Autor Thema: Was ist Geld?  (Gelesen 81814 mal)

Mumken

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Re: Was ist Geld?
« Antwort #60 am: 06. Oktober 2012, 16:01:00 »
Die Geschichte in meinem letzten Beitrag ist nun nicht ganz an den Haaren herbeigezogen, sondern basiert teilweise auf  bereits schon bestehenden Zeitbank-Systemen, welche in sozialen Bereichen zur Unterstützung bedürftiger älterer Menschen eingerichtet wurden.

Das soziale Zeitbanksystem geht davon aus, dass im Alter Menschen der Hilfe bedürfen, die ein anderer, bereits aus dem Berufsleben ausgeschiedener Mensch, noch leisten kann. Auf ehrenamtlicher Basis geschieht dies bereits vielfach, jedoch soll das Ehrenamt noch durch ein Zeitbanksystem ergänzt werden. Beispiel Zeitbank 55+.

Im Thema Gesellschaft - Neue Wege? wurde bereits einiges zu dieser Art von Nachbarschaftshilfe gesagt.

...........
Wird fortgesetzt,

Rudi


HannsGschaft

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Re: Was ist Geld?
« Antwort #61 am: 08. Oktober 2012, 23:29:37 »
Hallo Rudi

Anbei eine kleine Anmerkung zu Deinen Gedanken über unser heutiges System anhand des Beispiels mit Zeitgutscheinen in #59

Wie wir bereits bei unserem "Sonntagsstammtisch" feststellten, funktionieren Zeitkonten störungsfrei solange sich keiner anmaßt, den Wert der erbrachten Leistung anzuzweifeln. Dazu passt ein sehr überspitzter Artikel, den ich vor längerer Zeit mal gelesen habe und hier in stark verkürzter Form wider geben möchte.

Benjamin Franklin riet einem jungen Geschäftsmann, er solle immer daran denken, dass Zeit Geld sei. „Time is money“: Die Formel machte Karriere; sie ist ein Inbegriff kapitalistischer Denkungsart, denn durch das System der Verzinsung sind Zeit und Geld unauflöslich miteinander verknüpft. Aber dann kam Karl Marx und wandte dieselbe Gleichung auf die arbeitenden Menschen an. „Zeit ist Geld“ gilt nämlich auch bei deren Entlohnung. Die dient bekanntlich zur Reproduktion der Arbeitskraft, und ihre Höhe richtet sich nach der dafür nötigen Zeit.

Seither hat sich diese Betrachtungsweise bis zur Alleinherrschaft durchgesetzt. Arbeit ist verkaufte Zeit; alle Leistung wird in Tagen, Stunden und Minuten gemessen; es kommt im Berufsleben schon lange nicht mehr darauf an, was einer tut, sondern wie lange er anwesend ist. Was zählt, ist einzig die Dauer der Anstrengung, nicht ihr Erfolg, ihre Stärke oder Qualität.


Ich vermute mal, der Schreiber des Artikels arbeitet nicht in einem Produktionsbetrieb in dem die Menschen nach meßbaren Größen (Stückzahlen, Umsatz usw.) bezahlt werden. Der letzte Satz hat im Zusammenhang mit den Zeitkonten meine Aufmerksamkeit erregt.

Was zählt, ist einzig die Dauer der Anstrengung, nicht ihr Erfolg, ihre Stärke oder Qualität

Gruß
Markus

Mumken

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Re: Was ist Geld?
« Antwort #62 am: 14. Oktober 2012, 20:27:46 »
Hallo Markus.


 „Time is money“: Die Formel machte Karriere; sie ist ein Inbegriff kapitalistischer Denkungsart, denn durch das System der Verzinsung sind Zeit und Geld unauflöslich miteinander verknüpft. Aber dann kam Karl Marx und wandte dieselbe Gleichung auf die arbeitenden Menschen an. „Zeit ist Geld“ gilt nämlich auch bei deren Entlohnung.


Während im ersten Fall von Verzinsung gesprochen wird denkt Marx eindeutig an die geleistete Arbeitszeit. Der Lohn muss der geleisteten Arbeitszeit entsprechen und der Wert und Preis  der hergestellten Produkte muss den Aufwand der für die Herstellung eingesetzten Arbeitsstunden wiederspiegeln. Die Aussage "Time is money" wird also ganz unterschiedlich verwendet.

Zitat
Die dient bekanntlich zur Reproduktion der Arbeitskraft, und ihre Höhe richtet sich nach der dafür nötigen Zeit.

Was genau verstehst Du unter " Reproduktion der Arbeitskraft"?

Zitat

Seither hat sich diese Betrachtungsweise bis zur Alleinherrschaft durchgesetzt. Arbeit ist verkaufte Zeit; alle Leistung wird in Tagen, Stunden und Minuten gemessen; es kommt im Berufsleben schon lange nicht mehr darauf an, was einer tut, sondern wie lange er anwesend ist. Was zählt, ist einzig die Dauer der Anstrengung, nicht ihr Erfolg, ihre Stärke oder Qualität.



Der Schreiber hat sich etwas verirrt und gibt hier die Funktionsweise eines Betriebes im "real existierenden Sozialismus" wieder.

"Der Staat tut so, als ob er uns bezahlen würde und wir tun so, als ob wir für den Staat arbeiten würden"

Siehe hierzu auch den Beitrag Zur Lösung der Weltwirtschafts- und Klimakrise

Es wurden die Anwesenheitszeit honoriert.
Wenn dies auch in kapitalistischen Großkonzernen sowie in unseren öffentlichen Verwaltungen zuweilen so anzutreffen ist, kann daraus nicht auf eine derartige allgemeine Einstellung in unserer Gesellschaft geschlossen werden. Unser System wäre längst zusammengebrochen.

Beste Grüße,

Rudi

PS: Bitte nicht die Zeitbank-Systeme mit Zeitkonten bei unseren Unternehmen verwechseln.



« Letzte Änderung: 14. Oktober 2012, 20:29:35 von Mumken »

Mumken

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Die Tauschgeschichte
« Antwort #63 am: 15. Oktober 2012, 08:19:11 »
Nachdem versucht wurde im Beitrag Nr. 60 die Entstehung von "Geld" aus Zeitscheinen, das heißt aus Gut- oder Schuldscheinen zu erklären, nun eine klassische Beschreibung der Geldentstehung aus Tauschobjekten.

Schumpeter:
Zitat
„Sobald mehr als zwei Waren zwischen mehr als zwei Individuen getauscht werden sollen, werden Tauschakte stattfinden, deren Zweck Gütererwerb zu weiterem Tausche ganz oder zum Teile ist. Jedes Gut, das Gegenstand eines solchen Tauschaktes ist, ist insoweit Geld, d. h. erfüllt eine lediglich technische Funktion im Dienste des Mechanismus des Marktes, eben jene, die gegenwärtig und seit geraumer Zeit vom „Gelde“ im populären Sinne erfüllt wird.“ (Schumpeter 1970 [1908], S. 286)


Für wirtschaftswissenschaftlich Vorbelastete mag die oben genannte Erklärung umfassend, kurz und zutreffend sein. Laien, wie ich, haben jedoch in der Regel Probleme, den Inhalt zu begreifen. Daher ein Versuch, den Inhalt in einem Beispiel einfacher zu erklären.

Zwei Bauern, Anton und Beno  besitzen je einen Bauernhof und betreiben Ackerbau und Viehzucht. Anton hat einen Überschuss an Kartoffeln, welche er zu Eigenversorgung nicht benötigt. Ihm fehlen jedoch Rüben als Futter für die Schweine. Beno hingegen hat Rüben übrig, benötigt jedoch Kartoffeln.
Beide Bauern können nun ihre Überschüsse austauschen und sind nach dem Tausch glücklich, Bedarf und Überschuss ausgeglichen zu haben. Geld oder etwas Geldähnliches ist hierzu nicht erforderlich.

Nun kommt ein dritter Partner ins Spiel, der Landproduktehändler Clemens. Er besitzt Saatgut für den Weizenanbau.
 
Anton tauscht seinen Überschuss an Kartoffeln gegen fünf Zentner Saatgut ein. Da er das Saatgut aber nicht direkt benötigt, lässt er es im Lager von Clemens liegen. Beno tauscht in gleicher Weise seinen Überschuss an Rüben gegen fünf Zentner Saatgut ein, welches er ebenfalls im Lager von Clemens belässt. Nun bezieht Anton von Clemens Rüben und gibt im Tausch seinen Anspruch auf fünf Zentner Saatgut auf. Beno bezieht Kartoffeln von Clemens und gibt ebenfalls seinen Anspruch auf fünf Zentner Saatgut auf. Das Saatgut ist somit zu einem Tauschmittel geworden, da weder Anton noch Beno es tatsächlich benötigen, jedoch den von ihnen gewünschten Tausch damit bewerkstelligen können. Das Saatgut ist ein Zwischentauschmittel geworden, es ist zu Geld geworden.

Geld nun überwiegend als Tauschmittel aufzufassen und unsere Marktwirtschaft als Tauschwirtschaft zu bezeichnen, wie dies in der Ökonomie vielfach von führenden Wissenschaftlern in ihren Theorien dargelegt wird, wird der Machtposition und dem Einfluss des Geldes in unserer Gesellschaft keineswegs gerecht, sondern täuscht eher eine nicht vorhandene Neutralität des Geldes vor. Neutral wäre die Funktion des Saatgutes im Beispiel anzusehen, da es tatsächlich nur den Tausch vereinfacht und ansonsten keine Funktion im Sinne von Geld erfüllt. Dies ist jedoch in der Realität so nicht anzutreffen. Auch andere Geldfunktionen müssen berücksichtigt werden.

Wird fortgesetzt.

Grüße

Rudi

Mumken

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Re: Was ist Geld?
« Antwort #64 am: 19. Oktober 2012, 10:31:14 »
Betrachten wie unsere Marktwirtschaft, deren Erzeugnisse sowie die Rolle des Landes und Staates in welchem wir leben einmal nicht aus der Sicht eines Wirtschaftswissenschaftlers. Die alles beherrschende Finanzindustrie mit ihrer zwanghaften Schuldensystematik lassen wir vorerst beiseite. Versuchen wir das Geschehen aus einem logischen, allgemeinverständlichen Blickwinkel zu betrachten.

Grob gesprochen soll die Wirtschaft dazu dienen, die menschlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Bereits im Beitrag vom 11. Mai 2012 war dies ein Thema.


  • etwas zu essen
  • etwas zu trinken,
  • Kleidung zum Schutz gegen die Kälte,
  • eine Hütte, welche ihm Schutz vor Regen und Wind bietet.


Diese Grundbedürfnisse sind universell und dürften für jeden Menschen auf der Welt so zutreffen.

Als weitere Gruppe dachten wir uns sämtliche Mittel aus, die uns das Leben leichter gestalten und sodann die Gruppe der Dinge die wir einfach nur besitzen wollen, weil sie uns gefallen oder von denen wir glauben, dass sie zum Leben in unserer Gesellschaft gehören.

Wo kommen die Güter zur Deckung unserer Bedürfnisse, wie Lebensmittel, Autos, Straßen, Häuser einschließlich der Dienstleistungen welche von einem Frisör, Arzt oder Lehrer erbracht werden, her?

Sie werden von den Menschen eines Landes durch Arbeit geschaffen.

