Das Geldrätsel: Kreditschöpfung
Die moderne Kredittheorie geht davon aus, dass Banken Buchgeld aus dem Nichts schöpfen können. Aus dem "Nichts" schöpfen heißt dabei; "ohne vorhergehendes Sparen". Dieser Widerspruch zur Kreditvermittlungstheorie hat schon im 19. Jahrhundert Wirtschaftswissenschaftler beschäftigt.
1889 sagte Henry Dunning Macleod, ein schottischer Nationalökonom in seinem Buch "The Theory of Credit" sinngemäß etwa:[1]
(Anm.: Die englische Bedeutung von "credit" ist weiter gefasst als die Bedeutung des deutschen Wortes "Kredit" und umfasst auch das Bankguthaben des Kreditnehmers)
Orthodoxe und Moderne Kredittheorie
Während bei der orthodoxen Kredittheorie die Einzahlung von Bargeld zwingende Voraussetzung zur Gewährung eines Kredites ist, wird nach der modernen Kredittheorie zuerst ein Kredit geschaffen. Mit der Gewährung eines Kredites an einen Kunden wird gleichzeitig dem Kunden die Kreditsumme belastet wie auch gutgeschrieben.
Die Belastung wird als "Forderung an Kunden" auf der Aktivseite und gleichzeitig die Gutschrift in gleicher Höhe als "Verbindlichkeit gegenüber Kunden" auf der Passivseite verbucht. Hierzu nebenstehende Abbildung aus dem Beitrag Wicksellsche Idealbank. Die Bank gibt keine Kredite aus den Mitteln ihrer Einleger, sondern sie schöpft diese Mittel aus dem Nichts. Die Banken "vermitteln" nun keine Kredite mehr sondern sie "schöpfen" Kredite. Sie geben Zahlungsversprechen, hinter denen kein "Geld" steht. Bei diesen Zahlungsversprechen der Bank handelt es sich aus Sicht des Kunden um "sein Bankguthaben".[2]
Auch die unterschiedlichen Termine für die Kredittilgung und die Bankguthabenauszahlung werden nicht erwähnt. Diese isolierte Betrachtung eines Buchungsvorgangs in einer Bank wird von den überzeugten Bankenkritikern als die Quelle der Geldschöpfung der Geschäftsbanken schlechthin gesehen. Ersparnisse sind zur Vergabe von Krediten demnach nicht mehr notwendig. Lediglich die Pflicht zur Mindestreserve und gegebenenfalls die Vorhaltung von zusätzlichem Bargeld wird noch als einschränkender Faktor bei der Geldschöpfung der Geschäftsbanken anerkannt.
Aus dem Buchungsvorgang bei der Kreditgewährung wird die "Geldschöpfung aus dem Nichts" abgeleitet. Dies kann man mit der richtigen Beobachtung vergleichen, dass ein Auto schneller fährt, wenn man Gas gibt. Die Verallgemeinerung, dass die Geschwindigkeit eines Autos nur vom Gas geben abhängt, ist hingegen falsch. Viele anderen Voraussetzungen müssen hierzu ebenfalls erfüllt sein wie z. B. ein fahrbereites Auto, eine befahrbare Straße, Benzin im Tank usw.
Die Aussage zur "Buchgeldschöpfung einer Bank aus dem Nichts" kann somit auch nur korrekt sein, wenn sämtliche einflussnehmenden Faktoren untersucht und als neutral in Bezug auf den Geldschöpfungsvorgang bewertet werden. Diese Faktoren sollen in den nachfolgenden Kapiteln näher untersucht werden.
Einzelnachweise
<references >
- ↑ “… we see that the very essence and nature of a Bank and a Banker is to create and issue Credit payable on demand: and this Credit is intended to circulate and perform all the functions of money. A Bank is, therefore, not an office for ,borrowing' and ,lending' money: but it is a Manufactory of Credit." Henry Dunning Macleod, "The Theory and Practice of Banking" Volume II, London 1866, Seite 594, zitiert nach "Die Anwendbarkeit Der Modernen Kreditschopfungslehre Auf Die Besondere Art des Sparkassengeschäfts" von Hermann Feifel, Duncker & Humblot 1959, Seitte 66
- ↑ Da auf der Passivseite unter "Verbindlichkeit gegenüber Kunden" keine Unterscheidung zwischen einer Entstehung aus einer Bareinzahlung oder der Entstehung aus einer Kreditvergabe getroffen wird und auch nicht ersichtlich ist, ob eine Kreditvergabe auf der Abwicklung von realwirtschaftlichen Geschäften oder aber von Spekulationsgeschäften basiert, können die Versuche einer Herleitung der Geldschöpfung auf dieser Basis zu keinem Ziel führen. Entsprechende Versuche von Hahn, Gestrich und Feifel, um nur einige zu nennen, haben keinen bleibenden Eindruck in der Fachliteratur hinterlassen.