Das Geldrätsel: Goldene Bankregel
Otto Hübner
Otto Hübner stellte 1854 in Seinem Buch, "Die Banken" [1]. "fest, dass viele Banken zahlungsunfähig werden, da sie bei Kreditvergaben nicht mit der erforderlichen Sorgfalt vorgehen. Er stellte deshalb einige Verfahrensregeln zur Verhinderung der Zahlungsfähigkeit von Banken auf, welche später als die "Goldene Bankregel" in die Literatur eingingen.
„Der Credit, welchen eine Bank geben kann, ohne Gefahr zu laufen, ihre Verbindlichkeiten nicht erfüllen zu können, muß nicht nur im Betrage, sondern auch in der Qualität dem Credite entsprechen, welchen sie genießt.
[…] Die Bank kann, wenn sie auf drei Monate Gelder deponiert erhält, ohne
Gefahr dieselben nicht auf sechs Monate ausborgen.“(Seite 28 ff)
Diese Finanzierungsregel wurde zwar für Banken aufgestellt, hat aber auch einen festen Platz in der Betriebswirtschaftslehre bei den Forderungen nach gesunden Unternehmensfinanzierungen gefunden. Sie wird dort als "goldenen Bilanzregel" behandelt. Danach sollen langfristige Vermögen auch langfristig finanziert sein und nicht durch eine Folge kurzfristiger Kreditaufnahmen. Im Bankengeschäft gilt diese Forderung zwar auch grundsätzlich, es wurden jedoch aufgrund der besonderen Verhältnisse der abzuwickelnden Geschäfte mehrere Lösungen zur teilweisen Umgehung dieser Einschränkungen gefunden, welche in den folgenden Artikeln Bodensatztheorie und Shiftability-Theorie beschrieben werden. Diese Theorien bilden mit Einschluß der Goldenen Bankregel die Grundlage für das heutige Kreditwesengesetz und die darin verankerte "Liquiditätsverordnung".
Fristentkongruenz
Der Begriff "Fristenkongruenz" kann auf die goldene Bankregel zurückgeführt werden. Sie besagt, dass langfristig verliehenes Geld auch durch langfristig angelegte Spargelder finanziert sein muss. Kurzfristig verliehenes Geld kann hingegen durch kurzfristig angelegte Spargelder finanziert werden, jedoch sind auch langfristig Spargelder dazu geeignet.
„Wie Kaffe und Zucker verschiedene Waaren, so sind es auch stets kündbare, ein- oder mehrmonatliche Credite; man kann nicht den langen Credit geben, wenn man nur den kurzen empfangen hat, ohne Gefahr zu laufen, den letzteren nicht zurückgeben zu können. Das ist die Thatsache, deren Nichtachtung die einfache Ursache des Untergangs alter Banken war und die der meisten neuen sein wird. Sie verschafften sich gegen Noten und Depositenscheine, oder in laufender Rechnung, große Summen, welche jederzeit zurückgefordert werden konnten, und discontierten dagegen Wechsel, welche Monate zu laufen hatten, ja sie liehen den auf tägliche Kündigung empfangenen Kredit, auf lange unkündbare Termine, zuweilen auf Jahre hinaus, den industriellen Grundbesitzern oder Regierungen. Sie rechneten dabei darauf, daß die kurzen Credite, welche ihnen gewährt wurden, stets prolongiert werden würden, sie handelten und handeln heute noch, trotz allem Nimbus von Solidität, mit welchem sie sich umgeben, genau wie ein Spekulant, welcher in blanco verkauft, indem er das ihm zum Aufbewahren anvertraute Lager veräußert, in der Meinung, es jederzeit ersetzen zu können, wenn die Rückgabe gefordert wird."
Hierzu nochmals das Beispiel aus "Das Liquiditätsproblem". Die Bank erteilt einen Kredit über 3 Jahre in Höhe von 5 Millionen Gulden und hat als Refinanzierungsmaßnahme einen Kredit in dieser Höhe und mit gleicher Laufzeit bei Kunden aufgenommen. Die Bank arbeitet fristenkongruent. Zahlungsprobleme aufgrund unterschiedlicher Laufzeiten können bei ihr nicht entstehen.
Fristentransformation
Im letzten Abschnitt warnt Hübner vor der "Fristentransformation." Langfristige Darlehen sollen nicht mit kurzfristig aufgenommenen Spareinlagen finanziert werden. Die zuvor beschriebene Problematik wurde nach Hübners Meinung von den damaligen Banken erst gar nicht wahrgenommen, d. h. der Liquiditätsgedanke spielte bei der Kreditvergabe keine Rolle.
