat (und ich möchte gar nicht wissen, wie du auf eine solche Frage reagieren würdest!). Aber für dich sind Profite und Gewinne gleichbedeutend mit Gier und Ausbeutung. Ja, da musste ich mich schon manchmal zurückhalten, aber ein Schmunzeln hilft besser, als sich zu ärgern. Und gut, man kann es demjenigen ja auch erklären ...
Du stellst dir die Frage, "ob man tatsächlich immer einen Kredit benötigt, um ein Unternehmen zu gründen", und ganz ehrlich, da ist man schon baff. Vielleicht bewegst du dich ja nur in Kreisen, wo sich die jungen Leute mit gut gefülltem Geldbeutel auf den Weg ins Leben machen. Ich kenne niemanden. Und trotzdem hat einer ein Restaurant eröffnet, ein anderer eine Schreinerei gegründet.
Tja, wahrscheinlich ist deshalb für dich die Börse ein Ort, wo es immer nur um Profite um der Profite willen ging (was gar nicht geht), und der Sinn bzw. Ursprung der Börse ist dir noch immer ein Rätsel. Dass es ohne die Finanzierung zu Beginn etliche Betriebe heute gar nicht gäbe (informiere dich z.B. mal über die Geschichte von Carl Benz), scheint dir überhaupt nicht bewusst zu sein.
Ich könnte noch eine Menge deiner weltfremden Äußerungen zitieren, aber das lasse ich besser bleiben, sonst wird's zu lang ...

Es wird höchste Zeit, dass du einmal von deinem hohen Ross herunter kommst und dich in die Niederungen des "einfachen Volkes" begibst. Du merkst schon nicht einmal mehr (übrigens ein sehr weit verbreitetes Phänomen), wie schräg dein Bild von der Realität ist. Du schwärmst vom wohltätigen Staat und dem "hochmoralischen" Rentensystem, als sei das etwas, was der gute Papa Staat sich ausgedacht hätte, damit es seinen Bürgern besser gehe. Du siehst schon gar nicht mehr, dass es die Menschen waren, die dafür gestritten haben. Nun tust du so, als sei das etwas schröcklich nobles, dass der Staat Gelder, die ihm der Bürger anvertraut (und die er erarbeitet hat!), auch wieder auszahlt!?
Es waren die Menschen, die sich ihre Rechte, wie die Meinungsfreiheit erkämpft haben, GEGEN Regierungen, GEGEN privilegierte Schichten, GEGEN massive Widerstände und mancher hat dafür sein Leben gelassen. Die Geschichte (und Gegenwart!) der Menschheit ist eine endlose Abfolge der Unterdrückung, aber das scheint dir vollkommen unbekannt.
Der Verdruss (um es noch vorsichtig zu formulieren) in der Bevölkerung ist noch verhalten, weil die meisten noch vor sich hin pennen. Aber die, die langsam aufwachen, haben die Schnauze gestrichen voll. Und das wird bestimmt nicht besser werden ... und die Menschen werden Fragen stellen, unbequeme Fragen ...

Merkwürdigerweise ist deine Empörung gewaltig, wenn es um die kriminellen Machenschaften allerorten geht, aber die Empörung über diejenigen, die diese kriminellen Machenschaften nicht unterbinden, sehe ich nicht. Wo ist deine Empörung über Regulierungsbehörden, Staatsanwälte, Politiker, die dem ganzen Treiben tatenlos zusehen? Wo die Empörung über die Drangsalierung unbescholtener Bürger? Wo ist die Empörung über die Korruption der Parlamentarier? Warum empörst du dich über die Lobbyisten, aber nicht über die, die sich schmieren lassen?

Ein Halunke ist ein Halunke. Die Gemeinschaft kann sich gegen Halunken wehren. Wogegen sie sich aber nicht wehren kann, sind Halunken, die mit denen, die diese überwachen und Verstöße sanktionieren sollen, gemeinsame Sache machen!!!! Dieses Problem ist lange bekannt und schon die Römer haben das in einfachen Worten auf den Punkt gebracht:

Sed quis custodiet ipsos custodes?


Du glaubst (wie so viele), wenn Unternehmen Gewinne machen, dann seien diese Gewinne quasi "netto". In der Regel sind Unternehmen aber hoch verschuldet. Das kapieren die meisten leider nicht und sie verstehen schon gar nicht den Unterschied zwischen den Schulden des Staates (auf Kosten der Allgemeinheit!) und den Schulden von Privaten  (und das sollen sie auch gar nicht und man sorgt dafür, dass es so bleibt ...).
Im Unterschied zum Staat muss ein Unternehmen Kredite tilgen, INDEM es Profite macht. Und das Unternehmen bekommt erst dann neue Kredite, wenn die erzielten Gewinne ausreichten, um den vorigen zu tilgen. Jeder Privatperson und jedem Unternehmen ist es gar nicht möglich, Schulden mit neuen Schulden zu bezahlen. Und das ist auch gut so, denn ansonsten würde ja niemand für die Schulden leisten, was logischerweise einen Schaden für andere bedeutet und deshalb auch sanktioniert wird. Man kann dafür nicht umsonst im Kittchen landen.

Der Staat aber nimmt für sich das Recht in Anspruch, diese Regel nicht einhalten zu müssen. Er verstößt gegen das eigene Gesetz!! NIEMAND leistet für die Schulden des Staates, nur die Allgemeinheit leistet für die anfallenden ZINSEN. Hier handelt es sich also um nichts anderes als ein tatsächlich LEISTUNGSLOSES EINKOMMEN derjenigen, die diese Zinsen von der Allgemeinheit kassieren. Und es sind NUR die Schulden des Staates, die stetig wachsen, weil NIE getilgt wird. Und das ganze wird unterlegt mit dem Argument, diese Schulden kämen ja der Allgemeinheit zugute und nur deshalb regt sich wohl kaum einer darüber auf. Es genügt ein Etikett lautend "für einen guten Zweck" und alle sind begeistert. Und so werden mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Ursache und Wirkung werden auf den Kopf gestellt und das Volk prügelt sich, weil die einen den "Wohlfahrtsstaat" dafür verantwortlich machen und die anderen die Raffgier einiger weniger. Geschickt gemacht, zweifellos ...

Du beklagst den Zwang des "noch mehr", der noch höheren Gewinne von Unternehmen und der immer höheren Profite. Aber nicht ein einziges Mal habe ich von dir gehört, warum eigentlich ausgerechnet der Staat immer höhere Ausgaben festlegt, selbst dann, wenn er bereits Oberkante Unterlippe VERSCHULDET ist. Jedes Jahr aufs Neue geschieht das - von vorne herein! Immer mehr sollen alle zahlen! Es ist nie genug! Jetzt kommt noch das Europäische Parlament dazu, das auch immer mehr haben will!
Auf die berechtigte Frage, warum ausgerechnet angesichts der STAATSSCHULDEN-KRISE das EU-Parlament einen Zuwachs des EU-Haushaltes für 2013 um WIEDER 7% beschließt, antwortet einer, der vom Volk bezahlt wird (!), namens Barroso, er könne die Frage nicht verstehen, es würden doch immerhin über 90% den Bürgern zugute kommen ...
Wie schön und edel und nobel! Die Bürger sollen die Gürtel enger schnallen, während andere sich schamlos bedienen ( http://www.unzensuriert.at/content/009834-EU-Beamte-F-rstlich-entlohnte-Urlaubs-Weltmeister ) ... Und während übelste Betrügereien in den obersten Etagen seit vielen vielen Jahren ungesühnt bleiben ( allein die in zig Milliardenhöhe gemachten Gewinne der Banken mittels betrügerischer Konstrukte ), knöpft man sich die bösen bösen Steuerhinterzieher vor, wie z.B. einen alten Mann in Italien, der am Straßenrand Nüsse im Wert von 2,50 € verkauft und keinen Beleg ausgestellt hat. Der war doch glatt so dreist und hat nicht einmal eine Lizenz erworben, die nur einen vierstelligen Betrag kostet, wo er doch immerhin eine satte Rente von 600,- € im Monat kassiert! Selbstverständlich musste er eine Strafe zahlen in Höhe von 9.000,- € für die fehlende Quittung und 24.000,-€ für die fehlende Lizenz! Wo kämen wir denn sonst hin? Und selbstverständlich musste er sein Haus verkaufen, um diese Strafe zu zahlen und nicht im Kittchen zu landen. Aber selbstverständlich hat der "gute Papa Staat" ihm dann eine Sozial-Wohnung im Ort versprochen! Ehrlich, da muss ich die Tränen der Rührung verdrücken, angesichts dieses herzensguten, "hochmoralischen" Staates!