Sie wurden vor dem Zeitpunkt, in welchem ich sie verbrauche oder in Anspruch genommen habe erzeugt. Es sind keine Güter die in der Zukunft erst geschaffen werden, sondern ausschließlich Güter der Vergangenheit.
Die Kartoffeln, welche ich mir im Supermarkt kaufe sind das Ergebnis der Arbeit eines Bauern. Er hat im Frühjahr Saatkartoffeln in die Erde gepflanzt, Pflegearbeiten durchgeführt und die Kartoffeln im Herbst geerntet, sortiert und abgepackt. Sodann wurden sie zum Supermarkt transportiert und dort eingeräumt. Bei jedem Arbeitsschritt war menschliche Arbeit erforderlich.
Zum Bau eines Autos werden neben Rohstoffen, welche aus Erzen und ähnlichen Naturrohstoffen gewonnen werden, Energie und die Arbeit von vielen Menschen, mit unterschiedlichen Fertigkeiten erforderlich. Hierzu gehört auch die Arbeit des Werkzeugmachers für den Autobauer.

Aus welchen Elementen bestehen nun die Produkte unseres Bedarfs?
Im Wesentlichen sind dies :

  • Boden,
  • Rohstoffe,
  • Energie,
  • Arbeit

Sehen wir von Wasser, Luft, wilden Früchten und ähnlichen "natürlichen" Produkten ab, kann keines dieser Elemente ohne menschliche Arbeit etwas zur Deckung unserer Bedürfnisse beitragen. Hieraus können wir schließen, dass sämtlich Werte in einem Land von seinen Bürgern geschaffen wurden und folglich auch diesen Bürgern gehören "müssten" Eine Ausnahme bildet hierbei der Grund und Boden, dessen "Eigentum" je nach Gesellschaftsform unterschiedlich verteilt ist.

Zu diesen Werten gehören auch die komplette Infrastruktur eines Landes bestehend aus Straßen, Wasserversorgung, Stromversorgung, Schienennetz wie auch Schulen, Behörden, und ähnliche Einrichtungen.
Diese Errungenschaften haben primär nichts mit Geld zu tun sondern sind von den Bürgern des Landes erarbeitet worden. Also muss auch der Staat mit seinen Einrichtungen den Bürgern gehören. Als Ausnahme sind hier Staaten mit einem großen Handelsbilanzdefizit zu sehen, bei welchem die Bürgern anderer Länder einen großen Anspruch auf Güter des Landes besitzen.
Um die Werte eines Landes zu schaffen, zu verteilen und zu bewahren benötigt das Land eine Regierung mit Bediensteten und Verwaltungen, welche im Sinne des Volkes tätig sein sollten. Hierzu sind Gesetze, deren Überwachung und Durchsetzung erforderlich.

Fortsetzung folgt.

Rudi




Mumken

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Generationenvertrag
« Antwort #65 am: 20. Oktober 2012, 18:58:49 »
Johann Peter Hebel,
( Deutsche National-Literatur, Band 142, Hebels Werke, Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes)

Kindesdank und -undank
Zitat
"Ein Fürst traf auf einem Spazierritt einen fleißigen und frohen Landmann an dem Ackergeschäft an, und ließ sich mit ihm in ein Gespräch ein. Nach einigen Fragen erfuhr er, daß der Acker nicht sein Eigentum sei, sondern daß er als Tagelöhner täglich um 15 kr. arbeite. Der Fürst, der für sein schweres Regierungsgeschäft freilich mehr Geld brauchte und zu verzehren hatte, konnte es in der Geschwindigkeit nicht ausrechnen, wie es möglich sei, täglich mit 15 kr. auszureichen, und noch so frohen Mutes dabei zu sein, und verwunderte sich darüber. Aber der brave Mann im Zwilchrock erwiderte ihm: „Es wäre mir übel gefehlt, wenn ich so viel brauchte. Mir muß ein Dritteil davon genügen; mit einem Dritteile zahle ich meine Schulden ab, und den übrigen Dritteil lege ich auf Kapitalien an." Das war dem guten Fürsten ein neues Rätsel. Aber der fröhliche Landmann fuhr fort, und sagte: „Ich teile meinen Verdienst mit meinen alten Eltern, die nicht mehr arbeiten können, und mit meinen Kindern, die es erst lernen müssen; jenen vergelte ich die Liebe, die sie mir in meiner Kindheit erwiesen haben, und von diesen hoffe ich, daß sie mich einst in meinem müden Alter auch nicht verlassen werden."


Die Erzählung vom Fürsten und dem frohen Landmann geht in eindrucksvoller Weise auf die Notwendigkeit des Generationenvertrages ein.
Zu Zeiten der Selbstversorger-Familien, mit mehreren Generationen unter einem Dach, war dieser Vertrag gültig, auch wenn er nie in Schriftform oder auch nur als mündliche Vereinbarung existierte. Er war das Ergebnis unserer kulturellen Entwicklung und Bestandteil unseres Zusammenlebens. Mit der industriellen Entwicklung und der damit einhergehenden Arbeitsteilung wandelte sich der Mehrgenerationen-Haushalt vom Regelfall zur Ausnahme. Der vorher stillschweigend existierende Generationenvertrag wurde durch Sozialversicherungen abgelöst. Dies brachte jedoch auch eine Anonymisierung der Leistungen und Ansprüche mit sich. Im Mehrgenerationen-Haushalt leben Kinder, Eltern und Großeltern zusammen in einem Haus und sorgen auch füreinander. In einer heutigen Familie leben in der Regel die Großeltern nicht mehr im Haushalt, da durch die erforderliche Flexibilisierung in der Arbeitswelt  die Ernährer der Familie, in den meisten Fällen die Eltern, den angebotenen Jobs nachreisen müssen. Damit leben auch kinderlose Onkel und Tanten (die heutigen Singles) nicht mehr in einem Mehrgenerationen-Haushalt.

Um die Großeltern zu versorgen könnten nun die Eltern diesen Geld in die entfernte Stadt senden, so dass diese sich dort, ihren Bedürfnissen entsprechend, Waren und Dienstleistungen kaufen können.

F. f

Rudi

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Generationenvertrag_2
« Antwort #66 am: 21. Oktober 2012, 21:21:18 »
Sie kaufen sich im dortigen Supermarkt die notwendigen Lebensmittel und können mit dem Geld auch Pflegedienste, Arztbesuche, Putzhilfen und ähnliche Dienste  bezahlen. Auch die Kosten für Miete, Strom und Wasser werden damit gezahlt.
Unser bestehendes Sozialsystem übernimmt nun einen Großteil dieser Organisationsaufgaben. Sowohl die Arbeitnehmer wie auch die Arbeitgeber zahlen in eine Kasse ein, aus der die Bedürftigen mit entsprechenden Ansprüchen umgehend Leistungen erhalten. Auch die Menschen, die keine Kinder haben, werden in dieses Sozialsystem einbezogen. Man kann das System mit einer Großfamilie vergleichen, in welcher alle Menschen eines Landes leben und auch füreinander einstehen. Die Menschen, die Arbeit haben, zahlen in dieses System ein um auch anderen ein angemessenes Leben in unserer Gesellschaft zu ermöglichen.

Als wesentliche Merkmale der "umlagefinanzierten" Sozialsysteme können genannt werden:
  • Es ist eine Solidargemeinschaft entstanden, in welcher derjenige, der Arbeit hat diejenigen unterstützt, welche für ihren Lebensunterhalt nicht selbst sorgen können.
  • Jeder Beitragszahler in das Sozialsystem wird entsprechend seinem Einkommen an den entstehenden Kosten beteiligt, dass heißt, jemand der viel verdient muss mehr bezahlen als jemand der wenig verdient.
  • Es wird kein Kapital angesammelt, dass heißt, die Einnahmen werden auch gleich wieder an anspruchsberechtigte Bedürftige ausgezahlt.
  • Auch Familienangehörige, welche selbst nicht in das Sozialsystem einzahlen, wie Frauen ohne Erwerbstätigkeit und Kinder, werden in den Schutz der Sozialversicherung einbezogen.
  • Beitragsabhängige Leistungen entstehen in der Rentenversicherung. Die Höhe der einbezahlten Beiträge und auch ihre Anzahl wirken sich auf die spätere Rentenhöhe aus.
  • Von den Krankenkassen werden Leistungen, unabhängig von der Höhe der eingezahlten Beiträge, bezahlt. Ein Anspruch auf eine Krankenhausbehandlung besteht für den Geringverdiener wie auch für den den Besserverdienenden unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze in gleicher Weise.
  • An diesem Umlagesystem ist die Finanzindustrie nicht beteiligt und kann auch somit aus diesem System keine Profite generieren. 

F.f.
Rudi

Mumken

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Generationenvertrag_3
« Antwort #67 am: 23. Oktober 2012, 20:38:08 »
Die Rentenversicherung wurde in Deutschland im Jahre 1891 eingeführt. Es handelte sich um eine kapitalgedeckte  Rente, dass heißt die Beiträge wurden in eine Kasse eingezahlt. Diese verwaltete das eingezahlte Geld und legte sie in verzinslichen Papieren an. Erst nach dem altersbedingten Ausscheidens aus dem Arbeitsleben wurden Rentenleistungen an die Anspruchsberechtigten ausgezahlt.
1957 wurde in der Bundesrepublik die kapitalgedeckte Finanzierung umgestellt auf das Umlageverfahren. Bei diesem Verfahren wird das eingezahlte Geld nicht angelegt sondern gleich wieder an Rentner ausgezahlt. Jedoch ist auch hier eine mindestens fünfjährige Beitragsdauer erforderlich um einen Anspruch zu erwerben. Die Höhe der Rente richtet sich nach der Höhe des vorherigen Arbeitsentgelts. Von diesem ist ein prozentualer Anteil, zur Zeit (2012) 19,6 %, an die Rentenkasse abzuführen. Die Arbeitslosenversicherung funktioniert ähnlich, zahlt beitragsabhängiges Arbeitslosengeld jedoch maximal für 1 Jahr.

Die Krankenversicherung und die Unfallversicherung wurden von Anfang an im Umlageverfahren finanziert. Mit Eintritt in die Krankenversicherung können im Leistungsfall, dass heißt bei Krankheit, auch ärztliche Leistungen in Anspruch genommen werden.
Die umlagefinanzierten Sozialsysteme scheinen sehr wirkungsvolle, mit hohem moralischem Anspruch versehene Sozialsysteme zu sein. Steht keines der vorgenannten Systeme zur Hilfe zur Verfügung, so kann das steuerfinanzierte Sozialhilfesystem in Anspruch genommen werden. Jeder ist in das System eingebettet.

Das vorgenannte Sozialsystem könnte nun Grundlage eines "sozialistischen Staates" wie auch eines Staates mit "sozialer Marktwirtschaft" sein. Rein kapitalistische Element sind bisher nicht vorhanden. Die sozialistischen Länder haben sogar die Krankenversicherung auf alle im Lande lebenden Menschen ausgedehnt und so eine Vollversorgung der Bevölkerung erreicht. Man könnte somit davon ausgehen, dass ein sozialistisches System am ehesten geeignet wäre, die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen. Der "real existierende Sozialismus" in den ehemaligen Ostblockstaaten hat jedoch gezeigt, dass dieses Ziel nicht erreicht wurde. Die Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse einschließlich der sozialen Leistungen gelang im kapitalistischen Westen bedeutend besser. Es müssen also noch andere Faktoren einen entscheidende Wirkung auf die Systeme gehabt haben. Dazu später mehr.

