Das Geldrätsel: Bankkalkulation
Die Bankkalkulation[1] dient der Ermittlung von Zinsen und Zinsmargen sowohl für einzelne Bankprodukte wie auch gesamt für alle zinstragenden Produkte der Bank. Sie setzt sich aus der "Kalkulation im Wertbereich" und der "Kalkulation im Betriebsbereich" zusammen. Im Wertbereich werden Zinskosten und Zinserlöse ermittelt während sich der Betriebsbereich mit den Stückkosten, bestehend aus anteiligen Personal- Sach- Miet- und Allgemeinkosten beschäftigt. Nachfolgend wird der Wertbereich, die Haupteinnahmequelle der Banken, näher betrachtet.
Ein Sparer bringt 10.000 € zur Bank und legt diese für 1 Jahr, zu einem Zinssatz von 2 % fest. Der Bank gelingt es, einen Kredit über ebenfalls 10.000 € und eine Laufzeit von 1 Jahr zu einem Zinssatz von 6 % zu vergeben. Betrachtet man nur die Zinskosten- und Erlöse ergibt sich folgende Rechnung:
Diese Rechnung wird als "Teilzinsspannenrechnung" bezeichnet, da sie nur einzelne Vorgänge untersucht. Die Differenz zwischen dem Zinssatz für den vergebenen Kredit und dem Zinssatz für die Spareinlage wird als Zinsmarge (Zinsspanne) bezeichnet. Diese beträgt hier 6 % - 2 % = 4 %. Im Beispiel hat die Bank damit einen Zinsüberschuss von 400 € erzielt, der überwiegend zur Deckung der Bankkosten für Personal, Sachmittel, Miete usw. dient. Ein übrigbleibender Restbetrag trägt zum Gewinn der Bank bei.
Durchschnitts-Zinsertragsbilanz
Die Zinsmarge
wird als wichtigste Einnahmequelle der Banken angesehen. In der Gewinn- und Verlustrechnung einer Bank kann dies leicht aus der Position "Zinsüberschuss" erkannt werden. Im "Monatsberichtsaufsatz September 2015"[2] der Deutschen Bundesbank ist auf Seite 48 zu lesen, dass über alle Bankengruppen hinweg der Zinsüberschuss im Jahre 2014 zu 74 % zum operativen Ertrag (Gewinn vor Steuern) beigetragen hat. Die Zinsspanne, ebenfalls über alle Bankengruppen hinweg, bewegt sich seit 2001 in einem Korridor von 1,0 % bis 1,2 %.
Anstelle einzelne Spar-Kreditvorgänge zu untersuchen kann man auch sämtliche Spar- und Kreditvorgänge einer Bank sammeln, gruppieren und zusammenzählen. Man erhält so die Gesamtzinserträge und die Gesamtzinsaufwendungen einer Bank. Nebenstehend eine solche Durchschnitts-Zinsertragsbilanz. In dieser Bilanz werden keine Werte eines Stichtages eingetragen sondern Durchschnittswerte eines Zeitraumes, z. B. eines Jahres. Durch Gegenüberstellung der Gesamtzinserträge (Aktiva) und der Gesamtzinsaufwendungen (Passiva) mit dem Durchschnitts-Geschäftsvolumen werden die jeweiligen Durchschnittszinssätze ermittelt.
Ø Zinssatz Aktiva = 477,86*100/13.050 = 3,66 %
Ø Zinssatz Passiva = 134,9*100/13.050 = 1,03 %
Die Gesamtzinsspanne ergibt sich somit zu 3,66 % - 1,03 % = 2,63 %. Die gezeigte Bank hat mit dieser Zinsmarge einen Zinsüberschuss in Höhe von 343,77 M€ erwirtschaftet, wie in der Abbildung rechts unten gezeigt.
Eine weitere wichtige Erkenntnis lässt sich aus der Durchschnitts-Zinsertragsbilanz ableiten.
Bei der Refinanzierung der ausgeliehenen Kredite spekuliert die Bank auf gleichbleibende oder gar fallende Zinsen für Tagesgeld oder kurzfristige Sparanlagen. Sie verkauft etwas, was sie zum Zeitpunkt der Kreditvergabe noch nicht besitzt. Dies ist vergleichbar mit Leerverkäufen an der Börse.