Kannst du die Wut der Menschen nachvollziehen? Wenn nicht, ist's schlimm bestellt ...

Wenn jemand zu Beginn eines jeden Jahres in "das große Buch" ein dickes Minus einträgt, ein Soll, das fast immer noch größer ist als das ohnehin schon darin verzeichnete vom vorigen Jahr, dann ist es unvermeidlich, NOCH MEHR LEISTEN zu MÜSSEN als zuvor. Für jeden einzelnen von uns. Und es spielt auch keine Rolle, ob der eine oder andere dabei auf der Strecke bleibt. Da können wir uns abstrampeln wie wir wollen, da kann die Produktivität noch so groß, die verpulverte Energie noch so gewaltig, die Maschinen noch effizienter als jemals zuvor, das Personal noch geschulter, das Produzierte und Konsumierte noch so sinnlos sein, das Hamsterrad noch so unerträglich werden, es wird nie reichen! NIE!
Der Irrsinn des IMMER MEHR und IMMER NOCH MEHR ALS MEHR, obwohl wir doch so viel haben, ist vorprogrammiert. Egal, ob wir das wollen oder nicht.

Ein Unternehmen, das keinen Gewinn erwirtschaftet, geht Pleite. Die Arbeiter und Angestellten stehen auf der Straße. Ist es eigentlich nachvollziehbar, dass die, die bei einer Institution angestellt sind, die längst Pleite, längst Bankrott, längst Zahlungsunfähig ist, ihre Beschäftigung nicht verlieren? Sondern im Gegenteil, garantierte Einkünfte, jeden Monat, bis an ihr Lebensende bekommen? ... Glaubst du allen Ernstes, dass die Menschen das bis in alle Ewigkeit hinnehmen werden?


Du vermutest ein Komplott der Banken gegen den Staat und diesen Unsinn habe ich auch mal geglaubt. Wir erleben ja, dass es Unsinn ist. Staat und Banken sind Brüderchen und Schwesterchen. Oder warum glaubst du müssen WIR Banken retten, die den Staat finanzieren? Oder warum glaubst du tut der Staat alles, um eine Finanzierung außerhalb der Banken zu verhindern ( http://www.nachrichten.at/nachrichten/wirtschaft/-Waldviertler-kaempft-gegen-die-FMA;art15,990844 )? Oder warum glaubst du, bestraft der Staat ein privates DARLEHEN (welches wie der Name schon sagt, eine RÜCKZAHLUNG beinhaltet) mit SCHENKUNGS-Steuer ( http://www.focus.de/finanzen/steuern/verbraucher-zinsloses-darlehen-kann-zur-steuerfalle-werden_aid_836439.html )?

Warum regst du dich über Günter auf, wenn der lediglich darauf hinweist, dass deine Nachbarschaftsmodelle vom Staat kriminalisiert werden? Warum regst du dich über die Menschen und ihre Meinungen auf, die auf gemachten Erfahrungen gründen, und nicht über die Umstände? Wie kannst du immer noch an Regio-Geld oder sonstigen Schwachsinn glauben, wenn es überhaupt gar nicht möglich ist, ein Geld außerhalb des Euro zu denken, weil Mehrwertsteuereinnahmen des Staates wegbrechen würden und damit seine Existenz (von der Illegalität der daran Beteiligten ganz zu schweigen)?

Das Modell der Finanzierung Banken/Staat ist eine schlichtweg geniale Konstruktion. Sie erlaubt immer mehr aus der Kasse zu nehmen und keinen stört's! So lange, bis es eben zum Einsturz kommt. Und weil das niemand vorhersehen konnte, werden wieder eifrig die Aufkleber mit dem Kuckuck im Lande verteilt und jedem, der noch was hat, dieses belastet (= verschuldet) und das Spiel geht von vorne los.
Manchmal macht man es noch schlauer, wie der "New Deal" zeigt. Der war nämlich auch nichts anderes als eine Bankenrettung ... Natürlich hat man das übliche Kasperltheater veranstaltet und die bösen, bösen Banken wurden doll geschimpft, was sie denn da wieder angestellt hätten. Das Volk hat gejubelt und war beruhigt. Die Banken machten ungestört weiter. Das ganze wäre unschön zu Ende gegangen, wenn nicht - welch großes Glück - die Amerikaner den Krieg gewonnen hätten und endgültig zur Weltmacht aufgestiegen wären. Denn mit der Weltleitwährung des Dollar konnte man nach und nach die exorbitante Verschuldung anderen andrehen. Aber ich weiß, insgesamt war das alles natürlich "hochmoralisch" ...

Es wird ein böses Erwachen geben, ob plötzlich oder schleichend Stück für Stück ... vor allem für diejenigen, die alle anderen für schuldig erklären, nur nicht sich selbst und die sich eines Tages mit der Frage konfrontiert sehen werden, ob sie denn den "hochmoralischen" Ansprüchen, die sie anderen stets absprechen, auch selbst genügen?

Vielleicht bist du bereit, auch einmal dazuzulernen? Dafür ist es nie zu spät!

Ich wünsche dir alles Gute, natürlich auch dem lieben Günter, sollte er hier noch mitlesen, und ebenso Markus, Halil, Oidamo und Tommy sowie alle unbekannten Leser.

In diesem Sinne,

Matthias


.....

If you have an apple and I have an apple and we exchange these apples then you and I will still each have one apple. But if you have an idea and I have an idea and we exchange these ideas, then each of us will have two ideas.
  --  George Bernard Shaw

HannsGschaft

  • Jr. Mitglied
  • **
  • Beiträge: 55
    • Profil anzeigen
Re: Was ist Geld?
« Antwort #77 am: 13. Dezember 2012, 18:18:13 »
Hallo Matthias

Mit Deinem langen Beitrag hast Du wohl das breite Volksempfinden sehr treffend beschrieben. Der Unmut in den Bevölkerungsschichten ist naturgemäß sehr weit gestreut, da jeder nur einen kleinen Teil der Mißstände kennt. Dazu fällt auch öfter mal die Bemerkung: Der Staat müßte abgeschafft werden, dann gäbe es auch viele Probleme nicht mehr!

Nehmen wir diese Bemerkung mal wörtlich. Also man schaffe den Staat ab und die Probleme die aus ihm ergehen, sind ebenfalls beseitigt.
Vorne weg: Diese Aussage ist 100% richtig (vorausgesetzt man nimmt es wörtlich)
Allso wie schafft man einen Staat ab?
Antwort: Man beseitige das Volk, damit existiert auch der Staat nicht mehr. Denn, einen Staat ohne Volk gibt es nicht!