Grüße,
Rudi

Mumken

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Was ist Geld? Graeber
« Antwort #68 am: 16. November 2012, 22:25:44 »
Die Frage „Was ist Geld“ zieht sich auch durch David Graebers Buch „Schulden, die ersten 5000 Jahre“

Nicht immer wird in David Graebers Buch erkennbar, ob er seine eigene Meinung wiedergibt oder aber die Ansicht eines anderen darstellen möchte. So ist nicht ausgeschlossen, dass die Zuordnung im folgenden Text nicht immer zutreffend ist. Da es jedoch um die Sachverhalt selbst geht ist dies auch nicht so wichtig.

Das Grundthema „Was ist Geld“ wird auch in der „Kredittheorie des Geldes“ behandelt.

Von David Graeber wird die Ansicht Mitchell-Innes unterstützt, „dass Geld keine Ware sondern ein Rechnungsmittel sei“ (Seite 54). Währungseinheiten sind nur abstrakte Maßeinheiten. Solche abstrakten Rechnungssysteme sind lange vor der Verwendung von Geld als Austauschmittel entstanden.
 
„Die nächste Frage liegt auf der Hand: Wenn Geld nur ein Maßstab ist, was misst es dann? Die Antwort ist einfach: Schulden. Eine Münze ist tatsächlich ein Schuldschein.“

Dem kann ich so nicht zustimmen. Eine Münze aus Gold ist kein Schuldschein sondern eher ein Gutschein. Ich muss mir erst jemanden suchen, der bereit ist, sie gegen eine  Ware zu einzutauschen. Wenn ihr vom Staat keine schuldbefreiende Eigenschaft mitgegeben wird, und ich bei jemandem Schulden habe, kann ich diesen noch nicht mal zwingen, meine Goldmünze zum Ausgleich meiner Schuld anzunehmen.
Nehmen wir heute eine „Goldmünze Krügerrand 1oz“ (1 oz. Krügerrand Anlagegoldmünze - Die klassische Investmentmünze lt. Internetangebot) Sie besitzt heute (15.11.2012) einen Wert von 1.406.01 Euro. Niemand ist gezwungen diese Münze anzunehmen. Auch wird sie nicht zur Begleichung von Steuerschulden vom Staat akzeptiert. Sie ist also weder gesetzliches Zahlungsmittel noch akzeptiertes Zahlungsmittel zur Steuerschuldtilgung.
In früherer Zeit war die Goldmünze vielleicht ein vom König festgesetztes gesetzliches Zahlungsmittel  mit  Annahmezwang. Als Besitzer von solchen Goldmünzen konnte ich zwar mit diesen meine Steuern beim Staat bezahlen und auch meine Schulden beim Nachbarn ausgleichen, jedoch war niemand verpflichtet, mir für den Erhalt meiner Münzen eine Leistung zu erbringen oder Waren auszuliefern. Ich konnte mir meine Goldmünze an den Hut stecken wenn ich niemanden fand, der bereit war, sie gegen etwas anderes zu tauschen. Hier von einem Schuldschein auszugehen widerspricht der praktischen Erfahrung im täglichen Umgang mit Geld. Die Schuldentheorie nach Graeber wie auch nach Heinsohn/Steiger erkennt jedoch keine andere Sichtweise an und erklärt werthaltiges Münzgeld schlicht als Schuldschein.
Diese Annahme wird noch weiter unterstützt durch die Aussage: (Seite 54)
„Konzeptuell ist der Gedanke, ein Klumpen Gold sei nur ein Schuldschein, schwer in den Kopf zu bekommen, aber es muss etwas Wahres daran sein, denn immer wenn Gold- und Silbermünzen in Gebrauch waren, zirkulierten sie beinahe nie zu ihrem ungemünzten Wert.“
Diese Begründung ist für mich nicht nachvollziehbar und ein Klumpen Gold ist KEIN „Schuldschein“.

Die Entstehung von Kreditgeld erklärt er ähnlich meinem Beispiel „Was ist Geld“ http://www.um-bruch.net/uforum/index.php?topic=16.msg1627#msg1627
Die dort gestellte Frage:

Sind es Gutscheine oder Schuldscheine?

hat David Graeber bereits entschieden, indem er den Schein direkt Schuldschein nennt. „Und damit ist Geld geboren.“ Die Funktion des Scheines aus der Sicht des Inhabers des Scheines wird nicht beleuchtet.

Nach Graeber vertreten Kredittheoretiker wie Mitchell-Innes die Auffassung, dass von der Wirkung her Goldmünzen und Papiernoten gleich sind.
„Eine Goldmünze ist das Versprechen, etwas anderes zu bezahlen, was den gleichen Wert hat wie die Goldmünze. Wir nehmen sie nur an, weil wir davon ausgehen, andere Menschen werden das ebenfalls tun.
In diesem Sinn ist der Wert einer Einheit einer Währung kein Maß für den Wert eines Gegenstands, sondern ein Maß für das eigene Vertrauen in andere Menschen.“

Sehr schön ausgedrückt, jedoch für mich ohne greifbaren Nutzen.

In der Aufstellung „Geldarten und Geldqualität“ sind im Gegensatz zur vorgenannten Aussage erhebliche Unterschiede zwischen einer Banknote und einer vollwertigen Münze, einer Kurantmünze aufgeführt. Auch die Wirkung dieser beiden Geldarten kann sehr unterschiedlich sein. Was geschieht denn bei Gefahr einer Inflation? Weshalb steigen zurzeit die Kurse für Goldmünzen so rasant an?
Die von Graeber vorgenommenen Vereinfachungen werden m. E. dem Sachverhalt nicht gerecht, da zu viele wichtige Details einfach nicht erwähnt werden.

Beste Grüße,
Rudi

Matthias

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Geld, Vertrag, Schulden ...
« Antwort #69 am: 24. November 2012, 19:17:37 »

Hallo Rudi,

selbstverständlich meint Graeber mit dem "Goldklumpen" eine Goldmünze in seiner Funktion als GZ. Darum geht es ja in diesem Abschnitt. Natürlich ist damit kein Bröckchen Gold gemeint, denn wie sollte das ein Schuldschein sein?!?!?
Er wählt diesen Ausdruck aber sehr wohl mit Bedacht ...

In der Folge wirfst du so ziemlich alles durcheinander und ich versuche mal, das aufzudröseln.

Ich habe allerdings meine Zweifel, dass das überhaupt noch Sinn macht, denn um diese Sache zu verstehen, muss man die Bereitschaft mitbringen, bisherige Sichtweisen über Bord zu werfen. Das ist ja bei jedem Thema so, denn sonst KANN man es nicht verstehen. Man sieht, dass du zwar einerseits die Bereitschaft mitbringst, dir bestimmte Dinge anzuhören und durchzulesen, aber immer nach dem Motto: "Gut, ich höre mir die Argumente an, aber im Grunde weiß ich ja wie es ist und die wollen mir alle einen Bären aufbinden."
Niemand zwingt dich, diese deine "Vermutung" dauerhaft aufzugeben, du kannst jederzeit dahin zurück kehren, aber vorübergehend musst du diese bitte mal ablegen.

Sei's drum, ich will es noch ein letztes Mal versuchen und werde dabei einen etwas anderen Weg einschlagen ...



Schulden, Schuldscheine, Schuldgeld

Du wunderst dich (immer noch!), warum es Schuldscheine sind und nicht genauso gut Gutscheine sein könnten (ich bilde mir ein, wir hatten das schon mal ...).
Warum Schuldschein und nicht Gutschein?
Nein, keine bösen Kapitalisten und Ausbeuter stellen da willkürliche Behauptungen auf, sondern es gibt sehr wohl Gründe dafür. Ein wesentlicher Grund ist das Rechtssystem, in dem Schuldverhältnisse und deren Erfüllung geregelt werden (Vertragsrecht) ... .

Zitat
BGB § 311 Rechtsgeschäftliche und rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse

(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.

Zitat
Schuldverhältnis
Das Schuldverhältnis ist eine Rechtsbeziehung, durch die zwischen mindestens zwei Parteien eine Verpflichtung begründet wird und durch Vertrag, kraft Gesetz oder durch rechtsgeschäftsähnliche Umstände zustande kommt.
[...]
Das vertragliche Schuldverhältnis ist in § 241 Abs. 1 BGB geregelt. Danach ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen. Jeder Vertragspartei erwachsen aus einem Schuldverhältnis nicht nur diese Leistungspflichten, sondern auch Verhaltenspflichten zur Rücksichtnahme und zum Schutz der Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils (§ 241 Abs. 2 BGB). Wichtige einzelne Vertragstypen, die ein Schuldverhältnis begründen, sind im BGB besonders geregelt (z. B. Kauf, Schenkung, Miete, Pacht, Darlehen), doch können auch andere Vertragstypen im Rechtsverkehr verwendet werden (z. B. Leasing), wenn sie die Leitgedanken des Schuldrechts erfüllen. Aus diesen Vertragstypen resultieren für beide Vertragsparteien bestimmte Verpflichtungen, die zur Bezeichnung rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis geführt haben.
(http://de.wikipedia.org/wiki/Schuldverhältnis)

Zitat
Erfüllung (Recht)
Die Erfüllung im Rechtssinne ist das Erlöschen eines Schuldverhältnisses, indem die geschuldete Leistung bewirkt wird.
(http://de.wikipedia.org/wiki/Erfüllung_(Recht))


Nochmals kurz zusammen gefasst: Natürlich entsteht eine Forderung, aber letztlich ERFÜLLEN kann den Vertrag erst der SCHULDNER durch LEISTUNG.

So einfach ist das und deshalb bleiben wir bitte bei dieser Bezeichnung. Und selbstverständlich vergessen wir dabei nicht das den Schulden gegenüber stehende Guthaben, die der Verbindlichkeit gegenüber stehende Forderung etcpp ...


Der Knicks im Kopf ...

Wir sehen häufig nicht, und denken oft nicht weiter, geschweige denn zu Ende. Überall lese und höre ich, dass "ungedecktes Geld" das Problem ist, dass wir ein "Schuldgeld" haben, was in den Untergang führen muss.
Dass also eine "Deckung", eine "Besicherung", etwas Gutes ist, darüber scheinen sich alle einig zu sein.
Dass hier aber ein Widerspruch besteht, erkennt niemand.
Soll etwas durch eine wie auch immer geartete Leistung oder eine "wertvolle" Sache "gedeckt" sein (positiv), bedeutet das aber in Wirklichkeit nichts anderes, als eine Verschuldung (negativ)!
Ein und derselbe Vorgang wird - je nachdem, wie man es bezeichnet - einmal verteufelt und einmal verehrt.
Egal, was wir uns denken, IMMER bedeutet eine "Besicherung" auch, der damit einhergehenden Verpflichtung im Zweifelsfall nachzukommen, was nichts anderes bedeutet, als eine Forderung zu erfüllen, bzw. eine Schuld zu begleichen.



Vertrag und Geld

Wenn man so will (das ist jetzt mein Gedanke), ist Geld ein dem Vertrag sehr ähnliches Konstrukt.
In einem Vertrag können banalste Dinge geregelt werden und die ungeheuerlichsten. Zum Beispiel kann die Welt in zwei Hälften geteilt werden, was zweifellos erstaunlich ist. Das steht nur auf einem Stück Papier.
Niemand von uns kommt auf die Idee, am Wert eines Vertrages zu zweifeln, nur weil das Material, aus dem der Vertrag besteht, nicht wertvoll ist. Ist auch logisch, denn das ist nicht Sinn und Zweck eines Vertrages. Wir wissen, wie ein Vertrag funktioniert und deshalb stellen wir auch andere Dinge nicht in Frage, mit denen wir vertraut sind: ein Grundbucheintrag zum Beispiel.
Ein Vertrag, der das Eigentum an einer Immobilie im Millionenwert überträgt und der dazu gehörige Grundbucheintrag sind für denjenigen, auf den sie sich beziehen, im wahrsten Sinne des Wortes Gold wert!
Niemand käme auf die Idee zu sagen: "Na, Moment mal, das ist doch gar nichts wert! Das besteht doch nur aus Papier!"

