Martin Scheytt: Kreditvermittlungs-Theorie

Aus um-bruch
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Das Nebeneinander der volkswirtschaftlichen und der betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise führt zu abweichenden Ergebnissen, da eine Abstimmung der Inhalte fehlt. Eine Bank kann nicht ohne Volkswirtschaft funktionieren und eine Volkswirtschaft nicht ohne Banken. Und doch erfinden beide Theorien, welche die Grundlagen der jeweils anderen Wirtschaft ignorieren.

An dieser Stelle wird ein Konflikt deutlich, der sich durch das ganze Werk Scheytts verfolgen lässt. Mit großem Aufwand versucht Scheytt, volkswirtschaftliche Zusammenhänge und Erkenntnisse 1 : 1 auf die Bankenwelt zu übertragen. Was in der Volkswirtschaft nicht sein kann, kann auch in der Bankenwelt nicht sein. Eine Auffassung, die schlussendlich zu fehlerhaften Erkenntnissen führen muss. Diesem Irrtum unterliegen jedoch auch andere Autoren[1], die auf der volkswirtschaftlichen Untermauerung eines jeden Bankenvorgangs bestehen.

Auch die nachfolgende Erläuterung von "Leihgeld" dient der Einbindung der Banken in das Geschehen einer Volkswirtschaft und trägt bestenfalls zu weiteren Verwirrungen bei. Wie bei einem Wirtschaftsunternehmen muss die Bank erst eine Ware, das Leihgeld, eingekauft haben, bevor es wieder verkauft werden kann. Eine Binsenweisheit in der Wirtschaft, abgesehen von Warentermingeschäften u.ä., aber in der Bankenwelt vollkommen unwichtig, da diese nach ganz anderen Regeln funktioniert.

Handelsgeschäft Leihgeld

Geldbesitz und Geldbedarf von Wirtschaftssubjekten führt dazu, dass Geld auf Zeit gekauft und verkauft wird. Dieses Geschäftsfeld wird von den Banken abgedeckt, welche gleichzeitig als Nachfrager und Anbieter auftreten. Hieraus ergibt sich auch die unternehmerische Haupttätigkeit der Banken und die daraus abstammende Abhängigkeit.

"Das sind der Einkauf und der Verkauf und der damit zwangsläufig verbundene Geldumwandlungsprozeß. Ohne den Einkauf kann es den Verkauf nicht geben — das muß nachdrücklich festgehalten werden"

Es folgt eine Erläuterung des Begriffes "Leihgeld"

"Die Banken nehmen und geben Kredit — das steht ganz am Anfang unserer Ausführungen. Wir müssen jetzt sagen: die Banken kaufen und verkaufen die darlehensweise Überlassung von Geld. Sie kaufen und verkaufen also nicht das Geld selbst, sondern die Nutzung des Geldes für die Dauer der darlehensweisen Überlassung[2]. Einkaufspreis und Verkaufspreis ist der jeweilige Zins. — Um uns kürzer ausdrücken zu können, schreiben wir für "darlehensweise überlassenes Geld" den Ausdruck "Leihgeld". Das Leihgeld der Banken ist ein zweiseitiges Kreditgeschäft."

"Das sog. Kreditgeschäft, das Leihgeschäft der Banken ist, so gesehen, ein reines Handelsgeschäft." Der Ein- und Verkauf ist mit einem Geldumwandlungsprozeß verbunden.

Ein- Verkaufspreis

Die vorgenannten Aussagen sind nicht sofort verständlich. Es wird nicht das Geld direkt gekauft und verkauft, sondern nur dessen Nutzung. Wie bei einem Mietvertrag wird ein Gegenstand für eine bestimmte Zeit jemand anderem zur Verfügung gestellt. Der Kaufpreis dieses Mietvertrages ist der Sparzins. Der Kreditnehmer, der den Mietgegenstand "Geld" für eine bestimmte Zeit nutzen will, zahlt dafür den Darlehenszins an die Bank. Dieser ist somit der Verkaufspreis der Bank für die Mietsache. So kann der Kreditvorgang als reines Handelsgeschäft dargestellt werden.

