Autor Thema: Geldschöpfung 2.0  (Gelesen 13125 mal)

Mumken

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Geldschöpfung 2.0
« am: 26. Mai 2014, 10:13:53 »
Mit Geldschöpfung 2.0 soll ein Versuch unternommen werden, die vielen Erklärungsversuche im Netz mit Pro und Kontra zur Schöpfung von Geld aus dem Nichts gegenüber zu stellen, sowie zu einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem Thema zu gelangen. Polarisierungen bringen absolut nichts, sondern kosten nur Zeit und führen zu falschen Schlussfolgerungen.

Das Thema Geldschöpfung der Geschäftsbanken wird immer wieder andiskutiert, findet jedoch nie zu einem befriedigenden Ergebnis. In vielen Foren werden dazu Diskussionen geführt, die teilweise bis zu persönlichen Beleidigungen führen, ohne zu einer allgemein akzeptablen Schlussfolgerung zu gelangen. Auch eine Gegenüberstellung von herausgearbeiteten gegensätzlichen Standpunkten erfolgt nicht. Die Situation in einschlägigen Mailinglisten zum Geldsystem ist ähnlich.

Geldbegriff
Wenn von Geldschöpfung gesprochen wird, ist zuerst die Einigung auf einen gemeinsamen Begriff von Geld bzw. der vorhandenen Geldmenge erforderlich. Hierzu die Bundesbank in ihrem „Schülerbuch, Geld und Geldpolitik, 2012, Seite 69“

Zitat
Die Geldmenge lässt sich nicht eindeutig definieren
Da die Übergänge zwischen den unterschiedlichen Einlegearten und kurzfristigen Finanzinstrumenten fließend sind, lässt sich die Geldmenge nicht eindeutig definieren. Letztlich hängt es beispielsweise von der Fragestellung der Untersuchung ab, welche Einlegearten man zum Geld rechnet und welche nicht bzw. welche Geldmenge man in der Untersuchung verwendet. Vor diesem Hintergrund haben andere Länder ihre Geldmengen nach anderen Kriterien definiert, beispielsweise die Schweiz und die USA.

In der praktischen Geldpolitik steht in der Regel derjenige Geldmengenbegriff im Vordergrund, der zur Erfüllung der geldpolitischen Ziele am besten geeignet erscheint. Für das auf Preisstabilität verpflichtete Eurosystem steht die weit abgegrenzte Geldmenge M3 im Vordergrund seiner monetären Lageeinschätzung.

Eine allgemeingültige Definition existiert also nicht und die Geldmengenbegriffe der EZB dienen vordergründig geldpolitischen Zielen.

Bankbetrieb
Das Stichwort Geldmenge suchte ich in einem führenden Fachbuch der Bankbetriebslehre „Wirtschaftslehre des Kreditwesens, Grill/Perczynski, 47. Auflage“ vergebens. Ein anderes Fachbuch, Bankbetriebslehre, Becker/Peppmeyer, 8. Auflage,  widmet diesem Thema genau eine halbe Buchseite (Seit 74 unten) und wiederholt im Wesentlichen die o.g. Aussage der Bundesbank. Die Geldmengendefinition ist also für den Bankbetrieb ohne Belang, d. h. diese Begriffe sind nur in der Volkswirtschaft von Bedeutung. Bei der Frage der Geldschöpfung muss man demnach auch unterscheiden, ob im betriebswirtschaftlichen Sinn die Geldschöpfung einer Geschäftsbank untersucht werden soll oder aber im volkswirtschaftlichen Sinn die Geldschöpfung des gesamten Bankensystems, bezogen auf die Geldmengenbegriffe der EZB.