Zurück zu Realität. Wer sich über "den Staat" aufregt, meint natürlich die gewählten oder selbsternannten Vertreter des selbigen. Die offizielle Bezeichnung dieser Leute ist ja auch Volksvertreter. Es stellt sich allerdings allzu oft die Frage, welchen Teil des Volkes bzw wessen Interessen sie vertreten. Und daraus ergeben sich die bekannten Diskrepanzen. Ob jetzt Gesetze für bestimmte Interessengruppen maßgeschneidert werden, oder Interpretationslücken eröffnen, bleibt sich eigentlich gleich. Der gewiefte Anwalt kennt (oder findet) diese Lücken. Grundsätzlich gelten unsere verordneten Vorschriften für alle Bürger (ob groß oder klein, ob arm oder reich) und vor dem Gesätz sind alle gleich. Gelegentlich stellt man allerdings fest, daß manche wohl etwas gleicher sind. Diese "gefühlten" Ungleichheiten sind natürlich juristisch wasserdicht. Deshalb nennt man im Volksmund manche Rechtsanwälte auch Rechtsverdreher.
Über weitere, von den diversen Regierungen verordnete gesellschaftliche Ungereimtheiten, möchte ich mich nicht weiter auslassen. Dazu gibt es genügend Literatur der Vergangenheit und Gegenwart.

Zur Frage: Was ist Geld?
Für mich, und wohl auch die meißten anderen, stellt sich diese Frage erst mal gar nicht. Für uns ist es ein von der Regierung verordnetes, manchmal regional begrenztes, gültiges Zahlungsmittel. Ob ich das nun Cash in der Tasche, oder als Guthaben auf einem Bankkonto, oder eben auch als Minussaldo in Form eines Kredites habe.
Mit dem Begriff "Schuldschein" für Geld kann ich leider nichts anfangen. In dem Moment, wo eine Regierung ihre bisherige Währung für ungültig erklärt, ist jeder darauf lautende "Schuldschein" wertlos. In der Praxis (Stichwort Währungsreform) haben die Banken allerdings immer einen Umrechnungskurs auf die neue Währung ge- oder erfunden. Sonst hätten sie ja ihre Kreditforderungen ebenfalls als wertlos abschreiben müßen.

Ob die Geldfrage mit der Entstehungsgeschichte der Banken geklärt werden kann, kann ich nicht beurteilen. Offensichtlich ist dies auch sehr viel schlaueren Leuten nicht möglich. Eins ist mir allerdings in vielen Gesprächen mit Rudi aufgefallen. Schon bei der Gründung der ersten Banken nach heutiger Form stand die Finanzierung des Regierungshaushaltes durch den "Geldadel" im Fordergrund. Der Staat (sprich das Volk) diente nur als Bürge, der bei dem zu erwartenden Kreditausfall zur Ader gelassen wurde. In diesem Sinne ist es auch nicht verwunderlich, weshalb die Banken auch heute noch kein Interesse an der Tilgung von Staatskrediten oder besser Regierungkrediten haben. Einen sichereren Ertragsfluß gibt es nun mal nicht.

Erst mal wieder genug philosophiert
mfg
Markus

 

Mumken

  • Sr. Mitglied
  • ****
  • Beiträge: 291
    • Profil anzeigen
Re: Was ist Geld?
« Antwort #78 am: 13. Dezember 2012, 21:08:41 »
Hallo Matthias,

über die Vorgehensweise bei der Erarbeitung von Grundlagen für Laien im Wiki sind wir offensichtlich unterschiedlicher Meinung. Dies betrifft sowohl die Vielfalt der unterschiedlichen Erklärungen wie auch den Betrachtungspunkt zeitlich gesehen.

Es ist nicht mein Ansinnen, das heutige kapitalistische Wirtschaftssystem in allen Facetten aufzuzeigen und zu erklären.

"Hier soll jedoch keinesfalls ein Geschichtsbuch über unser Geldsystem entstehen. Es sollen nur einige Begebenheiten geschildert werden, welche zum Verständnis unseres heutigen Geldsystems beitragen.".

Bisher beschäftigt sich "Das Geldrätsel" im Wesentlichen mit der Geschichte des Geldwesens und ist bisher erst bis zum 18. Jahrhundert vorgedrungen. Um der historischen Entwicklung einigermaßen  gerecht zu werden ist es somit erforderlich, auch die Sichtweise der damaligen Gesellschaften darzustellen. Echtes Geld bestand damals aus werthaltigen Münzen, Kurantmünzen, d. h. der Wert einer Münze wurde wesentlich durch seinen Materialwert aus Gold oder Silber bestimmt. War von echtem Geld die Rede bezog es sich fast immer auf hochwertige Münzen wie z. B. die Guinea und nicht auf das Kleingeld, welches auch aus nicht werthaltigem Material bestehen konnte und dann als Scheidemünzen bezeichnet wurden.

Wenn Du mein Vorgehen, sich über die Geschichte unserem heutigen System zu nähern, für falsch hältst, so ist das Deine Auffassung. Ich bleibe jedenfalls bei dem eingeschlagenen Weg. Dieser sieht halt andere Bearbeitungsschritte vor.



Zitat: "Deine Aussagen zu Schuldverhältnissen und daraus folgend der Bezeichnung von Geld als Schulden, sind nach der geltenden Gesetzgebung logisch richtig. Aber wenn wir uns schon von vielem Hergebrachten lösen erlaube ich mir, auch diesen Begriff in Frage zu stellen."
Im Klartext: Recht und Gesetz sind für dich unerheblich.
Mal ganz abgesehen davon, dass es mich doch sehr verwundert, wenn ein Beamter so denkt, treibt es mich in der Sache zur Verzweiflung. Und die Erkenntnis reift, dass die Geduld nicht ausreichen wird, wenn etwas zur Diskussion gestellt wird, worüber es nichts zu diskutieren gibt, weil es schlicht und ergreifend unumstößliche Realität ist, die jedermann jederzeit überprüfen kann.

Interessant finde ich Deine Bewertung meiner Aussage über Geld. Wenn ich Geld als Gutschein betrachte, so beachte ich Deiner Meinung nach das bestehende Recht und die Gesetze nicht. Weil es dann so schön passt werde ich auch noch gleich zu einem Beamten gemacht. Danke :D

Wie Du Dir aus einzelnen Überlegungen und Gedanken in meinen Beiträgen ein Bild meiner Standpunkte  zusammenreimst, ist schon beachtlich. Nun beabsichtige ich jedoch keinesfalls hier irgendwelche Rechtfertigungen vorzubringen oder Deine Interpretationen zu berichtigen.

Dass Du keinen Sinn darin siehst hier weiter mitzuarbeiten, finde ich sehr bedauerlich. Vielleicht ergibt sich bei der Fortführung des Wiki doch noch dieser oder jener Anhaltspunkt für eine Diskussion.

Bis dahin viele Grüße in den Norden und eine gute Zeit,

Rudi

Mumken

  • Sr. Mitglied
  • ****
  • Beiträge: 291
    • Profil anzeigen
Gelschöpfung aus dem Nichts
« Antwort #79 am: 21. Februar 2013, 15:08:58 »
Können Geschäftsbanken selbst Giralgeld schöpfen?

Diese Frage wird immer wieder aufgeworfen und sehr unterschiedlich beantwortet.