Geldumwandlung

Der unternehmerische Ein- und Verkauf von Leihgeld ist stets mit einem Geldumwandlungsprozess verbunden. Von Geld in Nicht-Geld und am Ende des Prozesses von Nicht-Geld in Wieder-Geld.

Anton überlässt der Bank Bargeld für eine gewisse Zeit. Dieses Bargeld zahlt die Bank beim Kreditakt an Beno aus. Aus dem Bargeld ist für die Bank eine Forderung gegen Beno geworden, Nicht-Geld. Zahlt Beno den Kredit zurück, besitzt die Bank wieder Bargeld, welches sie an Anton zurückzahlen kann. Aus Nicht-Geld ist Wieder-Geld geworden.

Eine überflüssige sprachliche Verpackung für einen einfachen Sachverhalt. Scheytt möchte mit der Beschreibung von Zins und Geldumwandlung nachweisen, dass ein Kreditgeschäft nur ein An- und Verkauf ist, vergleichbar mit jedem Handelsgeschäft in der Wirtschaft. Es wird die Kreditvermittlung einer Bank beschrieben, wobei die Differenz zwischen dem Kreditzins des Kreditnehmers und dem Guthabenzins an den Sparer den Ertrag der Bank beinhaltet.


Bargeldbedarf verringern

Der Zahlungsverkehr wird sowohl bar als auch unbar abgewickelt. Beim unbaren oder bargeldlosen Zahlungsverkehr werden "Forderungen auf Bargeld" umgeschrieben. Aus Antons Bankguthaben von 5.000 € werden mit einer Überweisung von 1.000 € an Beno, Antons Forderung an die Bank auf Bargeld um 1.000 € verringert. Gleichzeitig erhält Beno eine neue Forderung auf Bargeld in Höhe von 1.000 €. Der bargeldlose Zahlungsverkehr überwiegt mittlerweile im Bankgeschäft.

"Diese Zahlungsart verringert den Bargeldbedarf der Banken. Das ist die Wirkung des unbaren Zahlungsverkehrs"

Die Banken versuchen, die Kunden zu einer erhöhten Nutzung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs zu bewegen. Erhaltene bargeldlose Zahlungen sollen möglichst als Guthaben auf den Bankkonten erhalten bleiben und nicht in Form von Bargeld die Bank verlassen. Im Beispiel von Anton und Beno bedeutet dies, sie gewähren der Bank einen Kredit von 4.000 und 1.000 €. Zahlungen sind erfolgt ohne das Bargeld die Bank verlassen hat. Auch weitere Zahlungen sollen möglichst durch Umbuchungen bargeldlos abgewickelt werden.

Der Bargeldbedarf der Banken verringert sich entsprechend der Länge der Kreditketten (Kreditorenketten) und ermöglicht damit den Leihgeldverkauf der Banken. Denn die Banken könnten keine Kreditgewährungen vornehmen, wollten alle Bankkunden sämtliche Zahlungen in bar leisten. Die Banken könnten das Bargeld gar nicht oder nur zu einem ganz geringen Teil, der sich aus einem ständig vorhandenen Bodensatz ergeben würde, ausleihen. - Darin liegt der Sinn und Zweck des unbaren Zahlungsverkehrs

Dass eine lange Kreditkette (Kreditorenkette) den Bedarf an Bargeld im Bankensystem verringert, entbehrt jeden Beweises. Ob sich 100 Kunden mit abnehmenden Teilbeträgen an Krediten und Bankguthaben beteiligen oder nur zwei Kunden, zeigt im Ergebnis keinen Unterschied. Maßgebend für diese "orthodoxe Kredittheorie" ist lediglich, dass Kunden auf die Nutzung ihrer Einlagen für die Kreditdauer verzichten. Ob 1 Kunde bei 1 Bank diese Summe als Spareinlage hinterlegt oder der Sparbetrag sich auf 100 Kunden bei 100 Banken aufteilt, ist für die vorliegende Betrachtung unerheblich. Auch macht es keinen Unterschied ob viele Teilkredite erteilt werden oder aber ein Kredit über den gesamten Guthabenbetrag. Im Abschnitt "Fehlerhafte Beweiskette " zum Buch "Bank Credit" von Chester A. Phillips ist dies ausführlich dargelegt.