Das Wort "Fristentransformation" lässt vermuten, dass es sich dabei um einen seriös ablaufenden Umwandlungsprozess handelt, zumindest wenn man von der Bedeutung der Transformation in der Physik oder Mathematik ausgeht. Bei der "Fristentransformation" im Bankwesen wäre jedoch der Ausdruck "Fristenspekulation" eher zutreffend. Die Bank hat einerseits das Problem, langfristige Kreditgeber zu finden und andererseits verspricht sie sich von kurzfristigen Kreditaufnahmen höhere Gewinnmargen. Tatsächlich trifft diese Annahme zumeist auch so zu, aber nicht immer.
Anton leiht sich z. B. bei der Kreditbank 100.000 € und vereinbart mit dieser, dass er den gesamten Darlehensbetrag nach 10 Jahren zurückzahlt. An Zinsen zahlt er 5 %. Da Anton die 100.000 € an den Kunden einer anderen Bank überweist, muss sich die Kreditbank refinanzieren. Fristenkongruent würde sie dies mit einem einem Kredit über 100.000 € und ebenfalls einer Laufzeit von 10 Jahren übernehmen. Während sie jedoch für den 10-Jahreskredit selbst 3,5 % Zinsen zahlen muss, kann sie einen Jahreskredit in dieser Höhe bereits für 2 % erhalten. Sie nimmt also diesen Jahreskredit auf und spekuliert darauf, in den folgenden Jahren ebenfalls einen Anschlusskredit zu je 2 % zu erhalten. Es besteht jedoch die Gefahr, dass sie keine Nachfolgekredite zu diesem günstigen Zinssatz mehr findet und deshalb höhere Zinsaufwendungen hat. Ziehen die Zinsen allgemein wieder an, kann der Kredit an Anton auch sehr schnell zu einem Minusgeschäft werden. Aus der Zinsmarge, dem Unterschied zwischen Antons Kreditzinsen und dem Refinanzierungszinssatz, müssen ja auch noch die Kosten für Personal, Miete usw. anteilsmäßig abgedeckt werden.
Allgemein gehen die Banken heute jedoch dieses Risiko ein, da sie der Ansicht sind, dass sie ohne Fristentransformation nicht rentabel arbeiten können. Wie in den nachfolgenden Kapiteln "Bodensatztheorie" und "Shiftability Theorioe" noch gezeigt wird, sprechen auch handfeste Argumente für eine Auflockerung der von Hübner geforderten Fristenkonqruenz.
Geldschöpfung
"Sie warteten auch gar nicht ab, bis jemand ihnen Credit anbot, sondern sie liehen ihre Noten aus in der Voraussetzung, ihr Credit werde verhindern, daß das Geld für die Noten verlangt würde. Man gab dadurch sogar das Mittel auf zu erfahren, ob das baare Geld überhaupt in der Nähe sei, welches möglicherweise von der Bank gefordert werden könnte."
Eine Beschreibung der "Geldschöpfung aus dem Nichts". Da keine Einlagen vorhanden waren und trotzdem Noten verliehen wurden, handelte es sich hier nicht mehr um eine Kreditvermittlung sondern um eine Kreditschöpfung, verbunden mit einer Geldschöpfung. Die Formulierung "ob das baare Geld überhaupt in der Nähe sei" kann als Ausdruck für die Liquidität von Mitteln der Bank angesehen werden. Besitzt die Bank Aktiva, welche sie sehr schnell in "baares Geld" umwandeln kann, so wäre sie damit in der Lage, innerhalb kurzer Zeit auf die Auszahlungsansprüche ihrer Kunden zu reagieren. Dies wäre zum Beispiel bei Aktien der Fall. Eigentumstitel von Grundstücken benötigen hingegen einige Monate, bevor sie in "baares Geld" umgesetzt werden können.
Qualität der Sicherheiten
Wenn hier von "Geld" gesprochen wird, so sind damit Kurantmünzen, also vollwertige Gold- oder Silbermünzen gemeint.