Zitat
"Mit selbst geschöpftem Geld – kaufen sie die Welt" (Bernd Senf)  oder "Banken erfinden Geld aus Luft" (Franz Hörmann).


stellt eine Seite dar. Die andere Position lautet
Zitat
"Nach dem Prinzip von Ursache und Wirkung kann eine Schöpfung aus dem Nichts  nie gedacht werden" (Martin Scheytt) oder "Wenn also die Banken tatsächlich ohne Einlagen der Sparer Kredite schöpfen oder aus einem Dollar an Kaufkraft ein Mehrfaches machen würden, wäre das genauso ein Fall für den Staatsanwalt wie die Inumlaufsetzung von Falschgeld (Helmut Creutz).


Dazwischen liegen noch viele Theorien, welche glauben, das bestehende System wirklich darzustellen. Muss man nun der Glaubensgemeinschaft mit der größten Überzeugungskraft blind folgen oder kann man auch selbst zu den Grundlagen vordringen und sich ein möglichst belastbares Grundwissen selbst aneignen? 
Die Grundlagenermittlung gestaltet sich sehr mühsam,  da die Wirtschaftswissenschaften wie auch die Betriebslehre der Banken offensichtlich sehr gut ohne fundierte Grundlagen auskommen. Es genügt in erster Linie, wenn man weiß wie mit Geld umzugehen ist und besonders wie es vermehrt werden kann.  Genaue Kenntnisse über die Entstehung von Geld sind nicht erforderlich sondern im Gegenteil eher hinderlich, da sie die erforderlichen Freiheitsgrade bei der Entwicklung von eigenen Theorien unnötig einschränken.

Auf der Suche nach Grundlagen bin ich im "gelben Forum" auf Beiträge zu Martin Scheytts Buch, "Theoretische Grundlagen der bankgeschäftlichen Kreditgewährung" gestoßen.  Mit welchem Erfolg ich mir sein Buch dann durchgearbeitet habe, könnt Ihr im Wiki unter "Martin Scheytt" nachlesen.

Über sachliche Kritik, gleich welcher Richtung, würde ich mich sehr freuen,

Rudi


« Letzte Änderung: 24. Februar 2013, 09:46:50 von Mumken »

Mumken

  • Sr. Mitglied
  • ****
  • Beiträge: 291
    • Profil anzeigen
Warengeld/Kreditgeld
« Antwort #80 am: 07. März 2013, 07:48:39 »
Auf dem Wege der Grundlagenermittlung zu Geld habe ich jetzt mal eine grobe Aufteilung an den Anfang gestellt.

Geld kann man nach mehreren Eigenschaften unterteilen. Betrachtet man die Grundeigenschaften von Geld, so kann man unterscheiden in
  • Warengeld und
  • Kreditgeld
   
Warengeld
Warengeld, besteht wie der Begriff aussagt, aus Waren. Neben Gold und Silber wurden auch Rinder und Ziegen, Armreifen, Weizen und sogar Zigaretten als Geld verwendet. So entstand in Ermangelung von Münzen im Mittelalter zum Beispiel das Korngeld. Eine, bei allen Menschen anerkannte und für wertvoll gehaltene Ware wurde zu Geld erklärt[6].

Als wesentliche Eigenschaft dieser Waren ist hervorzuheben, das sie bei der Verwendung als Geld bereits bestehen. Die erforderliche Arbeit zu ihrer Herstellung wurde bereits in der Vergangenheit geleistet. Werden diese Waren gesammelt das heißt gespart, so wird das Ergebnis von Arbeitsleistung aus der Vergangenheit angehäuft. Eine weitere wichtige Eigenschaft ist die Gegenständlichkeit. Dieses Geld kann man sehen und anfassen. Auch bei der Funktion als Geld zeigt sich eine Besonderheit. Sammelt man eine Menge Warengeld an, so ist deshalb noch niemand verpflichtet, gegen dieses Warengeld eine Leistung zu erbringen. Mit der Erzeugung von Warengeld ist noch kein Gläubiger-Schuldner-Verhältnis entstanden.

Kreditgeld
Anders sieht es beim Kreditgeld aus. Hier ist Voraussetzung für die Entstehung von Geld die Bildung eines Gläubiger-Schuldner-Beziehung. Wesentlich ist hierbei die Zeit. Leistung und Gegenleistung erfolgen nicht zum gleichen Zeitpunkt. Anton leiht sich vom Nachbarn Beno 120 Doppelzentner Weizen und verspricht, diesen nach einem Jahr zurückzugeben. Leistung und Gegenleistung liegen 1 Jahr auseinander. Einigen sich beide darauf, dass ein Doppelzentner Weizen 10 € wert ist, ist bei Beno ein Guthaben von 1.200 € und bei Anton eine Schuld von 1.200 € entstanden. Beim Entstehen von Guthaben entsteht auch gleichzeitig die Schuld. Das Eine kann ohne das Andere nicht existieren. Werden alle Schulden zurückgezahlt gibt es kein Kreditgeld mehr. Bargeld ist für die Entstehung von Guthaben und Schuld demnach nicht erforderlich.

Mumken

  • Sr. Mitglied
  • ****
  • Beiträge: 291
    • Profil anzeigen
Geldbasis
« Antwort #81 am: 12. März 2013, 10:56:46 »
Bei Nachforschungen zum Begriff "Geldbasis", auch Zentralbankgeld oder Geldmenge M0 genannt bin ich auf unterschiedliche Definitionen gestoßen. In Wikipedia und auch anderen Publikationen wird die Geldbasis wie folgt dargestellt:
Zitat
M0/Geldbasis: Banknoten und Münzen, die sich im Umlauf außerhalb des Bankensystems (bei Nicht-Banken) befinden (also ohne Kassenbestände der Geschäftsbanken, aber mit Banknotenumlauf im Ausland) plus dem Zentralbankgeldbestand der Kreditinstitute;

Unklar bleibt, ob der Begriff "Zentralbankgeldbestand" den Kassenbestand der Geschäftsbank mit einschließt. Aus der besonderen Hervorhebung von  "Banknoten und Münzen, die sich im Umlauf außerhalb des Bankensystems (bei Nicht-Banken) befinden (also ohne Kassenbestände der Geschäftsbanken" kann man schließen, dass im Begriff  "Zentralbankgeldbestand" nur die Sichteinlagen bei der Zentralbank gemeint sind.

Namhafte Professoren wie Prof. Bofinger vertreten die Auffassung, dass sämtliches, von der Zentralbank herausgegebene Bargeld zu der Geldbasis gehört. Auch die Deutsche Bundesbank bezieht sich in Ihrer Schrift "Geld und Geldpolitik" auf diese Position:
"Geld und Geldpolitik" der Deutschen Bundesbank, Seite 72
Zitat
Die Geschäftsbanken können ihre Guthaben bei der Zentralbank jederzeit
in bar abheben. Außerdem können sie umgekehrt Bargeld jederzeit wieder
einzahlen und sich gutschreiben lassen. Wegen dieser Austauschbarkeit zählt
auch das Bargeld, das die Banken in ihrer Kasse halten oder an ihre Kunden
ausgezahlt haben, also das gesamte von der Zentralbank ausgegebene
Bargeld, zum Zentralbankgeld. Zu M1 zählt hingegen nur das außerhalb des
Bankensektors zirkulierende Bargeld.

Die Schweizer Nationalbank sieht das so:
Zitat
Geldmenge M0
Die Geldmenge M0 umfasst das von der Zentralbank geschaffene Geld. Sie wird in der Schweiz Notenbankgeldmenge genannt und besteht aus dem Notenumlauf sowie den Giroguthaben der Banken bei der Nationalbank. Die Geldmenge M0 wird manchmal auch als monetäre Basis bezeichnet. Auf die Geldmenge M0 hat die Nationalbank einen direkten Einfluss.