Wenn man genauer darüber nachdenkt, kommt man zu dem Schluss, dass wir die abstrusesten Dinge für selbstverständlich halten, nur weil wir es nicht anders kennen. Jemand, der all das nicht kennt, der die Welt betrachtet, mit all seinen Wäldern, Flüssen, Gebirgen und Wüsten, den Tieren und Pflanzen, müsste zweifellos den Kopf schütteln, wie aus dieser Welt eine werden kann, in der jedem Menschen Grenzen gesetzt werden, und in der festgelegt wird, was einer denken und sagen darf, wo er sich bewegen darf und wo nicht, ob er so leben darf, wie er möchte oder eben nicht, oder ob er überhaupt leben darf, und in der auf Geheiß aufeinander eingeprügelt und geschossen und auf Geheiß wieder damit aufgehört wird ...
All das festgelegt in Büchern und Verträgen aus wertlosem Papier ...


Beim Geld erwarten die Menschen, dass das wertvolle an ihm sichtbar ist. Einfach weil das einmal so gewesen ist. Oder zumindest glauben das die Menschen. Allerdings wissen sie nicht, dass es nur Schein ist, dass Geld niemals seinen Wert durch das Material erhielt, aus dem es besteht. Weil es nämlich immer aus einer Beleihung entsteht, aus einer Besicherung, es ist gedeckt durch etwas und diese ihm inne wohnende Forderung macht seinen Wert aus ...
Ebenso wie beim Vertrag ist der Sinn und Zweck eben nicht, dass er aus wertvollem Material besteht, im Gegenteil.

Was uns beim Vertrag einleuchtet, bereitet uns beim Geld Schwierigkeiten. Das liegt vermutlich
a. an der Tatsache, dass wir (einfachen Menschen) nie wirklich wussten, wie Geld entsteht und wie es funktioniert, und
b. wir mit Geld bezahlen und es als wertvoll erachten und Papier ist das nunmal nicht.

Beim Vertrag kümmert uns das wie gesagt nicht, denn der Inhalt ist's auf den es ankommt und den können wir jederzeit nachlesen. Beim Geld ist das abstrakter und deshalb so schwer nachzuvollziehen.
Möglicherweise könnte uns ein Vertrag heute wertvoll oder weniger wertvoll erscheinen, hätte es zu irgendwelchen Zeiten einmal die Pflicht gegeben, einen Vertrag in goldene Tafeln zu ritzen oder marmorne zu meisseln und darüber hinaus noch das königliche Siegel zu tragen. Hätte das einmal stattgefunden und die Menschen wären der Überzeugung gewesen, nur ein solcher Vertrag habe seine Gültigkeit, wäre es vorstellbar, dass sie noch heute Verträge aus Papier für null und nichtig halten. Denn die könne schließlich jeder anfertigen ... seien also nichts besonderes.

Ganz so verhält es sich bei den Mutmaßungen bzgl. Geld. Auch du glaubst immer noch, "wirkliches Geld" stamme aus der Prägeanstalt, es habe einen gewissen Materialwert zu haben und alles andere sei Betrug. Weil du immer noch nicht verstanden hast (oder willst), was Geld ist. Dabei bist du ganz nahe dran, denn wie könntest du im "Schuldschein" ein Guthaben sehen, wenn es nichts wert wäre?


Tontafeln, Kerbhölzer, Papier, Münzen

Egal, wann und wo, Geld ist immer durch einen Verschuldungsakt entstanden! Immer! Indem ein Sachgut "beliehen" wird, entsteht Geld. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine Privatperson handelt, eine Regierung, eine Bank, ein Unternehmen usw. Grundlage allen kapitalistischen Wirtschaftens und kapitalistischen Geldes ist IMMER die Buchführung, ob in Form einer Bilanz, einer simplen Einnahme-/Überschussrechnung oder eines Haushaltsbuches.
Nicht umsonst ist der Begriff "Kameralistik" zugleich Synonym für "fürstliche Schatzkammer", als auch für eine Form der Buchführung:
Zitat
Kameralistik (von lateinisch camera „Zimmer, Gewölbe“, hier etwa „fürstliche Schatztruhe“), auch kameralistische Buchführung oder Kameralbuchhaltung (http://de.wikipedia.org/wiki/Kameralistik).

Ebenso Banken ...
Nur mit Eigentumstiteln ist eine Bank in der Lage, Geld zu schöpfen. Ob Zentralbank oder Geschäftsbank, jede Bank muss über Sachwerte verfügen, die sie "beleihen" kann, um Geld zu schöpfen. Eigentumstitel werden als Sicherheit für Geld hinterlegt. Geht eine Bank pleite, haftet sie mit diesen Eigentumstiteln. Das unterscheidet sie nicht von jedem anderen Wirtschaftssubjekt, einzig die Erlaubnis, diese Eigentumstitel in gesetzlich anerkanntes Geld zu verwandeln ...

Wir können endlose Beispiele durchgehen, egal ob in Mesopotamien oder im mittelalterlichen Europa oder in heutigen Zeiten ... es ist das immer gleiche Procedere.
Um eine Kontraktschuld zu begleichen, braucht es Geld und dieses Geld MUSS durch Besicherung einer Sache entstehen und eine damit verbundene Forderung, ansonsten handelt es sich um wertloses Spielgeld. Erst die Forderung verleiht dem Geld seinen Wert.
Egal, ob ein Bauer in Mesopotamien sich auf einer Tontafel verpflichtet, dem Überbringer dieser Tontafel eine bestimmte Menge Getreide auszuhändigen, oder sich jemand zu einer Leistung verpflichtet, die auf einem Kerbholz (tally stick) dokumentiert wird, oder ein Fürst ein Stück Land verpfändet, nur auf diesem Wege entsteht Geld! Nur, indem ich tatsächlich Zugriff auf ein Gut (in welcher Form auch immer) bekomme, erhält es für mich einen Wert (des Geldes.)

Nun verwechseln die Menschen und auch du Rudi, den Träger dieser Information, also seine Beschaffenheit, mit dem Wert. Daher mein Vergleich mit dem Vertrag. Ein Vertrag aus Gold, in dem aber nichts steht, ist letztlich wertlos. Er erhält seinen Wert durch den Materialwert, aber sonst eben nichts. Sonst steht nichts dahinter.
Für den Inhaber der Tontafel ist es vollkommen egal, dass es eben nur ein "Klumpen Dreck" ist, auf dem es geschrieben steht, für ihn ist der INHALT von Wert: das Getreide, auf das er einen Anspruch hat. Nun könnte diese Verbindlichkeit auch auf einer Goldtafel stehen, aber was würde das ändern und wäre es nicht sogar von Nachteil, weil die Ausfertigung des Geldes wesentlich teuerer wäre, als der Ton?
Niemand käme auf die Idee Unsummen für einen Vertrag auf den Tisch zu legen, nur weil das Material kostspielig ist, oder? Es wäre sogar hinderlich, denn für den armen, einfachen Mann unbezahlbar, Verträge abzuschließen.

Noch einmal: Auch deine "wertvollen Münzen" entstehen in ihrer Funktion durch Verschuldung (Beleihung, Verpfändung, Besicherung), und in ihrer Form in der Prägeanstalt. Letzteres ist der einzige Unterschied zum Papiergeld oder Buchgeld etc, die - wenn du so willst in der Papierfabrik und der "Tintenfabrik" entstehen ...
Dass es einmal überwiegend Münzgeld gegeben hat, hat Gründe, die Graeber sehr anschaulich beschreibt. Es hat sich dabei aber nie um "Nettogeld" gehandelt, also Geld, hinter dem nicht auch eine Forderung stünde (Beleihung, Besicherung Verpfändung). Weil das die Menschen aber nicht wissen, glauben sie, das sei wertvolles Geld und anderes eben nicht. Das ist aber Humbug. Und deshalb verwendet Graeber nicht ganz zu Unrecht den Begriff "Goldklumpen".


Gold und Silber waren so gesehen nie Geld! Geld hatte immer wieder einmal die BESCHAFFENHEIT von Gold oder Silber, aber diese BESCHAFFENHEIT war NIEMALS per se das Geld, ebenso wenig, wie Papier niemals per se ein Vertrag gewesen ist, sondern ein Vertrag lediglich die BESCHAFFENHEIT von Papier hat.

Und noch einmal: Ein Haus, das ich bewohnen oder vermieten kann, ein Feld, das ich bestellen kann oder 50 Stunden, die ein Nachbar für mich arbeitet (und für den Fall, dass er das nicht tut, sichere ich mir die Lieferung einer Ladung Holz zum Heizen!), all diese Dinge haben einen erkennbaren NUTZEN für mich, während ein "Klumpen Gold" nichts anderes tut, als dämlich herum zu liegen (und definitiv alles haben mag, nur keinen konkreten Nutzen für mich).

Jedes Gut in der kapitalistischen Wirtschaft unterliegt der Bewertung in Geld. Ohne diese Bewertung wiederum ist Geld nicht vorstellbar. Und so erhält auch Gold seinen Wert in Geld!


Warum also Gold?

Es gibt viele Gründe, warum Gold angeblich wertvoll ist und man könnte endlose Seiten zu dem Thema füllen. Manche dieser Gründe sind reine Willkür (= von oben verordnet), denn im Grunde wissen wir Menschen gar nichts damit anzufangen (im Vergleich zu Silber zum Beispiel).
Gold aber hat eine physische Eigenschaft, die ihm etwas geradezu metaphysisches verleiht (wenn man so will): Der Zahn der Zeit, der alles verändert und alles zerstört, kann dem Gold nichts anhaben. Felder und Gärten verwildern, Häuser verfallen, Ernten verfaulen, Menschen sterben ... Gold aber überdauert alles.
Und es kann daher immer beliehen werden ...

Gold ist nichts anderes als eine "Anlage", eine Ware, ein Sachgut und nur weil es diese "metaphysische" Eigenschaft der Unzerstörbarkeit hat, verleihen "wir" ihm einen Wert, obwohl es keinen konkreten Nutzen hat!


Wenn du das einmal verinnerlicht hast, bist du auf dem besten Wege zu verstehen, was vor sich geht und wie es funktioniert.



Manipulation

Kann Geld manipuliert werden? Ja! Spielt es dabei eine Rolle, ob es Münzen sind oder nicht? Nein!

Ich muss nur den Wert einer Münze herauf- oder herabsetzen und schon habe ich die Manipulation. Immer wieder geschehen, bis hin zum Goldverbot ... Und immer wieder Veränderung des Metallgehaltes, Gewichtes o.ä. ...

Beispiel: der römische Denar.

