Das Geldrätsel: Liquidität der Banken

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Der Erhalt der Zahlungsfähigkeit (Liquidität) einer Bank ist neben der Erzielung von Gewinn und der Sicherheit der Bankeinlagen ein Hauptziel der Bankpolitik.[1][2]
Siehe hierzu auch "Ziel der Bankenaufsicht"[3] im Schülerbuch "Geld und Geldpolitik" der Deutschen Bundesbank und Erläuterungen der Deutschen Bundesbank zur "Liquidität der Banken"[4]

Geschichte

Die Amsterdamer Wechselbank, auf dem Gebiet des Buchgeldes Vorbild auch für unsere heutigen Banken, nahm von ihren Kunden „echtes Geld“ in Form von werthaltigen Münzen aus Gold oder Silber entgegen. Den Wert dieser Münzen notierte sie auf Kontenblättern, jeweils ein Blatt pro Kunde. Die Eintragungen auf diesen Kontenblättern lauteten auf „Bankgulden“, eine Buchgeldwährung. Zahlungen innerhalb der Kundschaft der Bank konnten durch Umschreibung auf den Kontenblättern durchgeführt werden. Solange der Gegenwert der Bankgulden in Form von „echtem Geld“ im Tresor der Bank lag, konnten der Bank keine Zahlungsprobleme entstehen. Auf Anforderung zur Auszahlung konnte einem jeden Kunden sein Guthaben in bar ausgezahlt werden, die Bank war jederzeit liquide.

Kredite

Eine neue Situation entstand erst, wenn die Bank Kredite erteilte.[5] Erhielt ein Kunde einen Kredit, so musste er in der Regel ein Pfand hinterlegen. Der Wert dieses Pfandes musste höher als der Kreditbetrag sein. Zahlte der Kunde den Kredit nicht fristgemäß zurück, so konnte die Bank den Pfandgegenstand verkaufen und aus dem Erlös den Kreditbetrag begleichen. Es waren nun mehr Bankgulden in den Büchern vorhanden, als an echtem Geld im Tresor lag. Der Fehlbetrag war indes durch das Pfand gedeckt. Hätten zu diesem Zeitpunkt sämtliche Kunden ihre Einlagen zurückgefordert, so wäre die Bank vorrübergehend zahlungsunfähig geworden, da für den Kreditbetrag keine Münzen im Tresor vorhanden waren. Erst der Verkauf des Pfandes hätte dieses Problem, mit einer Zeitverzögerung durch die Veräußerung des Pfandes, gelöst.

Mit der Erteilung eines Kredites stellte die Bank das allgemeine Vertrauen, welches sie bezüglich ihrer Zahlungsfähigkeit in der Bevölkerung genoss, auch ihrem Kreditkunden in Höhe des Kreditbetrages zur Verfügung. [6][7] Das oben erwähnte "echte Geld" in Form von werthaltigen Münzen, zählte zum Warengeld.[8] Warengeld und Kreditgeld existierten meist parallel in der Wirtschaft.

Der Wandel vom Goldstandard, genauer von der Goldkernwährung zur reinen Kreditwährung vollzog sich endgültig 1971. Richard Nixon kündigte die Zusicherung der jederzeitigen Umwandlung von US-Dollar in Gold (1 Unze Gold = 35 US-Dollar) auf.

Das Liquiditätsproblem

Wie geschichtlich von der Amsterdamer Wechselbank berichtet, konnte bei ihr kein Liquiditätsproblem entstehen, solange sie keine Kredite erteilte. Bei einem Kredit werden, wenn auch nur gegen entsprechende Sicherheiten, Zahlungsversprechen der Bank abgegeben. Wird die Einlösung dieses Zahlungsversprechen verlangt, kann es zu Problemen bei der Zahlungsfähigkeit der Bank kommen. Vor der Kreditvergabe

Liquidität01.png

hatte die Amsterdamer Wechselbank beispielsweise 10 Millionen Bankgulden an Buchgeld in ihren Büchern stehen. Diese Summe stand also ihren Kunden zur Abwicklung derer Geschäfte zur Verfügung. Im Tresor der Bank befand sich der Gegenwert in Goldmünzen, ebenfalls in Höhe von 10 Millionen Gulden. Theoretisch hätte die Bank also jederzeit allen denkbaren Auszahlungsansprüchen ihrer Bankkundschaft nachkommen können. Die Bank erteilt nun einen Kredit in Höhe von 5 Millionen Gulden mit einer Laufzeit von 3 Jahren an die Holländische Ostindiengesellschaft und erhält im Gegenzug als Sicherheit ein, diese Summe überschreitendes Aktienpaket dieser Gesellschaft. Die Holländische Ostindiengesellschaft lässt sich nun ihr Guthaben in echtem Geld, d. h. in Goldmünzen auszahlen. Die Bilanz der Amsterdamer Wechselbank weist danach folgenden Stand auf.