Geschäftsbanken können Buchgeld auf zwei Wegen schöpfen und zwar
  • durch Kreditgewährung der Bank an einen Kunden
  • durch Ankauf von Aktiva durch die Bank, z. B. Gebäude, Wertpapiere oder andere Güter

Betrachtet man nur die direkt kaufkraftfähige Geldmenge M1 als Geld, entsteht eine dritte Möglichkeit durch die Umwandlung von Spar- und Termineinlagen in Sichteinlagen. Bei der Beschränkung auf M1 entsteht Geld durch Umschichten von längerfristig angelegtem Geld in sofort verfügbares Geld. Mit dieser Funktion kann nun aber keine sinnvolle Aussage über die Geldschöpfungsmöglichkeit einer Geschäftsbank getroffen werden. Auch hat die Bank wenig Einflussmöglichkeiten auf das Handeln der Kunden, welche mit einer Umwandlung ja „Geld“ schöpfen können. Es erscheint deshalb zweckmäßig, die Möglichkeit der Umwandlung unberücksichtigt zu lassen, d. h. davon auszugehen, dass Geldschöpfung für diese Untersuchung nur durch die beiden o. g. Vorgänge entsteht. Bei beiden Vorgängen verschuldet sich die Bank gegenüber ihrem Kunden, jedoch tritt eine Verschuldung des Kunden gegenüber der Bank nur bei einer Kreditgewährung ein.

Der buchungstechnische Vorgang der Geldschöpfung dürfte hier allgemein bekannt sein. Betrachtet man diesen Vorgang isoliert von anderen, könnte man von einer Geldschöpfung aus dem Nichts sprechen. Mit der Geldschöpfung werden zwangsläufig aber noch andere Ereignisse innerhalb der Bank ausgelöst.

Als Reaktion auf die Geldschöpfung wird der betroffene Kunde höchstwahrscheinlich
  • eine Bargeldabhebung vornehmen,
  • eine Überweisung zu einem Kunden bei einer anderen Bank tätigen,
  • eine Überweisung zu einem Kunden bei der eigenen Bank vornehmen.
Abhängig vom Kundenhandeln muss die Bank reagieren.
Im ersten Fall muss sie sich Bargeld besorgen. Dies kann über die Zentralbank oder aber durch Hereinnahme von Bargeld durch Kunden geschehen.

Wird eine Überweisung an eine andere Bank getätigt, so ist grundsätzlich entweder Zentralbank-Buchgeld erforderlich, falls sich im Wege von Clearing und Settlement nicht ein Ausgleich schaffen lässt, oder aber es muss bei der anderen Bank ein Kredit aufgenommen werden. Wie aus den konsolidierten Bilanzen der Bundesbank/EZB ablesbar, hat der Handel unter Banken eine erstaunliche Größenordnung angenommen. Bei einer Bilanzsumme der MFIs in Deutschland von 7,5 Billionen € beträgt der Interbankenhandel (ohne Bundesbank) 2,1 Billionen €. Dieser besteht zu ¾ aus Buchkrediten und ¼ an Wertpapieren (Stand März 2014, Monatsberichte der Deutschen Bundesbank).

Benutzt der Kunde sein Giroguthaben zur Überweisung an einen Kunden bei derselben Bank, muss die Bank lediglich eine Umbuchung von "Verbindlichkeiten gegenüber Kunden" vornehmen.

Da die Kunden der Bank unterschiedliche Möglichkeiten besitzen ihre Sichtguthaben in Anspruch zu nehmen, kann m. E. keine seriöse Aussage über die Geldschöpfungskapazität der Banken getroffen werden, da sie das Vorgehen des Kunden kaum beeinflussen kann. Jede dieser Möglichkeiten müsste einzeln untersucht und quantitativ bewertet werden. In den Bilanzen der Banken sind hierzu jedoch keine verwendbaren Zahlen enthalten, so dass eine Untersuchung bereits an dieser Stelle scheitert.

