Das Geldrätsel: Wicksellsche Idealbank

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Die Idealbank nach Wicksell

Das Modell der "Idealbank" zur Diskussion grundlegender Funktionen unseres Geldsystems wurde von dem schwedischen Ökonomen Knut Wicksell erstmals angewandt. Dabei ging er davon aus, dass in einem Land nur eine Bank existiert. Sämtliche Zahlungen werden bargeldlos getätigt. Dieses Modell wird in vielen Sach- und Fachbüchern an den Anfang der Überlegungen zur Entstehung von Buchgeld gestellt. So auch von Erich Schneider „Einführung in die Wirtschaftstheorie“, II Kapitel, „Geldschöpfung und Geldvernichtung“, 1952. Sämtliche Zahlungsmittel in der Volkswirtschaft werden ausschließlich in Form von Guthaben bei der „Idealbank“ gehalten. Zahlungen erfolgen lediglich durch Umschreibungen auf den Kontenblättern. Einige Ausgangspunkte der Geldschöpfung und Liquidität lassen sich an diesem Modell gut aufzeigen.

Grundsätzlich können Geschäfte auch ohne Banken auf rein privater Ebene abgewickelt werden. Nachfolgend das Beispiel einer rein privaten Geschäftsabwicklung, in welche schließlich als dritter Partner eine Bank eingeschaltet wird

Benno kauft Waren von Anton

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und muss diese natürlich auch bezahlen. Sobald die Waren geliefert sind, hat Anton einen Anspruch auf Geld in Höhe des Kaufpreises. Benno schuldet Anton Geld. Benno ist Schuldner und Anton ist Gläubiger. Hat Benno das Bargeld in seiner Kasse und zahlt bar, ist damit das Geschäft abgeschlossen. Im Land der Wicksellschen Idealbank existiert aber kein Bargeld sondern nur "Buchgeld". Da dieses Buchgeld nur von der Idealbank erzeugt werden kann, muss diese auch an dem Geschäft beteiligt werden.

In die direkte Gläubiger- Schuldnerbeziehung kommt also als dritter Partner die Idealbank hinzu. Sie ist gleichzeitig neuer Schuldner für Anton und neuer Gläubiger für Benno. Sofern Benno über ein entsprechendes Bankguthaben verfügt, kann die Bezahlung bargeldlos mit einer Überweisung erfolgen. Das Buchgeld existiert nur in der Idealbank und wird dort von einem Konto auf ein anderes Konto umgeschrieben. Aber wie entsteht dieses Buchgeld? Es kann ja nicht einfach nur vorhanden sein.

Buchgeldschöpfung

Das Buchgeld der Idealbank kann auf unterschiedliche Art und Weise entstehen,

  • durch Kreditgewährung der Bank an einen Kunden
  • durch Ankauf von Aktiva durch die Bank, z. B. Gebäude, Wertpapiere oder andere Güter

Buchgeldschöpfung durch Kreditgewährung

Benno benötigt Buchgeld

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zur Zahlung seiner Waren an Anton. Die Bank gewährt Benno einen Kredit über 15.000 €. Im Kreditvorgang stellt sie Benno „Buchgeld“ zur Verfügung (für die Bank eine "Verbindlichkeit gegenüber Kunden") und verzeichnet auch gleichzeitig eine Schuld Bennos (für die Bank eine "Forderung an Kunden").

Es sind zwei Schuldverhältnisse neu entstanden. Zum einen schuldet die Bank Benno 15.000 €. Dies wird durch das entstandene "Sichtguthaben" auf seinem Konto dokumentiert. Zum anderen aber schuldet auch Benno der Bank 15.000 €. Auf seinem Kreditkonto wird dieser Betrag als Schuld aufgeführt.

Ein sehr wichtiger Unterschied zwischen diesen zwei Bilanzposten wird aus der Bilanz jedoch nicht ersichtlich. Die Terminierung. Die Verpflichtung der Bank gegenüber Benno, Bennos Bankguthaben, ist sofort fällig. Benno kann dieses Geld noch heute abrufen. Die Gegenposition, Bennos Kredit, ist hingegen mit einer Laufzeit von z. B. einem Jahr versehen. Erst diese Termindifferenz ist grundlegend für einen Kredit und bildet auch den ausschlaggebenden Faktor bei der Betrachtung der Zahlungsfähigkeit einer Bank. Die Kreditzins fußt ebenfalls auf dieser Termindifferenz.

Buchgeldschöpfung durch Ankauf von Aktiva

Als Aktiva bezeichnet

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man das Vermögen oder den Besitz eines Unternehmens. Die Idealbank kauft von Anton ein Rechnersystem, mit welchem sie künftig ihre Kontenbewegungen einfacher durchführen und dokumentieren kann. Sie bezahlt Anton mit selbstgeschöpftem Buchgeld. Auf Antons Konto werden 20.000 € gebucht.

Im Gegensatz zur vorherigen Kreditgewährung entsteht hier kein neues Schuldverhältnis des Kunden gegenüber der Bank. Anton erhält Zahlungsmittel von der Bank, ohne jegliche Verpflichtung für die Zukunft. Seine "Gegenleistung" hat er bereits mit der Lieferung des Rechnersystems erbracht.