Aus der Durchschnitts-Zinsertragsbilanz, deren Vermögenswerte der Bilanz einer Sparda-Bank entnommen wurden, wird aus der Aufteilung erkennbar, dass kurz- und mittelfristige Kundenkredite (5.600 M€) größtenteils durch täglich fällige Einlagen (4.700 M€) refinanziert sind. Die Bank hat etwas kurz- und mittelfristig verkauft, was sie selbst nur für 1 Tag von ihren Einlagekunden anvertraut bekam. Würden alle Einlagekunden ihre Guthaben gleichzeitig abziehen, wäre die Bank zahlungsunfähig. Das besondere Geschäftsmodell einer Einlagebank erlaubt ihr jedoch diese "Leerverkäufe" mit Duldung der Aufsichtsbehörden, "Deutsche Bundesbank" und "Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht". In der Liquiditätsverordnung, Bestandteil des Kreditwesengesetzes, sind die staatlichen Anforderungen an die Mittelbewirtschaftung festgelegt und damit diese Leerverkäufe legalisiert. Auf Details hierzu wird in den nachfolgenden Kapiteln Kreditwesengesetz, Goldene Bankregel, Bodensatztheorie, Shiftability-Theorie und Vermittler oder Schöpfer näher eingegangen. Die Durchschnitts-Zinsertragsbilanz zeigt jedoch auch, dass diese Spekulationsergebnisse in der Bankkalkulation mit berücksichtigt werden und auch in die Gewinn- und Verlustrechnung mit einfließen. Die fast kostenlosen "täglich fälligen Einlagen" (Verbindlichkeiten gegenüber Kunden) tragen wesentlich zu den relativ günstigen Refinanzierungskosten bei.
Teilzinsspannenrechnung
Die Banken verwenden die Gesamtwerte von Zinserlösen und Zinsaufwendungen in der "Gewinn- und Verlustrechnung", welche die Gesamtertragssituation einer Bank darstellt. Will die Bank jedoch wissen welchen Anteil die Kreditabteilung oder einzelne Kredite bzw. Kreditgruppen zu diesem Ergebnis beitragen, benutzt sie Teilzinsspannenrechnungen. Früher wurde hierzu die Pool-Methode und die Schichtenbilanzmethode angewandt, während heute die Martkzinsmethode bestimmend ist.
Pool-Methode
Aus der oben gezeigten Durchschnitts-Zinsertragsbilanz ergeben sich Mittelwerte für den Anlagenzinssatz (Aktivseite) von 3,66 % und für die Refinanzierung (Passivseite) von 1,03 %. Bei der Pool-Methode wird nun willkürlich angenommen, dass die Aktivseite wie auch die Passivseite je zur Hälfte am Wertergebnis beteiligt sind. Ein Kredit an einen Kunden mit einem Zinssatz von 6 % trägt somit zu einer Teilzinsspanne der Aktivseite von (6 % - 1,03 %)/2 = 2,49 % bei. Bei einem Kreditvolumen von 50.000 € errechnet sich hieraus ein Zinsertrag der Aktivseite von 1.245 €. Legt ein Kunde Spargelder zu 1,2 % an wird der Passivseite eine Spanne von (3,66 % - 1,2 %) = 1,23 angerechnet. Bei einer Sparsumme von ebenfalls 50.000 € ein Zinsertrag von 615 €. Die übrig bleibende Zinsmarge, (6 % - 1,2 % - 2,4 % - 1,23 %) = 1,17 % wird offensichtlich der Geschäftsleitung als Strukturbeitrag zugerechnet.
Schichtenbilanz-Methode
Bei Anwendung der Schichtenbilanz-Methode wird ebenfalls von der Durchschnitts-Zinsertragsbilanz ausgegangen. Es wird sodann versucht, einem Kreditvertrag eine bestimmte Refinanzierung, d. h, eine Position auf der Passivseite zuzuordnen. In dieser Zuordnung liegt jedoch auch bereits ein wesentlicher Kritikpunkt an dieser Methode. Im praktischen Bankgeschäft ist eine solche Zuordnung schlicht unmöglich. Es kann in der Regel keine Verbindung zwischen einem Kreditgeschäft und einer bestimmten Passivposition hergestellt werden. Auch die anteilmäßige Nutzung mehrerer Passivpositionen für eine Aktivposition bleibt ein willkürliches Konstrukt, dem es an Realitätsbezug fehlt.
Marktzinsmethode
Die beiden vorgenannten Methoden sind auch als "traditionelle Methoden" bekannt. Wegen ihres auf die Vergangenheit bezogenen Blickkwinkels und der willkürlichen Aufteilung von Ergebnissen auf die Aktiv- und Passivseite wurden sie mittlerweile weitgehend durch die "moderne" Marktzinsmethode ersetzt. Die Marktzinsmethode orientiert sich nicht an der Durchschnitts-Zinsertragsbilanz sondern an aktuellen Marktzinsen. Dabei trennt sie strikt aktiv- und passivseitige Ergebnisse. Nach der Marktzinsmethode wird bei einer Kreditvergabe untersucht, welches Ergebnis mit einer gleichartigen Anlage auf dem Kapitalmarkt erreicht werden könnte. Der Kapitalmarkt ist der Interbankenmarkt für längerfristige Anlagen.