Liquidität02.png

Würden sämtliche Kunden der Bank ihre Guthaben bar von der Bank abfordern, so wäre diese zumindest vorübergehend zahlungsunfähig, da sie zum Ausgleich ihrer Zahlungsversprechen in Höhe von 10 Millionen Gulden nur 5 Millionen an Goldmünzen besitzt. Die Bank ist jedoch nicht pleite, da sie Sicherheiten in Höhe von mindestens 5 Millionen Gulden, in Form von Aktien der Holländischen Ostindiengesellschaft besitzt. Diese Aktien könnte sie mit einer Zeitverzögerung in "echtes Geld" umwandeln (monetisieren). [9]

Wie kann die Bank dieses Problem bereits im Vorfeld entschärfen? Gelingt es ihr, die Einlösung der Hälfte ihrer Zahlungsversprechen um 3 Jahre zu verschieben, ist jegliches Zahlungsproblem gelöst. Die Verzögerung der Einlösung gegebener Zahlungsversprechen ist ein Vorgang, der allgemein als "sparen" bezeichnet wird. Der Bank gelingt es, einen Teil ihrer Kunden zum "Sparen" zu bewegen. Diese Kunden versprechen, ihr Guthaben in Höhe von 5 Millionen Gulden über einen Zeitraum von 3 Jahren nicht "abzuheben". Sie gewähren damit der Bank einen Kredit. Die Bank braucht nun nicht mehr zu befürchten, dass ihre Kunden die Auszahlung von 10 Millionen Gulden fordern, sondern maximal 5 Millionen Gulden innerhalb der nächsten 3 Jahre. Da noch 5 Millionen Gulden im Tresor liegen kann die Bank jetzt jederzeit zahlen, sie ist liquide.

Vor diesem Hintergrund versteht man auch die 1854 von Otto Hübner [10]niedergeschriebene Regel, welche als "goldene Bankregel" in die Literatur einging.

Der Credit, welchen eine Bank geben kann, ohne Gefahr zu laufen, ihre Verbindlichkeiten nicht erfüllen zu können, muß nicht nur im Betrage, sondern auch in der Qualität dem Credite entsprechen, welchen sie genießt.

[…] Die Bank kann, wenn sie auf drei Monate Gelder deponiert erhält, ohne Gefahr dieselben nicht auf sechs Monate ausborgen.“(Seite 28 ff)

Hübner spricht im ersten Satz korrekt von Kredit und nicht von "Geld". Die Bank erhält einen Kredit, wenn der Guthabenkunde sich verpflichtet, für einen Zeitraum auf die Auszahlung seines Guthabens zu verzichten. Umgangssprachlich "spart" dieser Kunde. Er hat Goldmünzen zur Bank gebracht und erhält als Gegenwert ein Zahlungsversprechen der Bank. Mit der Einzahlung der Goldmünzen gehen diese in den Besitz und das Eigentum der Bank über und werden in der Bilanz auf der linken Seite unter Aktiva, dem Vermögen der Bank, aufgeführt. Dem Kunden bleibt lediglich das Zahlungsversprechen der Bank, welches rechts unter Passiva gelistet wird. Erst der Verzicht auf die jederzeitige Auszahlung lässt aus dem Zahlungsversprechen der Bank einen Kredit an die Bank, umgangssprachlich ein "Sparguthaben" entstehen.



Einzelnachweise

<references >

  1. Ludwig Mülhaupt: Einführung in die BWL der Banken. 3 Auflage. Gabler, Wiesbaden 1980, ISBN 3-409-42133-5. Seite 196.
  2. Cristoph Dürrnagel: Das Liquiditätsrisikomanagement in Banken. Diplomica Verlag, Hamburg 2010, ISBN 978-3-8428-0916-1. Seite 27.
  3. Geld und GeldpolitikAusgabe 2015, Seite 116, Abruf 25.09.2015
  4. Liquidität Aufgaben der Deutschen Bundesbank, Abruf 19.01.2015
  5. Im Fall der Amsterdamer Wechselbank Kredite an die Stadt Amsterdam , die Bank Von Leening und an die Holländische Ostindiengesellschaft
  6. Deutlich wird dieser Umstand heute noch bei den Avalkrediten, Gabler Wirtschaftslexikon, Abruf 26. Aug. 2014
  7. Übertragung von privaten Krediten auf Banken. Martin Scheytt, Theoretische Grundlagen der bankgeschäftlichen Kreditgewährung
  8. Warengeld, Kreditgeld und Willkürgeld Geldarten, Übersicht und Einteilung
  9. Da dieses Aktienpaket aber nur als Sicherheit für den Fall dienen soll, dass die Holländische Ostindiengesellschaft ihren Kredit nach drei Jahren nicht zurückzahlt, wären erhebliche Probleme in den Geschäftsbeziehungen bei frühzeitiger Monetisierung des Aktienpaketes zu erwarten.
  10. Kurze Zusammenfassung einiger Grundgedanken aus Otto Hübners Werk, Otto_Hübner "Die Banken"