Zitat
Der Denar (lat. denarius von deni: je zehn) war ein antikes, mittelalterliches, neuzeitliches und anfänglich noch feinsilbernes, mittleres - durch inflationäre Prozesse - immer kleiner werdendes kupfernes Münznominal ...
http://de.wikipedia.org/wiki/Denarius

Zitat
Der Feingehalt des Denars entwickelte sich etwa folgendermaßen (die Daten sind Näherungswerte):
3,68 bis 3,72 g unter Augustus und seinen Nachfolgern bis Nero,
3,54 g in den ersten Regierungsjahren Neros,
3,14 g gegen Ende der Regierung Neros,
3,21 bis 3,07 g unter Vespasian und Titus,
3,44 g in den ersten Jahren Domitians (bis 85 n.Chr.),
3,28 g zwischen 85 und 96 n.Chr.,
3,24 g unter Nerva,
3,07 g unter Trajan,
3,02 g unter Hadrian,
2,68 g bis 2,96 g unter Antoninus Pius,
2,58 g bis 2,64 g unter Mark Aurel,
2,35 g bis 2,08 g unter Commodus,
1,81 g bis 2,46 g unter Septimius Severus,
1,65 g unter Caracalla,
1,82 g unter Macrinus,
1,41 g unter Elagabal,
1,49 g bis 1,29 g unter Severus Alexander,
1,41 g unter Maximinus Thrax,
1,46 g unter Gordian III.
http://www.numispedia.de/Denar_-_r%F6misch



Kapitalistisches Geld

Kapitalismus ist nicht nur eine bestimmte Art des Wirtschaftens. Es benötigt dieses Geld im kapitalistischen Sinne. Hätten wir morgen eine Art "Nettogeld" oder "Guthabengeld" oder wie immer man es bezeichnen wollte, wäre es sofort mit der uns bekannten Dynamik vorbei. Die unter Schuldendruck wirtschaftende Gesellschaft braucht genau dieses Geld, das VON ANFANG AN alle Teilnehmer diesem Druck aussetzt.
Nur daher rührt die "Überlegenheit" gegenüber dem Sozialismus, nur daher kommt dieses endlose Hamsterrad, das so viele von uns oft zum Teufel wünschen (und mancher, der ihm endlich entfliehen konnte, seufzt ein erleichtertes "HannsGschaft" ...  :D ).



Zum Abschluss - Inflation und Gold

Ich habe zwei Krügerrand-Münzen, die mein Vater 1976 erworben hat. Der Kurs lag damals bei etwa 150 $ (!), die Inflation hierzulande bei 6-7 %. Der steigende Goldwert ist kein Beleg dafür, dass das irgend etwas mit "Gold = Geld" zu tun hat, auch wenn das immer wieder gerne behauptet wird.
Gold ist eine unter zahlreichen Anlageformen und sie steigt im Moment logischerweise ebenso wie Immobilienpreise (Preise für Agrarflächen in MV haben sich in wenigen Jahren mehr als verdoppelt ...), die Preise am Kunstmarkt oder was sonst nicht alles erworben wird (und bei dem man auch nicht davon ausgeht, dass es "Geld ist") aus Angst vor der "Wertlosigkeit" des Geldes.

Bei rottmeyer.de sind die "Goldbugs" zu Hause und für die ist Gold eben Geld. Da schreiben ja auch Leute, wie Prof. Thorsten Polleit, der seit diesem Jahr sicherlich rein zufällig Chefökonom der Degussa Goldhandel GmbH ist ...

Die Goldkurse werden vielleicht noch astronomische Höhen erreichen, aber irgendwann auch wieder sehr tief fallen. Aber was wissen wir schon, was da diesmal kömmt ...


Ich habe keine Ahnung, ob es mir irgendwie gelungen ist, dir zu erklären, wie es ist. Und wenn das nicht der Fall ist, kann ich es auch nicht ändern. Ich will auch niemandem seinen Glauben nehmen, aber weil ich eben sehe, dass es unmöglich ist, ein Problem zu erkennen und überhaupt eine Lösung zu denken, wenn man von vollkommen falschen Voraussetzungen ausgeht, habe ich es noch einmal versucht.
Solltest du es aber einigermaßen verstanden haben, bist du nur noch einen Schritt entfernt, das Dilemma des Kapitalismus zu erkennen. Aber das ist eine Frage, die wir dann immer noch angehen können.


Bis denne, Matthias

.....

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  --  George Bernard Shaw

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Re: Was ist Geld?
« Antwort #70 am: 25. November 2012, 13:07:44 »
Hallo Matthias und Rudi

Mir scheint, die Geldexperten streiten sich eigentlich nur um eine korrekte Bezeichnung. Nachdem die Funktion des Geldes in Handel und Dienstleistung wohl keiner weiteren Erläuterung bedarf, debatiert man über die Frage Schuldschein, oder Gutschein.
Eigentlich geht es doch viel einfacher. Es ist beides! Also wäre doch die Bezeichnung Wertschein für Papiergeld (auch Überweisungsbeleg usw), oder Wertstück für Hartgeld naheliegend.

mfg
Markus

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Re: Geld, Vertrag, Schulden ...
« Antwort #71 am: 25. November 2012, 20:49:51 »
Hallo Matthias,

aus Deiner Aussage



Ganz so verhält es sich bei den Mutmaßungen bzgl. Geld. Auch du glaubst immer noch, "wirkliches Geld" stamme aus der Prägeanstalt, es habe einen gewissen Materialwert zu haben und alles andere sei Betrug. Weil du immer noch nicht verstanden hast (oder willst), was Geld ist. Dabei bist du ganz nahe dran, denn wie könntest du im "Schuldschein" ein Guthaben sehen, wenn es nichts wert wäre?


entnehme ich, dass es mir bisher nicht gelungen ist, den Leitgedanken meiner Arbeit im Wiki transparent darzustellen.

Es ist nicht mein Ansinnen, das heutige kapitalistische Wirtschaftssystem in allen Facetten aufzuzeigen und zu erklären. Meine Erklärung auf der Home-Seite
"Das dort begonnene Projekt "Das Geldrätsel" versucht die Tarnkappe über unserem Geldsystem zu lüften."
sowie auch die Aussage im Wiki:
"Hier soll jedoch keinesfalls ein Geschichtsbuch über unser Geldsystem entstehen. Es sollen nur einige Begebenheiten geschildert werden, welche zum Verständnis unseres heutigen Geldsystems beitragen.".
ist ja nun auch nicht gerade sehr aussagekräftig.

Bisher beschäftigt sich "Das Geldrätsel" im Wesentlichen mit der Geschichte des Geldwesens und ist bisher erst bis zum 18. Jahrhundert vorgedrungen. Um der historischen Entwicklung einigermaßen  gerecht zu werden ist es somit erforderlich, auch die Sichtweise der damaligen Gesellschaften darzustellen. Echtes Geld bestand damals aus werthaltigen Münzen, Kurantmünzen, d. h. der Wert einer Münze wurde wesentlich durch seinen Materialwert aus Gold oder Silber bestimmt. War von echtem Geld die Rede bezog es sich fast immer auf hochwertige Münzen wie z. B. die Guinea und nicht auf das Kleingeld, welches auch aus nicht werthaltigem Material bestehen konnte und dann als Scheidemünzen bezeichnet wurden.

http://www.rene-finn.de/pdf/Goldguinea.pdf
Zitat
Durch die Tatsache, dass die Guinea keine Wertangabe aufgeprägt hatte, wurde ihr Nominalwert lediglich durch Größe,Gewicht und Erscheinungsbild bestimmt:
Eine Guinea wog durchschnittlich 8,350 Gramm, hatte einen Feingehalt von 916,6/1000stel (91,66% = 22 Karat) und einen Durchmesser von 25 bis 26 Millimeter.
In den ersten Jahrzehnten der Guinea-Prägung schwankten diese Angaben jedoch noch etwas, wie bei den jeweiligen Prägungen im Verlaufe des Artikels erwähnt wird.
Besonders der Metallwert der Guinea unterlag bis 1717 großen Schwankungen: Ursprünglich hatte die Guinea den Wert von einem Pfund (Pound), was im englischen Münzsystem
20 Schillingen (1 Schilling = 12 Pence) entsprach.


Zu Deinem obigen Zitat zurück:
Ich kann nicht nachvollziehen, wie Du zu der Ansicht kommst, dass ich ein Hartgeld-Anhänger sei, d. h. die Meinung vertrete; "wirkliches Geld " stammt nur aus der Prägeanstalt?

Bevor ich auf Details Deines Beitrages eingehe möchte ich Dir erklären, welche Zielrichtung ich im Wiki weiter verfolge und zu welchen Erkenntnissen mich die bisherigen Beobachtungen geführt haben.

Im Wiki möchte ich die Entstehung unseres jetzigen Systems beleuchten, ohne mich jedoch an eine der bestehenden Theorien mit Alleinstellungsanspruch anlehnen zu müssen. Zu diesen Theorien zähle ich sowohl die Tauschmitteltheorie der herkömmlichen Wirtschaftswissenschaftler wie auch die m. E. einseitigen Theorien nach Heinsohn / Steiger, P. C. Martin, David Graeber.
Diese Theorien haben eines gemeinsam, sie erheben den Anspruch unser System richtig erklären zu können. Zu einer solchen Theorie gehört dann auch folgerichtig eine historisch belegte Herleitung. Diese Herleitungen werden dann mit einem höchst umfangreichen Quellennachweis erhärtet.

Entgegen diesen Darstellungen bin ich der Meinung, dass immer nur Teilaspekte zur Stützung der jeweiligen Sichtweise herangezogen werden. Die Entstehung des jetzigen Geldsystems ist so vielschichtig, dass jede Theorie mit einer umfassenden Darstellung überfordert  ist. Die m. E. vorhandenen Widersprüche in den jeweiligen Theorien oder aber Geschichtsklitterungen möchte ich nun nicht auflösen, da es einfach zu zeitaufwendig ist und nichts bringt. Nun muss ich auch keine neue Theorie erfinden oder im Wiki darstellen, sondern kann auf vieles vorhandene zurückgreifen, auch wenn der rote Faden bisher nicht erkennbar ist.

Einige Gedanken, welche sich zwischenzeitlich etwas verfestigt haben, sollten jedoch meine Absicht etwas näher erklären.

Bewusst beschränke ich mich nicht auf die Betrachtung unseres jetzigen "hocheffizienten kapitalistischen" Wirtschaftssystems, sondern möchte auch die Verhältnisse in einem sozialistischen System beleuchten. Hieraus resultieren einige wesentlichen Unterschiede:
  • Dem Sozialismus fehlt die Eigentumswirtschaft, als eine der treibenden Kräfte der Wirtschaftsentwicklung. Das Eigentum im Sozialismus beschränkte sich im Wesentlichen auf ein Haus mit Garten, eine Wohnung und Konsumgüter wie Autos, Fernseher usw. Das Eigentum als Quelle von Krediten zu benutzen war im Sozialismus absolut fremd.
  • Dem Sozialismus fehlte weiterhin ein Finanzsystem, welches eine Geldschöpfung aus dem "Nichts" erlaubt und den daraus resultierenden Profit einer kleinen Gruppe von anlagewilligen Geldbesitzern zukommen lässt.
  • Durch die fehlende unternehmerische Freiheit im Sozialismus lässt sich der Motor, des mit einer Verschuldung beginnenden Unternehmerseins, nicht starten. Diese, mit dem Zinseszins  auf dauernde Erhöhung der Drehzahl getrimmte Wachstumsmaschine, welche Mensch und Natur in optimaler Weise ausnutzt, ist im Sozialismus nicht vorhanden.
  • Die Motivation und Produktivität der arbeitenden Bevölkerung lässt sich in einem kapitalistischen System zu ungeahnten Höhen steigern, auch wenn dadurch ganze Bevölkerungsschichten überflüssig werden.