Kann man aus den konsolidierten Bilanzen der MFIs noch auf anderem Wege zu einer Aussage über die Geldschöpfung des gesamten Bankensystems kommen? Aus den Zeitreihen der Bundesbank lässt sich die Entwicklung der Geldmengen wie auch der einzelnen konsolidierten Bilanzpositionen der MFIs entnehmen. (Fortsetzung folgt)

Beste Grüße
Rudi
« Letzte Änderung: 09. September 2014, 04:55:42 von Mumken »

Mumken

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Clearing
« Antwort #1 am: 17. Oktober 2014, 15:49:59 »
Zum Thema Geldschöpfung passt auch eine Erklärung des Clearings. Im "Gelben Forum"
http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=325608
führt "Liated mi Lefuet" hierzu aus: (Inhalt etwas verkürzt wiedergegeben)





Die Funktionsweise der Matrix mit ZB wird im gelben Forum umfangreich erklärt, obwohl mir Sinn und Zweck dieser Übung nicht einleuchten.

Die Zahlen in eine einfache Excel-Tabelle eintragen und ich habe gleich alle erforderlichen Ergebnisse.



C zahlt 8 GE  und  B erhält 7 GE sowie A 1 GE.

An einem ausführlicheren Beispiel wird dies unter Bargeldlose Zahlungen dargestellt
Die Zusammenhänge  kann man natürlich auch noch viel komplizierter darstellen, nur weshalb?

Beste Grüße
Rudi
« Letzte Änderung: 17. Oktober 2014, 16:18:43 von Mumken »

HannsGschaft

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Re: Geldschöpfung 2.0
« Antwort #2 am: 09. November 2014, 15:25:48 »
Hallo Rudi

Du fragst: "Die Zusammenhänge  kann man natürlich auch noch viel komplizierter darstellen, nur weshalb?"

Es liegt wohl an der häufig anzutreffenden menschlichen Schwäche, das Wichtige einer Aussage in wenige Worte/Gedanken zusammen zu fassen. Das dürfte zumindest für den "Normalbürger" zutreffen.
Darüber hinaus gibt es allerdings auch eine Spezies, die gezielt mit einem Wortschwall das Wesentliche so umschreiben, dass es nur mehr mit Mühe verstanden wird. Das nennt man wohl "Intelektuell".

Salut

Mumken

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Re: Geldschöpfung 2.0
« Antwort #3 am: 02. Februar 2015, 14:47:56 »
Hallo Markus,

gehe davon aus, dass die komplizierte Erklärung nicht bewusst gewählt wurde, sondern weil man überzeugt war, die einzig richtige mathematische Herleitung anbieten zu können.

Meine Excel-Lösung ist hingegen eine Mathematik für Dummies. Jeder versteht sie zwar, aber dennoch fehlt ihr die Eleganz und das Staunen einer nichtverstehenden Leserschaft. "Liated mi Lefuet" vom Gelben Forum führte hierzu aus, dass diese Erklärung von einer Münchener Hochschule stamme. Nur was mathematisch gut verkleidet wird wirkt auch seriös.

Beste Grüße
Rudi

Mumken

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Buchgeldschöpfung / Buchgeldvernichtung
« Antwort #4 am: 21. Februar 2015, 12:33:17 »
Besonders von Vollgeldunterstützern wird die „ungehemmte Buchgeldschöpfung der Geschäftsbanken" angeprangert. Es wird der Eindruck vermittelt, dass die Geschäftsbanken damit Geldblasen/Inflation erzeugen. Anhand von Buchungssätzen wird „nachgewiesen“, dass mit jeder Krediterteilung auch neues Geschäftsbanken-Buchgeld aus dem Nichts geschöpft wird. Bei isolierter Betrachtung des Buchungsvorgangs in einer Bank kann man diese Aussage nachvollziehen. Einem Kreditkunden wird eine Kredit über 1.000 € gewährt und sein Kreditkonto mit diesem Betrag belastet. Gleichzeitig erhält er eine Gutschrift über 1.000 € auf seinem Girokonto.