Kann
ein Kundenkredit z. B. mit einem Zinssatz von 5 % vergeben werden, während eine Anlage am Kapitalmarkt mit gleicher Laufzeit nur 3,5% bringt, würde das Kundengeschäft einen zusätzlichen Erlös von 1,5% einbringen. Diese Marge wird als "Konditionsbeitrag der Aktivseite" angesehen. Es fehlt jedoch noch die Mittelbeschaffung auf der Passivseite. Auch diese orientiert sich am Interbankenmarkt. Hier wird jedoch nicht der Kapitalmarktzins für längerfristige Anlagen herangezogen sondern der Geldmarktzins für kurzfristige Ausleihungen. Die Bank muss für einen Geldmarktkredit 2 % Zinsen zahlen, kann jedoch von einem Kunden eine Spareinlage zu 1 % bekommen. Die Passivseite kann sich die Differenz von 1 % als Konditionsbeitrag anrechnen. Zur Bruttozinsspanne von 5 % - 1 % = 4 % fehlt jetzt noch der Strukturbeitrag in Höhe von 1,5 %.
Strukturbeitrag
Die
Bank hat darauf spekuliert, dass für sie ein Gewinn entsteht, wenn vorerst dem langfristigen Kundenkredit nur kurzfristige Einlagen gegenüberstehen. In der Regel sind kurzfristige Einlagen zu günstigeren Zinskonditionen zu haben wie langfristige Kundeneinlagen. Dies zeigen auch die nebenstehenden Zinsstrukturkurven. [3] Während der EURIBOR - Tagesgeldsatz z. B. Mitte 2005 bei 2,08 % lag, wurden für ein 9-jähriges Wertpapier 3,4 % Zinsen fällig. [4]Bei steigender Zinskurve spricht man von einer normalen Zinsstrukturkurve. Da langfristige Darlehen mit kurzfristigen günstigeren Spareinlagen refinanziert werden, entsteht ein positiver Strukturbeitrag.
Mit dem Strukturbeitrag, welcher indirekt auch schon in der Durchschnitts-Zinsertragsbilanz enthalten ist, wurde ein Modell in die Bankkalkulation eingefügt, welches sich grundlegend von dem Ansatz: "Die Bank als Kreditvermittler" unterscheidet, präziser gesagt, diesem widerspricht. Würde der Kredit, wie im Anfangsbeispiel erwähnt, durch ein Sparvolumen in gleicher Höhe und mit gleicher Laufzeit refinanziert, wäre die Bank tatsächlich als "Kreditvermittler" tätig. Die Bank würde "fristenkongruent" refinanzieren, d. h. Mittel in Höhe und mit Laufzeit des vorgesehenen Kredits beschaffen, bevor sie den Kredit selbst erteilt. Ein Sparer bringt 10.000 € zur Bank und legt diese für 1 Jahr fest. Die Bank kann daraufhin diesen Betrag als Kredit an einen Bankkunden für ebenfalls 1 Jahr ausleihen. Die Durchschnitts-Zinsertragsbilanz zeigt jedoch eindeutig, dass die Bank diesem Prinzip nicht folgt. Sie verleiht offensichtlich Mittel, die sie zum Zeitpunkt der Kreditvergabe noch nicht oder aber nur zum Teil besitzt. Dieser Vorgang wird in der Bankensprache als Fristentransformation bezeichnet, obwohl der Ausdruck "Fristenspekulation" dem Sachverhalt bedeutend näher käme.
Einzelnachweise
<references >
- ↑ Grill, Perczynski: Bankbuchführung. 13 Auflage. Dr. Max Gehlen, Bad Homburg 1995, ISBN 3-441-03173-3. ab Seite 362
- ↑ Monatsberichtaufsatz September 2015 Abruf 07.08.2016
- ↑ Für das Tagesgeld bis zum 6-Monatsgeld wurde der EURIBOR, der Verrechnungssatz unter Banken herangezogen. Die Werte von 1 Jahr bis zu 9 Jahren wurden der Kapitalmarktstatistik, Umlaufsrenditen nach Restlaufzeiten, Festverzinsliche Wertpapiere insgesamt der Deutschen Bundesbank entnommen.
- ↑ Nicht berücksichtigt wurde in der Darstellung die Habenzinsen für Girokonten. Für Girokonten, mit einem Anteil von ca. 20% an der Bilanzsumme einer Bank, werden bereits seit Jahren keine Guthabenzinsen mehr gezahlt. Bei dieser Refinanzierungsart entstehen also 0 % Zinskosten. Jedoch kann man die kostenlose Kontoführung bei mittlerweile vielen Banken im Online-Geschäft als Ersatz für Guthabenzinsen betrachten.