Zitat
selbstverständlich meint Graeber mit dem "Goldklumpen" eine Goldmünze in seiner Funktion als GZ. Darum geht es ja in diesem Abschnitt. Natürlich ist damit kein Bröckchen Gold gemeint, denn wie sollte das ein Schuldschein sein?!?!?
Er wählt diesen Ausdruck aber sehr wohl mit Bedacht ...


Den Abschnitt habe ich mir nochmals angesehen und stimme Deiner Auffassung zu. Mit dem Klumpen war wohl in übertragenem Sinn der Materialinhalt der Münze gemeint.

Zitat
In der Folge wirfst du so ziemlich alles durcheinander und ich versuche mal, das aufzudröseln.


Das ist jetzt Deine Meinung. Im Wiki habe ich unter Geldarten, Qualitätsstufe 4 festgehalten:
Zitat
Banknoten und Münzen sind jedoch die einzigen "gesetzlichen Zahlungsmittel", dass heißt, ein Gläubiger muss diese Münzen und Banknoten zur Begleichung einer Schuld annehmen.

http://www.um-bruch.net/uwiki/index.php/Geldarten

Deine Aussagen zu Schuldverhältnissen und daraus folgend der Bezeichnung von Geld als Schulden, sind nach der geltenden Gesetzgebung logisch richtig.
Aber wenn wir uns schon von vielem Hergebrachten lösen erlaube ich mir, auch diesen Begriff in Frage zu stellen.

Zitat
Jedes Gut in der kapitalistischen Wirtschaft unterliegt der Bewertung in Geld. Ohne diese Bewertung wiederum ist Geld nicht vorstellbar. Und so erhält auch Gold seinen Wert in Geld!

Warum also Gold?

Es gibt viele Gründe, warum Gold angeblich wertvoll ist und man könnte endlose Seiten zu dem Thema füllen. Manche dieser Gründe sind reine Willkür (= von oben verordnet), denn im Grunde wissen wir Menschen gar nichts damit anzufangen (im Vergleich zu Silber zum Beispiel).
Gold aber hat eine physische Eigenschaft, die ihm etwas geradezu metaphysisches verleiht (wenn man so will): Der Zahn der Zeit, der alles verändert und alles zerstört, kann dem Gold nichts anhaben. Felder und Gärten verwildern, Häuser verfallen, Ernten verfaulen, Menschen sterben ... Gold aber überdauert alles.
Und es kann daher immer beliehen werden ...

Gold ist nichts anderes als eine "Anlage", eine Ware, ein Sachgut und nur weil es diese "metaphysische" Eigenschaft der Unzerstörbarkeit hat, verleihen "wir" ihm einen Wert, obwohl es keinen konkreten Nutzen hat!


Während Du Gold als eine Ware mit "keinem konkreten Nutzen" siehst, bin ich da anderer Meinung. Wie auch Silber wird es in der Elektrotechnik eingesetzt. Während Silber z. B. zur Verbesserung der Leitfähigkeit, speziell bei Hochfrequenzleitungen eingesetzt wird (Skineffekt) wird Gold zur Erhöhung der Kontakt-Zuverlässigkeit, besonders im Bereich von kleinsten Strömen benutzt.

Wenn auch Gold bei der Schmuckherstellung keinen konkreten Nutzen hat, so besitzt es ähnlich wie Edelsteine und Bernstein einen Warenwert. Wie im Free Coinage Act erwähnt bestand damals die Möglichkeit aus einem Klumpen Gold eine entsprechende Anzahl Münzen prägen zu lassen. Aus einem Klumpen Gold wurde Geld und damit ein Schuldschein, ohne jegliche Besicherung?

Wenn Du jedoch die Bedeutung einer Goldmünze als Schuldschein für das Verstehen unseres Geldsystems als unabdingbar hältst, so will ich Dich davon nicht abbringen. Für das Wiki werde ich diesen Erklärungsweg jedoch nicht gehen, da er mir zu abstrakt erscheint, um ihn einem noch unbelasteten Laien in Gelddingen so zu präsentieren.

Wie ich bereits einmal anmerkte, führen mehrere Wege nach Rom. Der Weg über die alles beherrschende Schuldensystematik ist nicht mein Weg. Am Ende werden wir wahrscheinlich feststellen, dass dieses Geplänkel über die Betrachtung von Gold als Geld vollkommen  überflüssig geworden ist. Im heutigen System spielt es absolut keine Rolle mehr, es sei denn, man ist Vertreter der Hartgeld-Theorie.

Ich hoffe, hiermit etwas zu einem besseren Verständnis beigetragen zu haben.

Beste Grüße

Rudi


« Letzte Änderung: 25. November 2012, 20:52:14 von Admin »

Matthias

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Re: Was ist Geld?
« Antwort #72 am: 26. November 2012, 17:11:44 »

Hallo Markus,

streiten sich eigentlich nur um eine korrekte Bezeichnung.

Ja, auch; korrekte Bezeichnungen sind notwendig, um nicht ständig aneinander vorbei zu reden, es geht aber vor allem darum - und das ist tatsächlich sehr schwer zu kapieren - , dass Geld immer nur durch Verschuldung entsteht. Das klingt so doof, ist aber für das Verständnis von Geld extrem wichtig.

Also wäre doch die Bezeichnung Wertschein für Papiergeld (auch Überweisungsbeleg usw), oder Wertstück für Hartgeld naheliegend.

Na ja, das könnte genauso gut auf einen Waren-Gutschein zutreffen, aber das ist Geld eben nicht! Und das macht es so kompliziert, weil wir anders denken, und es uns anders beigebracht wurde und immer noch wird.
Ich kann es auch nicht besser oder anders erklären. Irgendwann macht es "Klick" und man bekommt ein "Aha-Gefühl". Dann hat man es noch lange nicht verinnerlicht, aber das kommt mit der Zeit. (Oh je, das klingt wie ein Zeuge Jehovas oder so etwas   :D )



Hallo Rudi,

Ich hoffe, hiermit etwas zu einem besseren Verständnis beigetragen zu haben.

Leider nein, wir schaffen es beide nicht ...  :P
Ich habe mir wirklich den Kopf zermartert, aber anscheinend war ich nicht imstande, es besser zu erklären. Und immer reden wir aneinander vorbei.
Wenn ich von "Kapitalismus" rede, dann meine ich nicht nur den im Marx'schen Sinne, den "modernen", das sollte doch eigentlich klar sein, wenn ich von Tontafeln und Kerbhölzern schreibe und ich dachte auch, ich hätte das oft genug betont. Ich meine den Kapitalismus in all seinen Erscheinungsformen in den vergangenen 5000 Jahren. Genau so, wie Graebers Buch auch nichts anderes ist, als eine Geschichte des Kapitalismus von seinen Anfängen bis heute. Ich fürchte leider, dass du das Buch gar nicht ganz gelesen hast ...

Weißt du was, ich habe das Gefühl, wir kommen nicht weiter und ich lass dich jetzt erst mal die verschiedenen Wege nach Rom gehen. Ich habe das ja schon hinter mir und habe da nix gefunden. Und ich kenne auch niemanden sonst, der da fündig geworden wäre. Wenn ich also anzweifle, dass du es schaffst, hat das nix mit mangelndem Vertrauen in deine Fähigkeiten zu tun, sondern schlicht mit den gemachten Erfahrungen.  :)
Solltest du aber dennoch fündig werden, bin ich sehr gespannt darauf, das zu erfahren.

Allerdings schätze ich mal, dass du nach wie vor nicht wissen wirst
 - wie Geld in die Welt kommt und
 - woher Schenja der Fischer an die benötigten Gelder kommt, um seine Investitionen wieder reinzuholen (ausdrücklich in vergangenen Zeiten, ohne Papiergeld!). Oder meinetwegen im Gleichnis vom anvertrauten Geld und den zusätzlichen Münzen, die der Diener "erwirtschaftet", NT, Matthäus 25,14-30: "Herr, fünf Talente hast du mir gegeben; sieh her, ich habe noch fünf dazugewonnen."

Und damit meine ich eine technisch saubere Erklärung, kein Ökonomen-Blabla von "Geldschleier" und "Geldmengen" und "Preisen, die über den Markt fliegen" oder sonstige Esoterik!  ;D

Und jetzt, bevor ich mich vorübergehend verabschiede, werde ich noch einmal meinen Senf dazugeben, nicht um dich zu piesacken oder aus reiner klugsch...erei, sondern weil es dich hoffentlich zum Nachdenken anregt und dir hoffentlich zur Lösung verhilft ... wer weiß?


die Sichtweise der damaligen Gesellschaften darzustellen.

Die "Sichtweise" von Gesellschaften war noch nie maßgebend. Es ging immer einzig und nur darum, wer etwas festlegen legen darf und was er festlegt (und wie das den Menschen verklickert wird - und das wird uns bis heute von einer  "Wissenschaft" vorgesetzt) ...

Das ist jetzt Deine Meinung. Im Wiki habe ich unter Geldarten, Qualitätsstufe 4 festgehalten:

Dort erwähnst du eine vorhandene "Deckung" stets nur in Form von Edelmetallen (oder das Fehlen derselbigen). Und wozu hat jede Bank eine Bilanz? Wozu die Aktiva? Wozu sind denn die verschiedensten Eigentumstitel da, wenn nicht zur Deckung des geschöpften Geldes? Wozu hält eine Zentralbank Gold? Jetzt sag mir nicht, dass das nichts wert ist.  ;D
Eigentumstitel = Aktiva. Geld = Passiva.

Deine Aussagen zu Schuldverhältnissen und daraus folgend der Bezeichnung von Geld als Schulden, sind nach der geltenden Gesetzgebung logisch richtig. Aber wenn wir uns schon von vielem Hergebrachten lösen erlaube ich mir, auch diesen Begriff in Frage zu stellen.

Du weißt aber schon, dass das die Grundlage einer Geldwirtschaft ist? Und das nicht nur in der Moderne sondern historisch, z.B. römisches Privat- und Schuldrecht?

Während Du Gold als eine Ware mit "keinem konkreten Nutzen" siehst, bin ich da anderer Meinung.

Du wirst zugeben Rudi, dass Gold im Vergleich zu Silber eine geradezu lachhaft geringe (mengenmäßige) Bedeutung als Industriemetall hat. Das wollte ich damit zum Ausdruck bringen. Der hohe Preis erklärt sich, im Gegensatz zum Silber, so gut wie nicht aus der industriellen Nachfrage.

... bestand damals die Möglichkeit aus einem Klumpen Gold eine entsprechende Anzahl Münzen prägen zu lassen.

Und dieses Gold hat nichts gekostet? Lag es irgendwo nutzlos rum, oder hatte es gar keinen Wert (was dann wiederum wenig Sinn machen würde ...)?

Aus einem Klumpen Gold wurde Geld und damit ein Schuldschein, ohne jegliche Besicherung?

Oh je, Rudi! Wie kommst du darauf, dass ein Schuldschein nicht besichert ist, wenn ich in meinem Post ausführlichst versucht habe, darzulegen, dass die Forderung plus Zusicherung der Vollstreckung (= rechtlicher Rahmen) eine genauso perfekte Besicherung darstellen? Das war es doch, was ich mit dem Vertrag zum Ausdruck bringen wollte. Die vertragliche Zusicherung eines wertvollen Eigentumstitels muss ich doch auch nicht zusätzlich mit Gold "besichern". Wozu denn?