Um die nachfolgenden Ausführungen Scheytts besser einordnen zu können, einige grundlegende Gedanken zum Verhältnis von Bargeld zu Buchgeld.

Als Beispiel nehmen wir im Fall 1 an,

Umwandlung von Bargeld in Buchgeld

dass außerhalb des Bankensystems, bei den Kunden, 1 Million € an Bargeld vorhanden ist, im Bankensystem jedoch kein Bargeld existiert. Die Kunden können untereinander mit Bargeld kaufen und verkaufen, die Bank ist jedoch ohne Arbeit.

Im 2. Fall, genauso extrem dargestellt wie Fall 1, haben die Kunden sämtliches Bargeld zur Bank gebracht. Die Bank besitzt nun 1 Million € Bargeld und hat den Kunden gegenüber Verbindlichkeiten in Höhe von ebenfalls 1 Million €. Diese Verbindlichkeiten sind Buchgeld. Für den Kunden sind sie Guthaben bei der Bank. Die Details der Einzahlung von Bargeld wurde bereits zuvor beschrieben.

Wie in einem System ohne Bargeld können die Kunden im 2. Fall ihre Geschäfte jetzt mit Buchgeld abwickeln. Das Buchgeld ist 1:1 an die Stelle des Bargeldes getreten. Die Geldmenge bei den Kunden ist nach wie vor auf 1 Million € beschränkt. Dieses System ist direkt vergleichbar mit den Depositen- und Girobanken in der Frühzeit unseres Bankensystems. Die Geschäftstätigkeit der Bank ist auf die reine Kontenverwaltung der Kunden beschränkt. Es können keine Zahlungsprobleme bei der Bank entstehen, da für jeden Buchgeld-€ auch ein Bargeld-€ im Tresor liegt. Hierzu auch Scheytt:

"Würden die Banken das empfangene Geld nicht anlegen, sondern nur aufbewahren und den Zahlungsverkehr für ihre Kunden durchführen, dann könnte die Summe sämtlicher Bankguthaben niemals die Summe des Bargeldumlaufs übersteigen." (Seite 64)

Wenn eine Bank keine Kredite erteilt, somit auch keine Kredite vermittelt, kann sie nur das eingezahlte Bargeld verwalten. Unter "anlegen" versteht Scheytt hier die Gewährung von Krediten. Wie lange die Einlagen festgelegt sind, spielt bei seinen Überlegungen keine Rolle. Die Vernachlässigung dieser Einlegefristen erweist sich für sein Werk zu einem verhängnisvollen Stolperstein.

Gehen wir als weitere Vorbedingung vorerst davon aus, dass es der Bank nicht erlaubt sei, selbständig Kredite zu gewähren. Ein Kredit kann jedoch auch dann zustande kommen, wenn ein Kunde auf die Nutzung seines Bankguthabens zeitweise verzichtet. Anton besitzt ein Bankguthaben von 4.000 €. Da er hiervon 3.000 € in den nächsten zwei Jahren nicht in Anspruch nehmen will, bietet er es der Bank als Sparguthaben an. Diese kann nun an Beno einen Kredit über 3.000 € erteilen und ihn auch, falls gewünscht, bar auszahlen. Ein Zahlungsproblem der Bank kann nicht entstehen, da Anton erst nach 2 Jahren die 3.000 € zurückfordern kann, d.h. wenn Beno den Kredit bereits zurückgezahlt hat. Diese Überlegungen sind auch Ausgangspunkt der "goldenen Bankregel", deren Grundsätze Otto Hübner[3]. bereits 1854 formuliert hat.

„Die Bank kann, wenn sie auf drei Monate Gelder deponiert erhält, ohne Gefahr dieselben nicht auf sechs Monate ausborgen; ….."


Diese Regel wurde in der Praxis von den Banken jedoch nie eingehalten. Die Rückkehr zu einem solch seriösen System wird nach der Finanzkrise von 2008 wieder vermehrt gefordert.