Den Begriff "Notenumlauf" definiert die Schweizer Nationalbank:
Zitat

Notenumlauf
Summe aller Banknoten, die von einer Notenbank ausgegeben wurden und zu einem bestimmten Zeitpunkt im Umlauf sind.

Aus dem Nebensatz "und zu einem bestimmten Zeitpunkt im Umlauf sind." lässt sich nicht genau herausfinden, ob damit der Umlauf außerhalb des Bankensystems oder aber einschl. der Geschäftsbanken gedacht ist.

Auch dem
"Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre,
insbes. Finanzwirtschaft und Finanzdienstleistungen
Technische Universität Dresden"

gelingt es in einem Artikel beide Behauptungen aufzustellen, ohne den Widerspruch auch nur zu erwähnen.
Zitat
* M0: Bargeld in Händen der Nichtbanken (inkl. Umlauf im Ausland, exkl. Kassenbestände der Geschäftsbanken)

Hier besteht M0 nur aus Bargeld und es wird sich in der Überschrift auf die EZB bezogen. Im verlinkten EZB-Papier ist M0 jedoch überhaupt nicht aufgeführt.
Etwas weiter unten wird die Geldbasis definiert, bestehend aus Mindestreserve + Überschussreserve +
Zitat
.. dem Bargeldbestand der Geschäftsbanken und Nichtbanken (Unternehmen, private Haushalte und Öffentliche Hand). Bezug: Schaal: Geldtheorie und Geldpolitik, 3. Auflage, Oldenbourg, S. 24

Zwischenzeitlich wurde das Finance-Wiki der "Technischen Universität Dresden" offensichtlich vom Netz genommen.
Finance-Wiki der "Technischen Universität Dresden" ist wieder online, 1.7.2013

Es ist schon ein starkes Stück, wenn solcher Unsinn von einer deutschen Universität verbreitet wird. Mein Hinweis an den zuständigen Professor:
Zitat
Problematisch halte ich persönlich die Veröffentlichung eines solchen Entwurfs durch eine deutsche Universität,  ohne eindeutigen Hinweis, dass dies nur eine ungeprüfte Projektarbeit ist. Den kleine Button oben rechts kann man zu leicht übersehen. Ich ging davon aus, dass mir auf der Seite einer Universität gesicherte Informationen angeboten werden.

Bei dem Hinweis ging es um einen kleine Button mit der Info "nicht markiert", aus der die Erkenntnis gezogen werden soll, dass es sich  um einen ungeprüften Eintrag eines Studenten handeln soll.
Ergänzung 17.05.2013


Folgerung:
Wenn der Begriff Geldbasis, Zentralbankgeld oder Geldmenge M0 auftaucht, kann sich jeder nach Belieben aussuchen, was er darunter verstehen will. Eine in den Wirtschaftswissenschaften offensichtlich übliche Praxis. Einen Hinweis auf diese Widersprüche gibt lediglich eine Seite im Web.

Luk. Korbmacher, Geldmengen-Definitionen

Zitat
Die Europäische Zentralbank definiert für die Zwecke ihrer währungspolitischen Maßnahmen dagegen nur die Geldmengen M1 bis M3 als Geld und dürfte damit die wirksame Geldmenge nicht erfassen können. Vielfach wird zusätzlich die Notenbankgeldmenge als Geldmenge M0 oder Geldbasis bezeichnet, wobei zu berücksichtigen ist, daß es für M0 keine einheitliche Definition gibt.


Mit dem Begriff Geldbasis muss also bei seriösen Aussagen auch immer dessen Definition mit erläutert werden.

Die o.g. Seite bietet auch eine sehr interessante Vorstellung zur Beschreibung der Volkswirtschaft.
Zitat
Ziel ist es, die Volkswirtschaftslehre als das darzustellen, was sie ist, eine höchst politische Wissenschaft, die sich Methoden und Verfahren bedient, die eine Scheinobjektivität vorgaukeln, die die ideologische Ausrichtung der Theorien und Aussagen verschleiern.


Treffender geht es nicht mehr.

Beste Grüße und einen schönen Tag

Rudi

« Letzte Änderung: 10. September 2013, 22:16:11 von Mumken »

Mumken

  • Sr. Mitglied
  • ****
  • Beiträge: 291
    • Profil anzeigen
Banken, Kreditvermittler oder Kreditschöpfer?
« Antwort #82 am: 09. Juni 2013, 11:27:24 »
Viele Auseinandersetzungen über die Geldschöpfung lassen sich auf die Frage reduzieren, sind Banken als Kreditvermittler oder aber als Kreditschöpfer tätig. Mit diesem Thema hat sich Hermann Feifel in seinem Buch "Die Anwendbarkeit der modernen Kreditschöpfungslehre auf die besondere Art des Sparkassengeschäfts", Duncker & Humblot 1959, intensiv beschäftigt.

Ziel der Arbeit war die Untersuchung, ob Sparkassen in der Lage sind, kreditschöpfend tätig zu sein. Als Hauptproblem hat Feifel bereits damals die Missverständnisse und Unklarheiten bei Begriffen und Maßstäben gesehen. Diese werden einfach übernommen, ohne auf den genauen Sachverhalt in der zugrunde liegenden Arbeit einzugehen. Eine ausreichende Erklärung zu der Bedeutung eines Begriffes fehlt oft.

Klassische Kreditvermittlungstheorie
Die Theorie der Bank als Kreditvermittler geht davon aus, das Banken Geld empfangen und es wieder ausleihen. Diese Sichtweise ist auch heute noch weit verbreitet, wird von einigen Buchautoren, wie Helmut Creutz vehement vertreten und wird auch allgemein in der Bevölkerung so gesehen. Die Deutsche Bundesbank spricht in ihrer Schrift "Geld und Geldpolitik" fachsprachlich von Finanzintermediären, zu deutsch Finanzvermittlern.
Zitat
Finanzintermediäre
Finanzintermediäre sind Institutionen, die auf den Geld-, Kredit- und Kapitalmärkten tätig sind. Sie vermitteln zwischen Kapitalanbietern und Kapitalnachfragern, indem sie Geldkapital von Anlegern entgegennehmen und es an die Kapitalnachfrager weiterleiten bzw. den Handel zwischen Anbietern und Nachfragern erleichtern. Die wichtigsten Finanzintermediäre sind Banken, Versicherungen und Investmentfonds.

Mit diesen Aussagen wird der Eindruck vermittelt, dass zuerst Geld eingesammelt werden muss, bevor es dann von den Finanzvermittlern an andere ausgeliehen werden kann. Aus dieser Betrachtung hat auch Hübner 1854 die nach ihm benannte "goldene Bankregel" entwickelt. Diese besagt vereinfacht ausgedrückt, dass von Kunden eingesammeltes Spargeld nur in der Höhe der Einzahlung und auch nur solange ausgeliehen werden kann, wie der Sparkunde auf sein Geld verzichtet. Ein Sparkunde legt in einem Sparbrief 10.000 € für einen Zeitraum von zwei Jahren bei der Bank an. Die Bank darf nach der "goldenen Bankregel" nun auch nur 10.000 € an Darlehensnehmer ausleihen und dies auch nur für maximal 2 Jahre.

Zu dieser logisch klingenden Erklärung sagt Peter Betge in seinem Buch Bankbetriebslehre von 1996
Zitat
Praktisch ist diese Dispositionsregel in ihrer strengen Form niemals verwirklicht worden, was dem Verzicht auf Betrags- und Fristentransformation gleichkommen würde. Dennoch hat die Dispositionsregel in modifizierter Form als Denken in Kapitalüberlassungs- und Kapitalverwendungsfristen sowohl in der Finanztheorie als auch in der Finanzierungspraxis von Banken und Nichtbanken bis heute nachgewirkt.