In den beiden vorgenannten Beispielen hat die Bank Zahlungsmittel neu geschaffen. Die Zahlungsmittelmenge hat sich erhöht; in der Bankbilanz ist eine "Mehrung" oder "Verlängerung" eingetreten.


Ist Buchgeld Geld?

Ist es gerechtfertigt, die in den Kontenbüchern der Idealbank aufgezeichneten Zahlen als "Geld" zu bezeichnen? Eine Zahl bei den "Verbindlichkeiten gegenüber Kunden" bedeutet doch, dass die Bank in Höhe dieser Zahl Schulden bei dem Kunden hat. Umgekehrt bedeutet ein Eintrag bei den "Forderungen an Kunden", dass ein Kunde Schulden bei der Bank hat. Es werden nur Schulden und Guthaben (bzw. Forderungen und Verbindlichkeiten), in die "Kontenbüchern" eingetragen. Bei den Giroguthaben (auch Sichtguthaben genannt) über "Forderungen an die Bank" zu sprechen kommt deshalb dem banktechnischen Sachverhalt bedeutend näher als die Verwendung der Bezeichnung "Buchgeld" oder "Giralgeld".

Zur Unterscheidung von "Sichteinlagen bei der Zentralbank" von den Giroguthaben bei Geschäftsbanken werden nachfolgend auch die Bezeichnungen "Geschäftsbanken-Buchgeld" bzw. "Zentralbank-Buchgeld"[1] benutzt, falls Verwechslungen möglich sind.

In seinem Buch "Einführung in die Wirtschaftstheorie"[2] stellte Erich Schneider schon 1952 einleitend fest:

"Wir beschränken uns dabei bewußt auf die Analyse einer Wirtschaft, wie sie heute ist, d. h. auf eine Wirtschaft, in der allein Forderungen als Zahlungsmittel verwendet werden."

Doch bleiben wir beim Begriff "Buchgeld" (bzw. "Geschäftsbanken-Buchgeld"), da sich dieser so etabliert hat, auch wenn er heute manchmal mehr Verwirrung stiftet denn Zusammenhänge erhellt.


Buchgeldvernichtung

Genau so wichtig wie die

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Untersuchung der Buchgeldschöpfung ist ein Blick auf die Buchgeldvernichtung. Nachdem Benno mit dem aufgenommen Kredit Waren gekauft und diese nun zum Teil wieder mit Gewinn verkauft hat, steht sein Girokonto wieder auf 15.000 €. Er zahlt von seinem Girokonto (Verbindlichkeiten gegü. Kunden, Benno) jetzt 10.000 € auf sein Kreditkonto (Forderungen an Kunden, Benno) ein. Damit vermindert sich sein Giroguthaben wie auch sein Kreditkonto.[3] Mit diesem Vorgang werden 10.000 € Buchgeld "vernichtet". Einleuchtender wird es, wenn man das Buchgeld als Verbindlichkeit der Bank gegenüber Benno betrachtet. Mit der Umbuchung wird sowohl die Forderung von Benno gegenüber der Bank wie auch die Forderung der Bank gegenüber Benno um jeweils 10.000 € verringert. Die Konten notieren somit nur Guthaben und Schulden bzw. Verbindlichkeiten und Forderungen. Wenn Schulden zurückgezahlt werden, verringert sich logischerweise auch das Guthaben des Gläubigers. Es findet eine Bilanzverkürzung statt, da Passiva und Aktiva verringert werden. Der Begriff "Geldvernichtung" beschreibt diesen Vorgang nur unzutreffend und deutet eher ein "Verbrennen von Banknoten" denn eine "Minderung von Schulden" an. Tatsächlich ist das Volumen der Forderungen und damit das Volumen der Zahlungsmittel in der Wirtschaft geringer geworden.

Ähnliches geschieht beim Verkauf von Aktiva durch die Bank. Verkauft die Bank ihre Rechneranlage, so geht damit eine Minderung der Bilanzposition "Sachanlagen" einher mit einer entsprechenden Reduzierung des Sichtguthabens des Käufers. Auch hier findet eine Bilanzverkürzung mit den zuvor geschilderten Folgen statt.

Geldschöpfungskapazität der Idealbank

Aus den vorgenannten Erläuterungen der Geldschöpfung wird erkennbar, dass die Idealbank in ihrer Fähigkeit Buchgeld zu schöpfen theoretisch nicht beschränkt ist. Banktechnisch gesehen existiert keine Grenze. Praktisch müssen jedoch entsprechend viele Wirtschaftsteilnehmer bereit sein sich zu verschulden oder aber geneigt sein, der Bank Aktiva in Form von z. B. Waren, Wertpapieren, Immobilien oder Ähnlichem gegen Buchgeld zu verkaufen.



Einzelnachweise

<references >

  1. Zentralbank-Buchgeld wird in der Literatur überwiegend als "Reserve" bezeichnet.
  2. Erich Schneider: Einführung in die Wirtschaftstheorie. 11 Auflage. J.C.B.Mohr, Tübingen 1952., Seite 2
  3. Aus organisatorischen Gründen kann dies auf einem zusammengefassten Kunden-Kontokorrentkonto auch in einem einzigen Bearbeitungsschritt erfolgen.