Das Geldrätsel: Vermittler oder Schöpfer
Es ist von Vorteil, wenn zuvor die Inhalte der vorhergehenden Seiten ab "Liquidität der Banken" durchgelesen werden
Vermittler
Der überwiegende Teil der volkswirtschaftlichen Literatur sieht die Geschäftsbanken, nachfolgend nur als Banken bezeichnet, in der Funktion als Geldvermittler (Intermediär). Diejenigen, die Geld übrig haben leihen es denjenigen, die Geld benötigen. So fügen die Banken sich auch schön in die Kreislaufmodelle der Volkswirtschaftslehre ein.
Schöpfer
„Um Kredite zu vergeben, benötigt eine Bank keine Sparer.“ So oder ähnlich lauten die Schlussfolgerungen derjenigen, die davon ausgehen, dass "Banken Geld aus dem Nichts schöpfen können". Es entsteht dabei "Geld", das vorher nicht da war und es ist auch kein Zentralbankgeld oder Spargeld zur Deckung des neuen Geldes erforderlich[1].
Die wesentliche Aussage:
Die Geschäftsbanken leihen nicht Geld aus, welches vorher jemand bei ihnen deponiert hat, sondern sie schaffen neues Geld durch Kreditvergabe.
lässt sich anhand von Buchungssätzen für den Einzelfall nachweisen. Geld steht dabei für „Geschäftsbanken-Sichteinlagen“, aus Sicht der Bank für Verbindlichkeiten (= Schulden).
Da Banken aber auch Vermögenswerte mit Sichteinlagen erwerben sowie Dienstleistungen Dritter ebenfalls mit Sichteinlagen bezahlen, müssten folglich auf der Passivseite der Bankbilanz nur zwei Positionen auftauchen, das Eigenkapital der Bank und die Sichtguthaben der Bankkunden. Bei den vorgenannten Geschäften „bezahlt“ die Bank ja jeweils mit „Geschäftsbanken-Sichteinlagen, mit Giralgeld.
Betrachtet man sich die Passivseite der konsolidierten Bilanz der deutschen Banken
stellt man jedoch fest, das die Position „Sichteinlagen“ nur noch einen Anteil von 20 % an der Passivseite innehält. Hier tauchen jetzt die Positionen Termineinlagen, Spareinlagen, Schuldverschreibungen und Einlagen von Banken auf. Die Bank hat also Sichteinlagen, welche „sofort fällig“ sind in Einlagearten mit längeren Fristen umgewandelt. Dies kann die Bank natürlich nicht eigenständig bewirken, sondern sie muss die Umwandlung ihren Kunden als vorteilhaftes Geschäft anbieten, damit diese einwilligen. Sie bietet den Kunden deshalb Guthabenzinsen auf die vorgenannten Fristeinlagen. Weshalb aber zahlt die Bank freiwillig Zinsen auf diese Einlagearten, wenn ihnen die Sichtguthaben der Kunden doch kostenlos zur Verfügung stehen?
Wäre die Geschäftsbank die einzige Bank in einem Land, so könnte sie tatsächlich die ganze Passivseite aus Sichtverbindlichkeiten gegenüber ihren Kunden bestehen lassen. Bei mehreren Banken in einem Land, welche im Wettbewerb stehen, ergeben sich jedoch automatisch Zwänge bezüglich der Mittelbewirtschaftung.
Bietet nur die Bank A ihren Kunden Zinsen auf Sparguthaben, werden die Kunden sämtlicher anderer Banken versuchen, ihr Geld bei Bank A längerfristig anzulegen. Folglich sind auch die anderen Banken gezwungen Sparzinsen anzubieten, wollen sie nicht Gefahr laufen, ihre Kunden an die Bank A zu verlieren.
Aber dies ist nur ein Aspekt für das Sparangebot der Banken. Wichtiger erscheint der Verlust von Liquidität bei Überweisung von Spargeldern an Bank A. Die überweisende Bank B muss bei der Bank A einen Kredit aufnehmen, um diese dazu zu bewegen, für den Sparkunden ein Sparguthaben anzulegen. Details hierzu sind im Artikel Bilanzen der Geschäftspartner erklärt. Bank B wechselt also ihre Sichtverbindlichkeit gegenüber ihrem Kunden in eine Verbindlichkeit gegenüber Bank A. Dieser muss sie jedoch Zinsen zahlen. Also wird sie versuchen, ihren Kunden zu bewegen, sein Sichtguthaben direkt bei ihr, Bank B, als Spargeld anzulegen, Diesem muss sie zwar auch Zinsen zahlen, in der Regel aber weniger als bei einem Kredit von Bank A.
Aus dem Konkurrenzverhältnis der Banken untereinander resultiert eine Aufteilung der Pasivseite wie in der Abbildung oben gezeigt. Die jeweiligen Rentabilitäts- und Liquiditätsgesichtspunkte einer Bank bestimmen derer individuelle Aufteilung der Aktiv- und Passivseite.
Die Bankdevise: „So liquide wie nötig, so rentabel wie möglich“ verdeutlicht diese Problematik.
Möglichst liquide zu sein verursacht Kosten durch zu zahlende Zinsen, entweder für Zentralbankgeld, Kredite bei anderen Banken, Bankschuldverschreibungen oder aber für Spar- und Terminguthaben von Kunden. Können nur wenig Mittel zu anderen Banken abfließen ist eine Bank stabil und zahlungsfähig. Dies steht aber dem Ziel der Gewinnmaximierung, also möglichst rentabel zu arbeiten, entgegen.
Auch wenn Geschäftsbanken grundsätzlich durch Kreditvergabe oder den Ankauf von Vermögenswerten neues Geld schaffen, erfolgt doch alsbald eine Refinanzierung dieses neu geschaffenen Geldes zu etwa 80 %. Dies ergibt sich aus der oben gezeigten Grafik zur konsolidierten Bankenbilanz. Es erweist sich als Irreführung, wenn man die autonome Geldschöpfung der Banken beschreibt ohne darauf hinzuweisen, dass in der Realität nur noch ein Anteil von 20 % tatsächlich als "Geld ohne Spareinlagen" existiert.
Einzelnachweise
<references >
- ↑ Die „Geldschöpfung der Banken aus dem Nichts“ wird vermehrt als ernstzunehmende neue Erkenntnis propagiert.
- Bank of England Money creation in the modern economy
- Deutsche Bundesbank, Monatsbericht 04/2017 Die Rolle von Banken, Nichtbanken und Zentralbank im Geldschöpfungsprozess
- Norbert Häring Bundesbank versucht über Geldschöpfung aus dem Nichts aufzuklären – vergeblich
- weitere Autoren mit dieser Ausrichtung: Mathias Binswanger, Josef Huber, Bernd Senf, Christoph Pfluger, Christoph Binswanger und viele andere.