Wie die Aussagen der Bundesbank in der Schrift "Geld und Geldpolitik - Schülerbuch für die Sekundarstufe II" belegen, wird auch heute noch in diesen Kategorien gedacht. Jemand hat Geld übrig und ein anderer benötigt Geld. Zwischen diesen beiden wird dann die Bank als Vermittler tätig.

Moderne Kreditschöpfungslehre
Feifel:
Zitat
Die Lehre von der Kreditschöpfung ist im Sinne ihrer Begründer (John Law, Alexander Hamilton, Jean Pierre Proudhon sowie Henry Dunning Macleod die Theorie von der Fähigkeit auch der "privaten" Banken, Geld bzw. Kredit zu schöpfen.

Die moderne Kreditschöpfungslehre ist also keine Erfindung des 20/21. Jahrhunderts, sonder kann bis zum Ende des 17. Jahrhunderts zurückverfolgt werden.

Fortsetzung folgt.

Beste Grüße
Rudi
« Letzte Änderung: 22. Juni 2013, 20:52:10 von Mumken »

Mumken

  • Sr. Mitglied
  • ****
  • Beiträge: 291
    • Profil anzeigen
Banken, Kreditvermittler oder Kreditschöpfer? 2
« Antwort #83 am: 03. Juli 2013, 21:50:46 »
Auch "Chester Arthut Phillips", auf den sich die Fachliteratur vielfach bezieht, wenn es um die Herleitung der "multiplen Geldschöpfung" geht, hat bereits 1920 die Gründung der "modernen Kreditschöpfungstheorie" auf Macleod und Alexander Hamilton zurückgeführt. Deren Theorien beschreibt er wie folgt:
Zitat
Gemäß der alten Theorie kann eine Bank, welche 100.000 $ Bargeld besitzt, und ein Darlehn von 1.000.000 $ vergeben hat, durch den Erhalt von weiteren  $100.000 $ in die Lage versetzt werden, weitere Darlehn in Höhe von 1.000.000 $ hinzuzufügen.

Mit der "alten Theorie" ist hier die moderne Kredittheorie gemeint, die bereits von den "alten" Ökonomen so beschrieben wurde.
Zitat
Aus der  Beobachtung, dass bei einer einzelnen Bank wie auch bei allen Banken gemeinsam, gewöhnlich die Höhe der Darlehen ein Vielfaches der Reserve beträgt, schließen die Theoretiker, das eine Erhöhung der Reserve einer Einzelbank diese in die Lage versetzt, ein Vielfaches an Darlehen zu vergeben.

Phillips bezweifelt nun nicht die Möglichkeit der mehrfachen Kreditschöpfung des Bankensystems, sondern nur die Fähigkeit einer Einzelbank dazu. Durch teilweise aufwändige Berechnungen kommt er zu dem Ergebnis, dass eine Einzelbank nur wenig über ihre Einlagen hinaus an Darlehen vergeben kann. In einem Beispiel mit einem Barreserve - Sichteinlagenverhältnis von 1:10 und einem Sichteinlagen
- Kreditverhältnis von 1:5 berechnet er, dass die Einzelbank bei einer neuen Einlage nur 9,7 % über den Betrag der Einlage an neuen Darlehen vergeben kann.

Phipps stellt dann die Frage:
Zitat
Aber wie kann eine bestimmte Menge Bargeld die Grundlage für vielfältige Darlehn und Einlagen in einem Bankensystem werden, wenn die gleiche Einlagemenge bei einer Einzelbank kaum oder nur sehr wenig vermehrt werden kann.


Sein Buch, "Bank Credit" beschäftigt sich hauptsächlich mit dieser Frage. In der Fachliteratur wird die Theorie der "multiplen Geldschöpfung" vielfach auf Phillips zurückgeführt. Ein Beispiel für die Zweckentfremdung seiner ursprünglichen Arbeit. Die auf ihn zurückgeführte "multiple Geldschöpfung" ist im Wiki unter Scheytt/Multiple Geldschöpfung erläutert. Die m.E. vernachlässigten Grundbedingungen werde ich im nächsten Post näher beschreiben.

Beste Grüße
Rudi

Mumken

  • Sr. Mitglied
  • ****
  • Beiträge: 291
    • Profil anzeigen
Re: Banken, Kreditvermittler oder Kreditschöpfer? 2
« Antwort #84 am: 12. Oktober 2013, 21:37:19 »
Liebe Leserinnen, liebe Leser,

die versprochene Auseinandersetzung mit den Grundlagen zum "Pillipsmultiplikator" hat sich etwas verzögert.

Auch "Chester Arthut Phillips", auf den sich die Fachliteratur vielfach bezieht, wenn es um die Herleitung der "multiplen Geldschöpfung" geht, hat bereits 1920 die Gründung der "modernen Kreditschöpfungstheorie" auf Macleod und Alexander Hamilton zurückgeführt.
....................
Die m.E. vernachlässigten Grundbedingungen werde ich im nächsten Post näher beschreiben.

Beste Grüße
Rudi


Die Verzögerung ist teilweise auch auf die für mich schwierige Übersetzung des Originals von 1920 mit seinen Bandwurmsätzen zurückzuführen. Er hat es geschafft, 16 Zeilen für einen einzigen Satz zu benötigen. Entsprechend schwer fällt das Aufdröseln.

Im Wikibeitrag
http://www.um-bruch.net/uwiki/index.php/Chester_Arthur_Phillips

habe ich einige der übersetzten Passagen aufgeführt und bin zur Zeit dabei, eine Zusammenfassung und Bewertung seiner Arbeit vorzunehmen. Dies aber nur für den Teil der Geldschöpfung. 

Bemerkenswert ist, dass er eindeutig zu den Anhänger der "orthodoxen Kredittheorie" zählt.

Zitat

Damit eine Bank ihre Darlehen um einen bestimmten Betrag, $ 100.000 oder $ 1.000.000 erhöhen kann, ist es wichtig, dass die Bank sich neue Primäreinlagen, von etwa gleicher Größenordnung, beschafft. Daher auch der Kampf um die Primäreinlagen.


Mit Primäreinlage wird eine Einlage bezeichnet, welche aus der Einzahlung von Bargeld entsteht. (Es darf sich nicht um eine bargeldmäßige Rückzahlung von Darlehen handeln.)

Eine Bank muss sich erst um Bargeldeinlagen bemühen, bevor sie, darauf gründend, ein neues Darlehen gewähren kann.
Die Geldschöpfung aus dem "Nichts" auf die Arbeit von Phillips zurückzuführen, ist demnach schlicht unzutreffend.

Nach Erstellung der Schlussbetrachtung werde ich mich nochmals melden.

Viele Grüße
Rudi


Mumken

  • Sr. Mitglied
  • ****
  • Beiträge: 291
    • Profil anzeigen
Phillipsmultiplikator
« Antwort #85 am: 26. Oktober 2013, 22:50:11 »
Auf der Suche nach Informationen zur multiplen Giralgeld- bzw. Keditschöpfung wird immer wieder auf Chester A. Phillips und sein Werk "Bank Credit" verwiesen. Auch aktuelle Vorlesungsskripte nehmen noch auf den nach Phillips benannten "Phillipsmultiplikator" Bezug. Vermehrt wird jedoch auch die Ansicht vertreten, dass die Herleitung dieses "Phillipsmultiplikators " falsch sei. Auch die Multiplikatorformel selbst wird in Frage gestellt.