Kreditketten

"Innerhalb eines begrenzten Zeitabschnittes kann ein konkret vorhandener Geldbetrag nacheinander sowohl die Entstehung mehrerer Bankguthaben bewirken, als auch verschiedene Warenbewegungen begleiten." (Seite 58)

"Eine Bank gewährt dem Produzenten I Kredit auf Grund eines Kassenüberschusses. Der Produzent I verlangt von der kreditgebenden Bank Bargeld und kauft damit Rohstoffe oder Dienstleistungen (Löhne). Der Verkäufer der Rohstoffe oder die Einzelhändler, denen die Lohngelder zugeflossen sind, überlassen das bar empfangene Geld ihrer Bank. Wir nehmen an, es handle sich um die gleiche Bank, die den Produzenten I kreditiert hat. Das kreditierte Geld ist also wieder zur Bank zurückgeflossen ,und hat dort neue Bankguthaben zu Gunsten des Rohstofflieferanten oder der Einzelhändler entstehen lassen. Die Bank, die nun wiederum im Besitze eines Kassenüberschusses ist, leiht diesen an den Produzenten II aus, ,der in gleicher Weise wie der Produzent I das kreditär überlassene Geld verwendet. Dieser Prozeß kann sich unter bestimmten Voraussetzungen beliebig lange fortsetzen, jedes Mal führt er zu neuen Bankguthaben und begleitet die entsprechenden Warenbewegungen."

Weiter:

An erster Stelle steht die Einsicht, daß das Entstehen neuer Bankguthaben aus Kreditgewährungen die freiwillige Kreditierung der Banken durch neue Gläubiger voraussetzt. Ohne diese grundsätzliche Voraussetzung geht es nicht. Sie ist deshalb grundsätzlicher Art, weil sie unwiderlegbar den Grundsatz der orthodoxen Kredittheorie bestätigt, der besagt, daß keine Bank mehr Kredit geben könne, als sie selbst empfangen habe.

Die Aussage: "...Kreditgewährungen die freiwillige Kreditierung der Banken durch neue Gläubiger voraussetzt" bedeutet: Voraussetzung für einen Kredit ist, das vorher Bankkunden der Bank selbst einen Kredit gewährt haben. Zuerst legt ein Bankkunde Bargeld auf seinem Sparkonto an und die Bank verleiht dann dieses Geld an einen Kreditnehmer. Eine andere Reihenfolge kann es nicht geben.

Der kredittheoretische Ansatzpunkt für diese Erscheinung ist nun nicht in der Wirkung solcher Vorgänge zu finden, sondern ausschließlich in deren Ursache. Die Ursache für das Zustandekommen eines neuen Bankguthabens oder mehrerer neuer Bankguthaben in der beschriebenen Weise ist der Verzicht auf bares Geld aller beteiligten Gläubiger, die von ihren Schuldnern aus Kreditguthaben bezahlt werden." (Seite 59-60)

Erst nachdem ein Gläubiger auf die Erfüllung seiner Forderung gegen die Bank für einen bestimmten Zeitraum verzichtet, kann die Bank einen entsprechenden Kredit erteilen. Einen belastbaren Beweis für diese Behauptung bleibt er schuldig. Einzig das Dogma der "orthodoxen Theorie" und die philosophischen Erkenntnisse über Ursache und Wirkung werden als Beweisführung herangezogen. Elemente der Naturwissenschaft werden unzulässigerweise auf das Geldsystem übertragen. Das Geldsystem ist aber kein Produkt der Natur sondern ein reines Gedankenprodukt einer Gemeinschaft von Wirtschaftsteilnehmern. Diesem Produkt können von der Gemeinschaft beliebig viele Funktionen und Eigenschaften hinzugefügt werden, ohne dass diese irgendeinen naturwissenschaftlichen Hintergrund haben müssen.


Einzelnachweise

<references >

  1. Helmut Creutz, Gero Jenner, ein Großteil der Freiwirtschaftler
  2. Geld wird nicht gegen Geld eingekauft und verkauft
  3. Otto Hübner: Die Banken. Leipzig 1854.