Wenn Du jedoch die Bedeutung einer Goldmünze als Schuldschein für das Verstehen unseres Geldsystems als unabdingbar hältst, so will ich Dich davon nicht abbringen.

Das ist nett, Rudi! ;)
Aber mal im Ernst: Verstehst du nicht, dass es genau darum geht? Man kann es eben nicht mehr als Meinung ansehen, sondern mittlerweile als Gewissheit, weil stichhaltig belegbar und überprüfbar, dass jedes Geld, auch sog. "Warengeld", immer nur durch Verschuldung entsteht und entstanden ist. Das ist die Quintessenz: Ohne Schulden, kein Kapitalismus, kein kapitalistisches Geld. Leider ...

Wie ich bereits einmal anmerkte, führen mehrere Wege nach Rom. Der Weg über die alles beherrschende Schuldensystematik ist nicht mein Weg.

Na, vielleicht kehrst du ja irgendwann wieder auf diesen Weg zurück und dann stehe ich dir gerne zur Verfügung. Wie gesagt, das andere kenne ich alles schon ...

Viel Spaß beim Wandern und Gewinnen von Erkenntnis,

Matthias


.....

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Re: Was ist Geld?
« Antwort #73 am: 28. November 2012, 16:02:52 »
Hallo Matthias,

nachdem ich mir unsere Diskussionen in den letzten Beiträgen nochmals angesehen habe stelle ich mir einige  Fragen:
Macht es eigentlich noch Sinn weiter zu diskutieren, da Du die Wahrheit ja schon gefunden hast?
Welche Sachverhalte sehen wir beide gegensätzlich und bei welchen stimmen wir im Grunde überein?
Gehe ich dann noch einen Schritt weiter und versuche nach Wichtigkeit zu ordnen, komme ich zu dem Ergebnis, wir streiten uns um Peanuts.  ::) Möglicherweise siehst Du das jedoch ganz anders.

Es macht vielleicht Sinn, die Unterschiede genauer darzustellen und dann zu entscheiden, ob man die Überzeugung des Anderen tolerieren kann und ob es dann noch Sinn macht die Diskussion fortzusetzen. Dies setzt jedoch den Versuch voraus, dogmatischen Überzeugungen etwas hinten an zu stellen und die Position des Anderen zumindest mal durchzudenken.
 
Na, vielleicht kehrst du ja irgendwann wieder auf diesen Weg zurück und dann stehe ich dir gerne zur Verfügung. Wie gesagt, das andere kenne ich alles schon ...

Danke für dieses großzügige Angebot. >:(

Leider musste ich feststellen, dass Du in Deinem letzter Beitrag nur zu einem Bruchteil auf meinen vorhergehenden Post eingehst und Du Dir offensichtlich einzelne Sätze herausgesucht  hast um diese dann mit Grundsätzen der Schuldentheorie zu widerlegen. Ich erinnere mich daran, dass wir diesen Weg, mit umgekehrten Personen, auch schon mal hatten. :-[

Aber nun zu den Sachpunkten.
Ich fange mal bei der Eigentumswirtschaft an, welche Du an den Anfang eines jeden Wirtschaftens in einer kapitalistischen Gesellschaft stellst. Bezogen auf das heutige Wirtschaftssystem gehst Du davon aus, dass Geld nur durch Verschuldung entsteht. In diesem Punkt kann ich Dir nicht widersprechen.
Nun bist Du weiter der Auffassung, dass bei jeder Entstehung von Geld eine Sicherheit vorhanden sein muss. Dies geht zurück auf Heinsohn/Steiger und bedeutet, wenn ich mir von der Bank Geld leihen will, muss ich der Bank erst eine Sicherheit bieten.  Ansonsten bin ich nicht kreditwürdig und bekomme nichts.
Während die Eigentumstheorie diesen Vorgang der Besicherung an den Anfang der Geldentstehung stellt, wird die Stellung einer Sicherheit von den meisten Wirtschaftswissenschaftlern nur am Rande als Sicherungsmaßnahme erwähnt. Als Sicherheit selbst wird von diesen vielfach die Volkswirtschaft aufgeführt.

Nun steht sicher die in einer Wirtschaft vorhandene Geldmenge in einem Zusammenhang mit der Leistung einer Volkswirtschaft. Die Leistung einer Volkswirtschaft als Sicherheit zu nehmen ist wirklichkeitsfremd. Dann ist doch eher die indirekte Deckung durch Eigentum dazu geeignet.

Im Wiki ist in der Erläuterung zu Geld der Qualitätsstufe 4 vermerkt:

"Banknoten und Münzen, wie auch das nachfolgend beschriebene Buchgeld sind in unserem heutigen Geldsystem durch "Nichts" gedeckt. Die manchmal in der Literatur erwähnte Deckung durch die "Volkswirtschaft" ist nur eine vorgetäuschte Deckung, die in der Wirklichkeit nicht existiert. Hingegen besteht teilweise eine indirekte Deckung durch die hinterlegten Sicherheiten bei der Kreditgewährung. Banknoten und Münzen sind jedoch die einzigen "gesetzlichen Zahlungsmittel", dass heißt, ein Gläubiger muss diese Münzen und Banknoten zur Begleichung einer Schuld annehmen."

Die Erläuterungen hatte ich vor etwa 2 Wochen hinzugefügt und sind von Dir offensichtlich noch nicht bemerkt worden. :D Auch bei den Ursprungstheorien habe ich noch einen Satz ergänzt
  • heutiges Geld entsteht nur noch als Schuldgeld (Das Thema Schuldgeld wird erst später beschrieben)

Bei der indirekten Besicherung gehe ich von Folgendem aus:
Betreibt eine Bank ihr Geschäft als ehrliches Handwerk, d. h. ohne großes Risiko bei der Kreditvergabe, dann besitzt die Bank auch für jeden Kredit eine ausreichende Hinterlegung. Früher (1980) waren dies wohl bei Grundschulden eine Beleihung bis maximal 60 % des Hauswertes. Würde nun diese Bank beschließen ihre Geschäfte einzustellen, bestünden für Forderungen der Handwerker, welche das Haus errichtet haben, eine Absicherung durch die belasteten Grundstücke. Es bestünde lediglich ein  Fristenproblem. Anders sieht es jedoch aus, wenn Häuser zu 100% belastet werden und die Wertermittlung auch noch total überzogen ist, wie dies in Amerika der Fall war. Dann entsteht auch nach Heinsohn /Steiger ein Problem, es wird "Willkürgeld oder Falschgeld", d. h. ungedecktes Geld geschaffen. Nun folge ich jedoch nicht der Idee von Heinsohn/Steiger, dass historisch belegt zuerst die Schulden existierten und aus diesen dann Geld als handelbare Schuldscheine entstanden. Meine Sicht dazu habe ich im Artikel Eigentumsökonomie dargelegt.

Den Beweis, das die Schulden vor dem Geld entstanden, tritt Paul C. Martin im ehemaligen JüKü-Board an, abgedruckt im Buch Umbruch, in ökonomischer Theorie und Wirklichkeit , PDF Seite 39.

Dass dies auch der real abgelaufenen Geschichte entsprochen haben
muss, kann ich mit Hilfe des von mir entdeckten Tontäfelchens
(altbabylonisch ca. 1900 bis 1700 B.C.) beweisen. Auf dem Täfelchen,
übersetzt von Experten der Yale University, steht zu lesen:


"Zalilum schuldet Nanna 6 Shekel Silber. Als Sicherheit dienen 5
Äcker Land, die im Eigentum des Kaufmanns Agaya sind, der das
Land für die Rückzahlung des Silbers verpfändet. Sobald Zalilum das
Silber zurückgibt, wird die Verpfändung des Landes des Agaya
aufgehoben. Bis Zalilum das Silber zurückgibt darf Agaya den "miksu"
behalten (miksu = Ertrag von Feldern). Zeugen sind Sindata,
Mannum-girrishu und Silii-Eshtar, die zum Beweis ihres Zeugnisses
ihre Siegel abrollen. Im VII. Monat des Jahres (unleserlich)."


Der Kaufmann Agaya ist also der berühmte X, der aus einer Schuld
zwischen Nanna (A) und Zalilum (B) einen umlauffähigen Titel macht,
also Geld.
Und damit ist der Unterschied zwischen Schulden und Geld bzw. Geld
und Schulden völlig klar erklärt.


Um den Inhalt zu erfassen musste ich schon ein wenig kauen. Meine Auslegung:

Wir haben Zalium, welcher von Nanna 6 Shekel Silber erhält oder bereits erhalten hat.
Der Kaufmann Agaya tritt als Bürge für das Darlehen auf und verpfändet 5 Äcker seines  Landes.
Zahlt Zalium an Nanna die 6 Shekel Silber zurück, so wird die Verpfändung von Agaya's Land aufgehoben.
Während der Pfandzeit steht  Agaya die volle Nutzung seines Landes weiter zu.

Es war also zuerst Geld in Form von 6 Shekel Silber da. (in diesem Fall wohl noch Warengeld)
Danach wurde durch den Bürgen " Kaufmann Agaya" das Darlehen abgesichert. Wo denn jetzt ein umlauffähiger Titel entstanden sein soll, kann ich nicht sehen. Jedenfalls waren die 6 Shekel Silber als Geld zuerst da und keinesfalls umgekehrt. So einfach wird aus der Aussage auf einer Tontafel ein "Beweis" konstruiert, dessen Qualität wohl jedem Leser einleuchtet. :-[

Vorerst bleibe ich mal bei der Bezeichnung einer "indirekten Deckung" bei der Entstehung von Geld, basierend auf einer Hinterlegung von Eigentum. Hier wäre auch die Entstehung von Geld in den nachsozialistischen Ostblockstaaten näher zu beachten, da diese ja auch Geld hatten, was jedoch erst im Laufe der Zeit mit Eigentum besichert werden konnte.

Zitat von: Matthias link=topic=16.msg1661#msg1661 date=1353946304 :-[ :-[
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Ich meine den Kapitalismus in all seinen Erscheinungsformen in den vergangenen 5000 Jahren. Genau so, wie Graebers Buch auch nichts anderes ist, als eine Geschichte des Kapitalismus von seinen Anfängen bis heute. Ich fürchte leider, dass du das Buch gar nicht ganz gelesen hast ...


Zum Buch "Schulden, die ersten 5000 Jahre" von David Graeber meine Meinung:
Entgegen Deiner Annahme habe ich das "grandiose" Buch von David Graeber ganz gelesen, teile jedoch Deine Wertschätzung für das Werk nicht. Es ist gut, flüssig und unterhaltsam geschrieben, erfüllt jedoch den wissenschaftlichen Anspruch, welche die Aufzählung von extrem vielen wissenschaftlichen Quellen suggeriert, nicht. Ich muss jedoch gestehen, dass auch viele Passagen des Buches meine volle Zustimmung fanden.

Bereits vorher hatte ich einmal ausgeführt:
Zitat
Die m. E. vorhandenen Widersprüche in den jeweiligen Theorien oder aber Geschichtsklitterungen möchte ich nun nicht auflösen, da es einfach zu zeitaufwendig ist und nichts bringt.


Trotzdem möchte ich an einem Beispiel meine eher abwertende Einschätzung des Buches begründen.