Zu Klärung dieser Gegensätze habe ich mich mit dem Buch von Phillips beschäftigt, einiges übersetzt, bewertet und das Ergebnis auf der Wikiseite
http://www.um-bruch.net/uwiki/index.php/Chester_Arthur_Phillips
dargestellt.
Phillips ging es bei seiner Beweisführung in erster Linie um seine These, dass eine einzelne Bank nicht in der Lage sei, ein Mehrfaches einer Einlage als Darlehen zu gewähren, der Verbund der Banken hingegen sehr wohl. Zur Erläuterung der Einlagen- Darlehensvorgänge im Bankensystem entwickelte er dann Berechnungsformeln, welche von späteren Autoren als "geometrische Reihenentwicklung" erkannt wurden und auch so bis zum heutigen Tage als Vorlesungsstoff Studenten das Leben erschweren. Bei sorgfältiger Betrachtung der, seiner These zugrunde liegenden Faktoren komme ich zu dem Schluss, dass seine Aussage zur eingeschränkten Funktionen der einzelnen Bank falsch ist und seine Herleitung der Multiplikatorformel über mehrfache Zahlungs- Darlehensvorgänge ein reines Fantasiegebilde ist, ohne Bezug zur Realität und ohne Nutzen.

Seine allgemeine Formel   X= c(1-R)/R besagt, dass bei einem Reserve- Einlagenverhältnis R von z.B. 1 zu 10 und einer Bareinzahlung c von $1.000 neue Kredite X in Höhe von $9.000 vergeben werden können. Nur $9.000, da die Bareinzahlung bereits eine Einlage von $1.000 bewirkt. Diese Formel ist richtig jedoch nicht so besonders erkenntnissreich.

Über eine Rückmeldung zu dem Wiki-Beitrag würde ich mich freuen, unabhängig ob zustimmend oder aber Fehler aufzeigend.

Beste Grüße
Rudi

Mumken

  • Sr. Mitglied
  • ****
  • Beiträge: 291
    • Profil anzeigen
Können einzelne Banken Geld aus dem Nichts schöpfen?
« Antwort #86 am: 10. Februar 2015, 06:33:00 »
"Can banks individually create money out of nothing? — The theories and the empirical evidence"
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1057521914001070
lautet der Titel einer Schrift von Richard A. Werner( Wirtschaftswissenschaftler, in Landau an der Isar geboren), tätig im
Centre for Banking, Finance and Sustainable Development, University of Southampton, United Kingdom

In der Zusammenfassung zu seinem Werk heißt es:
In seinem Werk unterbreitet er den "ersten, auf einer methodischen Sammlung von Daten basierenden Beweis" zur Frage, ob Banken Geld aus dem Nichts schöpfen können.
Ob sein Werk diesem Anspruch gerecht wird, ist noch herauszufinden.
(Anmerkung: Textpassagen aus dem Ursprungswerk sind sehr frei selbst übersetzt worden)
Zitat
In der Einleitung beanstandet er, das die weit verbreiteten volkswirtschaftlichen Modelle und Theorien keine kritischen Eigenschaften unserer Wirtschaft und unseres Finanzsystems beleuchten und besonders bemerkenswert, keine Banken enthalten. Dieses Werk soll zu einem besseren Verständnis von wichtigen Eigenschaften der Banken beitragen und deren geeignete Einbindung in volkswirtschaftliche Modelle erleichtern.


Untersuchungsgegenstand sind drei Theorien.
  • Geldschöpfungstheorie der Geschäftsbanken (Credit Creation Theory of Banking) Jede einzelne Bank  schöpft den gesamten Kreditbetrag aus dem Nichts.  Sie ist nicht Vermittler von Kapital, d. h. sie leitet keine Einlagen der Bankkunden und auch kein Zentralbank-Buchgeld weiter.
  • Die Teilreserve-Theorie (The Fractional Reserve Theory) Mit dieser Theorie beschreibt Werner die einzigartige Fähigkeit des Bankensystems, im Zusammenwirken von allen Banken des Systems, Geld auf der Basis des Teil-Reservesystems zu schöpfen. Nach dieser Vorstellung kann eine einzelne Bank lediglich Kapital vermitteln, besitzt jedoch die Fähigkeit zur Geldschöpfung nicht.
  • Die Kapital-Vermittlungs-Theorie (The Financal Intermediation Theory) Banken können kein Geld schöpfen sondern nur das verleihen, was sie zuvor erhalten haben. Damit verhalten sie sich wie andere Kapitalvermittlungsinstitute, welche keine Banken sind. Die Erwähnung von Banken nach dieser Theorie erübrigt sich deshalb in volkswirtschaftlichen Modellen.

Es folgt eine Aufbereitung von historischen und gegenwärtigen Literaturstellen zu den einzelnen Theorien, welche hier nicht wiederholt werden. Bei Bedarf bitte auf den o. g. Link zugreifen.

Im Abschnitt 3 folgt dann der Lösungsvorschlag für das Theorientrilemma. The Empirical Test
Zitat
Die einfachste Testvorrichtung besteht darin, die interne Rechnungslegung der Bank während des Prozesses der Gewährung eines Bankkredits zu untersuchen. Wenn alle notwendigen Verfahren zur Gewährung eines Bankkredites durchgeführt (beginnend mit der Prüfung des Kreditkunden, Einhaltung der Geldwäsche-Vorschriften bis zur Kreditanalyse, Risikobewertung und Ausarbeitung der einzelnen Vertragsdetails) und beidseitige Unterschriften geleistet wurden, wird das Girokonto des Kreditnehmers um den Darlehensbetrag erhöht. Die entscheidende Frage ist, ob als Voraussetzung für die Buchung der Kreditsumme des Darlehensempfängers auf ihrem Konto die Bank tatsächlich diesen Betrag von einem anderen Konto abzieht, welches zur Verringerung von gleichem Wert in einer anderen Position führt - entweder durch Verringerung des Zentralbankguthabens (wie es die Mindestreserve-Theorie verlangt)  oder andere Mittel (wie es die Finanzintermediation- Theorie verlangt). Stellt sich heraus, dass die Bank in der Lage ist, das Konto des Darlehensempfängers um den Kreditbetrag zu erhöhen, ohne Geld von einem anderen internen oder externen Konto abgehoben zu haben oder ohne das Geld von einer anderen internen oder externen Quelle zu überweisen, würde dies den Anscheinsbeweis begründen, dass die Bank fähig war, das Darlehen aus dem Nichts zu schöpfen. In diesem Fall würde die Geldschöpfungs-Theorie unterstützt und die Theorie, dass die einzelne Bank als Vermittler auftritt, die zuerst Spargeld oder Fonds erhalten muss, bevor sie in der Lage ist, Kredite zu vergeben (sei es in Übereinstimmung mit der Mindestreserve-Theorie oder der Finanzintermediation-Theorie), abgelehnt.


Diese Aufgabenbeschreibung der Untersuchung lässt bereits das gewünschte Ergebnis vermuten. Es werden nur Bilanzzahlen untersucht, welche zu dem Ergebnis führen, dass auch eine einzelne Bank in der Lage ist, Geld aus dem Nichts zu schöpfen. Damit wäre dann die „fraktional reserve theory“ als auch die „financal intermediation theory“ widerlegt.

Bei der Beweisführung, sowie besonders bei den Annahmen zu den zu untersuchenden Theorien, sind Werner m. E. einige eklatante Fehler unterlaufen, welche das Ergebnis seiner Untersuchung in Frage stellen. Auf einzelne Fehler wird nachfolgend eingegangen.