"Der Fehler scheint aber nicht allein in der Nichtbeachtung der Qualitätsverschiedenheit der Credite in Hinsicht ihrer Dauer, sondern auch in Hinsicht ihrer inneren Beschaffenheit zu liegen. Die Noten, welche die Bank ausgibt, ist ein Versprechen von Geld, sie gibt sie aber hin für Wechsel, welche gut sind, weil die Aussteller und Acceptanten vielleicht große Lager von Kaffe und Baumwolle haben, für Staatspapiere, weil diese Staatspapiere an der Börse zu Geld zu machen sind; Für Verschreibungen von Grundstücken, weil deren Ernten reiche Zinsen geben und der Preis der Grundstücke daher mehr beträgt als die Vorschüsse, welche die Bank darauf gewährt. Die Kaffe- und Baumwolllager, die Staatspapiere und Grundstücke können aber durch vielerlei Ereignisse ganz unverkäuflich oder doch nur mit großem Verlust verkäuflich sein. Wechsel und Schuldscheine, wenn sie auch Zahlung versprechen, sind doch erst Geld, wenn sie bezahlt sind, während die Banken auf diese Unterlage hin vorher Papiere ausgegeben haben, für welche jeden Augenblick Geld verlangt werden kann."
Hübner fordert also nicht nur das Vorhandensein von Spareinlagen bevor ein Kredit vergeben wird, sondern auch werthaltige Sicherheiten des Kreditnehmers.
Auszug aus Seite 28 seines Buches
Die Geschichte der alten Banken, welche zu Grunde gegangen sind oder noch bestehen, der Geschäftsbetrieb der neuen Banken, zeigt uns die Entwicklung des Bankwesens ziemlich übereinstimmend mit den Annahmen, zu welchen uns die Schlussfolgerungen geführt hat.
Zuerst einfaches Deposit und Giroverkehr, mit Feststellung einer imaginären Valuta bei den Banken von Venedig, Genua, Amsterdam, Hamburg und Nürnberg; dann die Bescheinigung der Depositen in umlauffähigen Papieren, wie bei den italienischen Banken, der Bank zu Amsterdam und zu Stockholm; dann die Verwendung der deponierten Gelder zu zinstragenden kurzen Geschäften und als Folge hiervon die Hinausschiebung der Rückzahlung der Depotsiten, indem man sie als unkündbares Aktienkapital oder gegen Zinsen auf längere Zeit und durch Notenausgabe, auch kleinere Beträge annehmen, wie dies zuerst bei der Bank von England stattgefunden zu haben scheint; endlich durch die Leichtigkeit, mit welcher sich die Noten lange Zeit in Umlauf erhielten, durch die Tatsache, dass der Saldo der Depositen im Durchschnitt sich lange Zeit gleich blieb und das Aktienkapital unkündbar war, die Neigung, die Kapitalien auf Grund und Boden auszuborgen, wie dies bei der schwedischen Bank zuerst geschehen, von der preußischen nachgeahmt und von der Münchener als Hauptzweck betrachtet worden zu sein scheint.
Im Laufe dieser natürlichen Entwicklung des Bankwesens trat die ursprüngliche Aufgabe der Bänker und der Banken immer mehr in den Hintergrund, sie hörten, mit wenigen Ausnahmen, auf Zweck aller Disponenten zu sein und wurden ein Werkzeug der Spekulanten derjenigen Disponenten, welche man Aktionäre nennt. Nicht mehr die Aufbewahrung von Geldern, sondern deren Benutzung wurde der Zweck, nicht die Zahlung im Laufe des Geschäfts zu vermitteln, sondern selbst Geschäfte zu machen, wurde die Hauptaufgabe der Bank.
Die Banken unterscheiden sich daher von anderen Handelsunternehmen nur noch darin, dass ihre Ware der Kredit ist, sie suchen sich so wohlfeil als möglich Kredit zu verschaffen, durch Konzession, durch Aktienkapital, durch Privilegien, sie erkaufen ihn durch ihre Dienstleistung im Girogeschäfte, durch Herstellung von Banknoten, deren Transportfähigkeit größer als die der edlen Metalle ist, durch Zinsen auf die Depositen. Sie verkaufen dagegen den Kredit in Gestalt von Vorschüßen auf Wechsel, Wertpapiere, Waren und Grundstücke.
Würde dieser Handel in guter Ordnung betrieben, würden die Banken immer nur den Kredit verkaufen, welches sie haben, so würde der selbe ebenso nützlich für das Publikum sein als für die Bankunternehmer. Wenn wir dem ungeachtet die alten Banken, welche sich vom Depositen- und Girogeschäfte entfernten, untergehen sahen, so liegt der Grund eben darin, dass sie jene Regel außer acht ließen und Kredite verkauften, welche sie selbst nicht hatten.
Der Kredit, welche eine Bank geben kann, ohne Gefahr zu laufen ihrer Verbindlichkeiten nicht erfüllen zu können, muss nicht nur im Betrage, sondern auch in der Qualität dem Kredite entsprechen, welchen sie genießt."
Einzelnachweise
<references >
- ↑ Otto Hübner: Die Banken. Leipzig 1854. Google Books