Graeber schreibt:
"Der ehrenwerte islamische Händler tätigte seine Geschäfte auf einem Markt, welcher keiner unmittelbaren staatlichen Aufsicht unterstand. Verträge wurden zwischen Einzelpersonen – im Idealfall „per Handschlag und mit zum Himmel erhobenen  Blick“ - , so dass Ehre und Kredit weitgehend miteinander verschmolzen, geschlossen.
Ein erbarmungsloser Wettbewerb ist nur möglich, wenn es jemand gibt, der in den Markt eingreift und die Marktteilnehmer davon abhält, einander im Wettbewerb tatsächlich zu vernichten."


einige Seiten weiter

"Wie wir am Beispiel des mittelalterlichen Islam gesehen haben, kann auf einem wirklich freien Markt, der vom Staat praktisch nicht behelligt wird (und sei es nur zur Durchsetzung geschäftlicher Vertragsverpflichtungen), kein unbarmherziger Wettbewerb entstehen, und unter diesen Bedingungen ist es unmöglich, Zinsen auf Kredite zu erheben."


Hier schlägt sicher seine Herkunft als Völkerkundler und Anarchist durch. Also ist der Staat und mit ihm das Schuldensystem an allem Schuld. Also brauchen wir doch nur noch den Staat abzuschaffen und alles wird gut? Die Schlussfolgerungen seines Buches standen m. E. von vorne herein fest und mussten nur noch mit handverlesenen weltweiten Zutaten "belegt" werden.

Ne Matthias, mit Graebers Buch werde ich mich jetzt nicht weiter beschäftigen.

Zitat
Und damit meine ich eine technisch saubere Erklärung, kein Ökonomen-Blabla von "Geldschleier" und "Geldmengen" und "Preisen, die über den Markt fliegen" oder sonstige Esoterik!  ;D


Die "einzigartige technisch saubere Erklärung" gibt es m. E. nicht. Man kann auch mehrere Erklärungen nebeneinander stehen lassen, aber auch das hatten wir bereits ein paar mal.  ;)

Zitat
Die "Sichtweise" von Gesellschaften war noch nie maßgebend. Es ging immer einzig und nur darum, wer etwas festlegen legen darf und was er festlegt (und wie das den Menschen verklickert wird - und das wird uns bis heute von einer  "Wissenschaft" vorgesetzt) ...

Wenn im Wiki über die Geschichte der Entstehung der Bank von England berichtet wird, halte ich es für erforderlich, auch die damalige Sichtweise über Geld mit zu erläutern.


Zitat
... bestand damals die Möglichkeit aus einem Klumpen Gold eine entsprechende Anzahl Münzen prägen zu lassen.


Und dieses Gold hat nichts gekostet? Lag es irgendwo nutzlos rum, oder hatte es gar keinen Wert (was dann wiederum wenig Sinn machen würde ...)?

Aus einem Klumpen Gold wurde Geld und damit ein Schuldschein, ohne jegliche Besicherung?


Oh je, Rudi! Wie kommst du darauf, dass ein Schuldschein nicht besichert ist, wenn ich in meinem Post ausführlichst versucht habe, darzulegen, dass die Forderung plus Zusicherung der Vollstreckung (= rechtlicher Rahmen) eine genauso perfekte Besicherung darstellen? Das war es doch, was ich mit dem Vertrag zum Ausdruck bringen wollte. Die vertragliche Zusicherung eines wertvollen Eigentumstitels muss ich doch auch nicht zusätzlich mit Gold "besichern". Wozu denn?


Einmal behauptest Du, das ein Goldklumpem kein Schuldschein sei.
selbstverständlich meint Graeber mit dem "Goldklumpen" eine Goldmünze in seiner Funktion als GZ. Darum geht es ja in diesem Abschnitt. Natürlich ist damit kein Bröckchen Gold gemeint, denn wie sollte das ein Schuldschein sein?!?!?

In England konnte man zu Zeiten des Free Coinage Acts aus Gold Münzen prägen lassen, für mich logischerweise aus einem Stoff der keinen Schuldschein darstellt Geld prägen welches einen Schuldschein darstellt.

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Aber mal im Ernst: Verstehst du nicht, dass es genau darum geht? Man kann es eben nicht mehr als Meinung ansehen, sondern mittlerweile als Gewissheit, weil stichhaltig belegbar und überprüfbar, dass jedes Geld, auch sog. "Warengeld", immer nur durch Verschuldung entsteht und entstanden ist. Das ist die Quintessenz: Ohne Schulden, kein Kapitalismus, kein kapitalistisches Geld. Leider ...
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Danach entsteht dann jedes Geld, auch Warengeld, also zum Beispiel Getreide,  immer nur durch Verschuldung?
Die Diskussion über Gold, Silber, Warengeld usw. möchte ich hiermit beenden, da wir uns ja doch nur im Kreis drehen. Es liegt nicht an Deiner Erklärung. Diese ist für mich nachvollziehbar, jedoch teile ich Deine Auffassung nicht, dass dies eine "Gewissheit, weil stichhaltig belegbar und überprüfbar", ist. Eine These , ja. Auch muss ich zugeben, dass ich erst durch Heinsohn/Steiger, Martin und Graeber zu vielen Erkenntnissen gelangt bin, wenn auch erst indirekt, indem ich eine Behauptung auf ihren Wahrheitsgehalt untersucht habe.

Zum Ende stellt sich dann die Frage, ob wir uns weiter über verschiedene Auswirkungen der kapitalistischen Wirtschaftsform unterhalten können, ohne die o.g. Gewissheit über die Herleitung zu bemühen?

Grüße aus der Eifel.

Rudi
« Letzte Änderung: 28. November 2012, 16:04:40 von Admin »

Matthias

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Re: Was ist Geld?
« Antwort #74 am: 30. November 2012, 08:50:31 »

Hallo Rudi,

viele, viele Missverständnisse. Ich frage mich langsam, ob Sprache wirklich zur Kommunikation geeignet ist. Egal ...

Na, vielleicht kehrst du ja irgendwann wieder auf diesen Weg zurück und dann stehe ich dir gerne zur Verfügung. Wie gesagt, das andere kenne ich alles schon ...
Danke für dieses großzügige Angebot. >:(

Mal vorneweg: Du sollst nicht irgendwelche Dinge ungeprüft übernehmen (sprich meine Infos, die ich mir wiederum mühsam irgendwo zusammen suche), aber dein ewiger Verweis auf die "ökonomischen Wissenschaften" nervt insofern, als du dann auch imstande sein müsstest, Dinge schlüssig zu erklären. Das kannst du aber nicht! Ich behaupte - schon lange -, dass du diese Erklärungen gar nicht geben kannst, weil sie die "ökonomischen Wissenschaften" nicht liefern. Das ist keine "Ansicht" sondern lässt sich anhand unzähliger Beispiele belegen. Immer wenn es konkret wird, wenn's ans Eingemachte geht, flüchten sich die "Ökonomen" in Allgemeinplätze und Blabla. Fertig.
Was die ganze Sache zudem extrem kompliziert macht ist, dass du ganz offensichtlich über wenig wirtschaftliche Kenntnisse verfügst. Grundlegendste Dinge sind für dich ein Buch mit sieben Siegeln. Das ist nicht schlimm, aber es ist anstrengend, immer wieder auf den Käse, den die meisten schon hinter sich haben (durch die Auseinandersetzung mit der "ökonomischen Lehre"), eingehen zu müssen.

 - zu Heinsohn/Steiger:
Lass das erst mal liegen, hab ich schon mal empfohlen, weil sehr theoretisch. Da ist jeder Diskussionsfaden im Gelben hilfreicher, denn die haben unzählige Fragen schon durchgekaut, und man muss solches hier nicht noch einmal bis ins Detail wiederholen.

 - zu den Tontafeln:
Du suchst dir auch immer Sachen raus, die erstmal noch viel zu kompliziert sind. Aus dem Zusammenhang schließe ich, dass jemand wieder einmal (  ;D ) dem "dottore" etwas um die Ohren gehauen hat, nämlich die Tatsache, dass einfache Schuldbeziehungen - A schuldet B - nicht zu vergleichen sind mit einer heutigen Banknote. Es geht also um "zentralbankfähige Titel", sprich die Frage: gibt es mit heute vergleichbare Konstrukte schon damals.
Um den Inhalt zu erfassen musste ich schon ein wenig kauen.
Deine Analyse ist tw. richtig und tw. falsch. Das lassen wir jetzt aber mal sein, denn das gesamte Thema Mesopotamien, Tontafeln, Schekel sollte man ausführlicher behandeln. Jetzt zu aufwändig.
Die Vorgehensweise: du erklärst, wie du es verstehst, ist genau das, was Sinn macht. Und so sollten wir es auch zukünftig halten.

 - DENN:
Ich bin etwas irritiert, was du eigentlich überhaupt verstanden hast, ob du es überhaupt jemals einigermaßen verstanden hast, oder ob dich die Auseinandersetzung mit "VWL", Papiergeld etc. vollends durcheinander gebracht hat. Ich habe den Eindruck, du hast total die Peilung verloren.
Bevor wir ganz weit zurück gehen (historisch) müssen wir leider zu "Unserem Geldsystem" zurück kehren. Manches was ich geschrieben habe war nicht falsch, aber insgesamt stimmt das so nicht ...
Nun muss ich wissen, wie du darauf kommst, dass heutiges Geld durch NICHTS gedeckt ist. Denn diese Aussage ist falsch! Dass hinter der ganzen Geschichte ein windiger Trick steckt, ist ne andere Sache. Die Aussage ist so nicht richtig! Kannst du mir das bitte erklären? Bitte in möglichst einfachen Worten ...


 - Abschließend zu Graeber:
In dem Buch sind unglaubliche Perlen zu finden. Ich habe mich zuvor durchs alte EWF-Forum gewühlt und mühsam Wissensbrocken gesammelt und war sehr froh über diesen unglaublichen Reichtum an Quellen. Wenn dich seine Ansichten oder Schlussfolgerungen stören, ignoriere sie halt einfach.
Hier schlägt sicher seine Herkunft als Völkerkundler und Anarchist durch.
Seine Herkunft ist Kanada und als Völkerkundler oder Anarchist wird man nicht geboren. Jeder Mensch bildet sich eine Meinung aufgrund von Wissen und Lebenserfahrungen. Jeder Mensch hat seine Meinung und er hat ein Recht dazu. Warum soll man das jemandem nicht zugestehen? (Noch) darf man sagen, was man denkt ...
Also ist der Staat und mit ihm das Schuldensystem an allem Schuld.
Seiner Ansicht nach spricht wohl einiges dafür; man muss diese ja nicht teilen.
Also brauchen wir doch nur noch den Staat abzuschaffen und alles wird gut?
Zumindest die zentrale Frage, ob Macht nicht immer wieder missbraucht wird und die Welt ins Elend stürzt, scheint mir beim Studium der Geschichte und der erlebten Realität eine berechtigte zu sein.
Die Schlussfolgerungen seines Buches standen m. E. von vorne herein fest und mussten nur noch mit handverlesenen weltweiten Zutaten "belegt" werden.
Nochmals: Wenn sie dir Schmerzen bereiten, ignoriere sie.

Lassen wir es aber dabei bewenden, wir sollten nicht über Ansichten diskutieren. Das hieße, sich vollends zu verzetteln.


Und deshalb abschließend die Bitte: Beschränke dich bei einer Antwort auf die oben gestellte Frage zum nichtgedeckten Geld.
Dann sehen wie weiter ...


Bis denne,

Matthias


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If you have an apple and I have an apple and we exchange these apples then you and I will still each have one apple. But if you have an idea and I have an idea and we exchange these ideas, then each of us will have two ideas.
  --  George Bernard Shaw