1.)   „Multiple Geldschöpfung“
Werner geht von einer multiplen Geldschöpfung nach Phillips aus. Bereits 1970 führte Friedrich A. Lutz im "Weltwirtschaftlichen Archiv", der "Zeitschrift des Instituts für Weltwirtschaft an der Universität Kiel", Band 104, Seite 3-19, in einen Aufsatz zum Thema "Geldschaffung durch die Banken" den Mangel der multiplen Geldschöpfung nach Phillips auf. Im Wikibeitrag „Multiplikatormodell“ werden die Fehler, basierend auf Phillips Werk dargelegt. Details zu seinem Werk sind unter „Chester Arthur Phillips“ nachzulesen. Jedoch wird noch heute in Vorlesungen an Hochschulen die „multiple Geldschöpfung“ gelehrt.
Werner benutzt nun diese unhaltbare Theorie als Grundlage für seinen Gegenbeweis. Mit dem Wegfall der irrigen Grundlage werden auch Werners Aussagen zur „fraktional reserve theory“ hinfällig.

2.)   „fraktional reserve theory“
Unter der Beschreibung der „fraktional reserve theory“ setzt Werner die Unfähigkeit der einzelnen Bank zur Geschäftsbanken-Buchgeldschöpfung voraus. Diese kann demnach nur als Vermittler tätig werden. Eine, in der neueren Fachliteratur kaum noch anzutreffende Annahme. Wie unter Punkt 1 bereits dargelegt und mit Hilfe der weiterführenden Literaturquellen logisch nachgewiesen, basiert diese Aussage Werners auf einer fehlerhaften Grundannahme. Eine Bank im „fraktional reserve system“ kann sehr wohl Geschäftsbanken-Buchgeld schöpfen, wie dies auch das gesamte Bankensystem kann. Die entsprechenden Grundlagen sind von Werner offensichtlich nicht untersucht, sondern nur ungeprüft aus der älteren Literatur übernommen worden.
 
3.)   „financal intermediation theory“
Werner interpretiert die „financal intermediation theory“ als einfache Annahme und Weitergabe von Geld. Die Geschäftsbank nimmt 100 € entgegen und kann diese 100 € dann weiter verleihen. Seiner Meinung nach muss in der Bankbilanz dann eine Bilanzposition um 100 € gemindert werden, während das Sichtguthaben des Darlehensnehmers, und damit eine andere Bilanzposition, um 100 € ansteigt. Mit den Geldmengenaggregaten (M1 bis M3) hat sich Werner offensichtlich bisher nicht näher beschäftigt. Auch die „goldene Bankregel“, basierend auf Otto Hübners Regel:
Zitat
„Der Credit, welchen eine Bank geben kann, ohne Gefahr zu laufen, ihre Verbindlichkeiten nicht erfüllen zu können, muß nicht nur im Betrage, sondern auch in der Qualität dem Credite entsprechen, welchen sie genießt.
[…] Die Bank kann, wenn sie auf drei Monate Gelder deponiert erhält, ohne Gefahr dieselben nicht auf sechs Monate ausborgen.“(Seite 28 ff)
scheint ihm nicht bekannt zu sein. Wenn ein Kunde der Bank sein Sichtguthaben längerfristig zur Verfügung stellt, also spart, so kann dieser Betrag von der Bank als neuer Kredit ausgereicht werden, ohne dass dies Einfluss auf die Zahlungsfähigkeit der Bank hätte. Die goldene Bankregel wäre damit eingehalten. Das Kunden-Sparkonto muss also auch bei der Geldvermittlung nicht um den Darlehensbetrag verringert werden.


Weitere Anmerkungen sowie eine Schlussfolgerung werden im nächsten Beitrag eingestellt.

Beste Grüße
Rudi
« Letzte Änderung: 12. Februar 2015, 19:12:53 von Mumken »

Mumken

  • Sr. Mitglied
  • ****
  • Beiträge: 291
    • Profil anzeigen
Können einzelne Banken Geld aus dem Nichts schöpfen?
« Antwort #87 am: 10. Mai 2015, 21:25:22 »
Die Aussagen von  Prof. Dr. Werner, halte ich nur bedingt für zutreffend. Aus Buchungssätzen auf eine unbegrenzte Geldschöpfungskapazität der Geschäftsbanken zu schließen, ist  eine vorschnelle Entscheidung. Mit einem Buchungssatz betrachte ich nur einen Teil des Bankgeschehens und kann daraus keine allgemeingültige Aussage treffen. Tatsächlich kann eine Bank in einem ersten Schritt jederzeit einen Kredit in X-beliebiger Höhe gewähren, die Prüfung der Bonität des Kreditnehmers vorausgesetzt.

Der zweite Schritt, von Werner nicht beachtet, folgt jedoch unmittelbar, und ist von der kreditgebenden Bank kaum zu beeinflussen. Das eingeräumte Sichtguthaben (Verbindlichkeiten gegenüber  Kunden) verlässt den Bereich der Volks- und Raiffeisenbanken. Eine Refinanzierung wird erforderlich. Bei den VR-Banken kein Problem, da genügend Kundeneinlagen vorhanden sind. Anderenfalls muss jedoch Zentralbankgeld oder aber Liquidität von anderen Banken beschafft werden.

Um wissenschaftlich korrekt vorzugehen müssen jedoch sämtliche, nicht erwähnten Faktoren gleich bleiben, d. h. ein Einlagenüberschuss darf nicht stillschweigend zur Deckung des Kredites verwendet werden. Was würde denn geschehen, wenn keine überschüssigen Kundeneinlagen vorhanden wären? Der Kredit könnte zwar ohne Probleme ausgereicht werden, jedoch würden bei  der Refinanzierung bereits Schwierigkeiten entstehen. Man wäre auf andere Banken bzw. die Zentralbank angewiesen.
Es könnten Liquiditätsprobleme entstehen. Um diese in einem vertretbaren Rahmen zu halten hat das Bundesministerium der Finanzen die Liquiditätsverordnung erlassen. Diese basiert auf der „goldenen Bankregel“, deren Forderungen von Otto Hübner 1854 formuliert wurden.
Zitat
„Der Credit, welchen eine Bank geben kann, ohne Gefahr zu laufen, ihre Verbindlichkeiten nicht erfüllen zu können, muß nicht nur im Betrage, sondern auch in der Qualität dem Credite entsprechen, welchen sie genießt."

Von dieser Maximalforderung wurden etliche Abstriche gemacht. Die verbliebenen Forderungen sind in der Liquiditätsverordnung nachzulesen.

Die Ausführungen Von Prof. Dr. Werner sind als mangelhaft anzusehen, da sie nur einen Teilaspekt des Bankbetriebes zum Thema haben. Wichtige und zwangsläufig auch erforderliche weitere Betrachtungen werden schlicht unterlassen.  Aber wenn schon die Bank of England die Geldschöpfung aus dem Nichts ebenso wie Prof. Dr. Werner beschreibt, befindet er sich immerhin in guter Gesellschaft.
Weiterführende Details zur Liquiditätsverordnung siehe Liquidität

Beste Grüße
Rudi
« Letzte Änderung: 11. Mai 2015, 08:13:55 von Mumken »

Mumken

  • Sr. Mitglied
  • ****
  • Beiträge: 291
    • Profil anzeigen
Re: Was ist Geld?
« Antwort #88 am: 19. Mai 2017, 10:51:48 »
Noch ein Nachtrag zu Prof. Dr. Werners Schrift: Can banks individually create money out of nothing?

Zwischenzeitlich hat ein Übersetzer sich die Mühe gemacht, Werners Schrift ins Deutsche zu übersetzen.

https://www.kreditopferhilfe.net/geld-aus-dem-nichts

Am zweifelhaften Inhalt seines Werkes ändert sich dadurch jedoch nichts.

Beste Grüße
Rudi