Es stellt sich nun die Frage, ob die Buchgeldschöpfung mit dem Buchungssatz ausreichend beschrieben wird. Ich meine nein, da neben den Forderungen nach Eigenkapital, Liquidität und Sicherheiten ein sehr wichtiger Gesichtspunkt fehlt. Wie wird die Rückzahlung eines Kredits berücksichtigt?

Eine Bank erteilt jeden Monat einen Kredit über 10.000 € mit einer Laufzeit von 1 Jahr. Am Ende des ersten Jahres ist sie somit Buchgeld in Höhe von 120.000 € geschaffen worden. Im ersten Monat des Folgejahres erfolgt bereits eine Tilgung in Höhe von 10.000 €. Die Kreditnehmer verfügen jetzt nur noch über Buchgeld in Höhe von insgesamt 110.000 €. 
Ohne neue Kredite wäre dieser Buchgeldbestand nach einem weiteren Jahr auf 0 € gesunken. Nur um diesen Buchgeldbestand zu erhalten muss die Bank somit weiterhin jeden Monat je einen neuen Kredit über 10.000 €, mit einer Laufzeit von 1 Jahr erteilen. Im ersten Jahr hat die Bank tatsächlich neues Buchgeld geschaffen und zwar 120.000 €. In den Folgejahren hebt sich jedoch die Neukreditschöpfung von je 120.000 € durch die ebenfalls erfolgte Tilgung von jeweils 120.000 € auf. Es wird nur der ursprüngliche Buchgeldbestand vom Ende des ersten Jahres gehalten. 

Nun kann man einwenden, dass die o. g. Annahmen unrealistisch seien, da ja viele Kredite eine bedeutend längere Laufzeit haben. Belastbares Zahlenmaterial zur Neukreditvergabe ist nicht so ganz einfach zu finden. Die Österreichische Nationalbank veröffentlichte am 31. August 2010 einen Presseartikel :
http://www.oenb.at/dms/oenb/Presse/Pressearchiv/2010/_20100831.pdf

Kreditmonitor: Neukredite an Private erreichten im Juni neuen Höchstwert
Untertitel: Entwicklung der Kredite an inländische Nichtbanken im Juni 2010

In diesem Presseartikel sind Tabellen sowohl mit Bestandszahlen wie auch mit den  monatlichen Neukrediten aufgeführt. Der Bestand an Krediten betrug im Juni 2009 308,8 Mrd € und 1 Jahr später 315,5 Mrd €. Die Addition der in diesem Zeitraum ausgereichten Neukredite beläuft sich auf 112,6 Mrd €.

Hieraus lässt sich folgender Zusammenhang ableiten.

Zum Anfangskreditbestand von 308,8 Mrd € kamen Neukredite in Höhe von 112,6 Mrd € hinzu. Im gleichen Zeitraum wurden jedoch auch Kredite in Höhe von 105,9 Mrd € zurückgezahlt. Somit ergibt sich eine Kreditbestand zum Juni 2010 von 315,5 Mrd €. Der Kreditbestand  hat sich bei einer Neukreditaufnahme von 112,6 Mrd € nur um 6,7 Mrd € erhöht.

Daraus ergibt sich eine Netto-Kreditzunahme von 6 % auf jeden neu erteilten Kredit. Andersherum ausgedrückt, 94 % eines jeden Kredits dienen nur zur Aufrechterhaltung des vorhandenen Kreditbestandes. Der Nachweis, dass mit jeder Krediterteilung auch neues Geschäftsbanken-Buchgeld aus dem Nichts geschöpft wird, ist folglich misslungen, da wichtige Zusammenhänge schlicht "unterschlagen" wurden.

Anmerk.: Ähnliche Zahlen wie von der OeNB lassen sich auch aus der Statistik der Deutschen Bundesbank
„Zinssätze und Volumina für die Bestände und das Neugeschäft der deutschen Banken (MFIs)“
ermitteln. Dort sind die Zahlen jedoch über mehrere Tabellen verstreut und lassen sich nicht so einfach zusammenzählen.

Beste Grüße
Rudi