Das Geldrätsel: Leihbanken

Aus um-bruch
Version vom 19. November 2024, 19:05 Uhr von Mumken (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springenZur Suche springen


Gemäß der "Allgemeinen Encyclopädie für Kaufleute und Fabrikanten..."[1] von 1838 sind:

"Leihbanken ..... Bankanstalten, deren Zweck 's ist, Darlehen gegen Zinsen zu geben und dadurch den Geldbedürftigen vor dem Wucher einzelner Capitalisten zu schützen."

Die Leihbanken werden unterschieden in Faustpfand-Leihbanken und in Hypotheken-Leihbanken.[2]


Die Faustpfand-Leihbanken sind mit unseren heutigen Pfandhäusern vergleichbar. Um ein Darlehen zu erhalten musste vom Darlehensnehmer ein Faustpfand bei der Leihbank hinterlegt werden. Der Verkaufswert des Faustpfandes wurde geschätzt und nur ein Anteil des zu erwartenden Verkaufswertes wurde als Darlehen gewährt. Das Darlehen, für welches auch Zinsen gezahlt werden musste, war mit einem festen Rückzahlungstermin gekoppelt. Wurde der Rückzahlungstermin vom Darlehnsnehmer nicht eingehalten, so konnte die Leihbank das Faustpfand versteigern und aus der Verkaufssumme den Darlehensbetrag einschließlich Zinsen bestreiten. Ein eventueller Überschuss stand dem Darlehensnehmer zu.

Bei den Hypotheken-Leihbanken verhielt es sich ähnlich, nur dass an Stelle eines Faustpfandes ein Grundpfand, in Form einer Grundbuchschuld, als Sicherheit diente.

Kapital

Woher bekamen die Leihbanken jedoch das notwendige Geld? Leihbanken wurden entweder von der Regierung, einer Gruppe von Privatleuten oder aber einem Zusammenschluss von beiden gegründet. Diese stellten auch das erforderliche Anfangskapital zur Verfügung oder verpflichteten sich bei Bedarf, der Leihbank Geld zur Verfügung zu stellen. Dies war teilweise ausreichend, da die Leihbanken auch Kapitalien andere Anleger annahmen. Die Leihbanken zahlten den Anlegern geringere Zinsen als allgemein üblich, konnten dafür aber eine höhere Sicherheit und pünktliche Zahlung der Zinsen bieten. Der Handel mit Staatspapieren, eine andere Art von Geldanlage, galt hingegen als unsicher.[1]


Beispiel

Ein Kaufmann benötigte kurzfristig 100 Gulden Bargeld um einen für ihn sehr günstigen Handel abzuschließen. Er nahm seine mit Edelsteinen besetzte Taschenuhr und brachte diese zu einer Leihbank. Die Leihbank schätzte den Wert der Uhr und stimmte danach dem Darlehen von 100 Gulden an den Kaufmann zu.

Die Uhr wurde von der Leihbank auf einen Verkaufswert von 220 Gulden taxiert. Vom Verkaufswert wurden jedoch nur maximal 50 % als Darlehen gewährt. Der gewünschten Darlehenssumme von 100 Gulden konnte also zugestimmt werden.

Der Vertrag lief über 3 Monate und sah vor, dass ein Zinssatz von 1% pro Monat galt und eine Bearbeitungsgebühr von 2 Gulden zu zahlen war. Der Kaufmann musste folglich nach 3 Monaten 100 Gulden Darlehen + 3 x 1 Gulden Zinsen + 2 Gulden Bearbeitungsgebühr = 105 Gulden zurückzahlen.

Die Leihbank besaß nun zwar ein Faustpfand in Höhe von 220 Gulden, benötigt jedoch Bargeld in Form von Goldmünzen zur Auszahlung. Hierzu musste sie 100 Gulden als Einlage von einem Mitglied oder aber einem Anleger besitzen. Ohne vorhandene Einlagen (Spargelder von Anlegern oder Mitgliedern) konnte also kein Darlehen erfolgen.

Finanzierungsplan

Am Beispiel des Pfandleihers lässt sich das Modell der Kreditvermittlung gut erklären. In diesem Modell kann Geld nur verliehen werden, wenn es zuvor als Bargeld in der Kasse vorhanden ist. Hat der Pfandleiher kein "Geld" mehr und muss einem Geldgeber auch nur eine Geldeinheit zurückzahlen, ist er, zumindest vorübergehend, zahlungsunfähig.

Der Pfandleiher ist also gut beraten, diese Situation zu vermeiden. Dies kann er erreichen, indem er einen Finanzierungsplan erstellt. Ihm ist bekannt, wann seine Kunden verpflichtet sind, ihre Schulden zu tilgen. Rechnet er in diese Sollzeiten sicherheitshalber auch noch eine Reserve für Zeiten einer Fristüberschreitung und Veräußerung des Pfandgegenstandes mit ein, so kann er mit seinem Finanzierungsplan relativ sicher jegliche Zahlungsunfähigkeit verhindern.

Ein

Finanzplan3.png

solcher Finanzierungsplan könnte aus einer Tabelle mit Ein- und Auszahlungen bestehen. Waagerecht sind die Wochen aufgetragen und senkrecht die einzelnen Vorgänge. Der Plan beginnt Anfang Woche 1 mit einem Übertrag in Höhe von 400 Geldeinheiten (GE). Geleichzeitig erwartet der Pfandleiher aus Kredit 1 eine Rückzahlung in Höhe von 200 GE. Somit besitzt er in der Woche 1 einen Kassenbestand von 600 GE. Anfang Woche 2 möchte ein Kunde 400 GE ausleihen, gegen Verpfändung eines Pfandgutes. Nach dem Finanzplan des Pfandleihers kein Problem, er besitzt ja zu diesem Zeitpunkt 600 GE. Auch dem Wunsch eines weiteren Kunden in Woche 3 ein Darlehen über 100 GE zu erhalten, kann er problemlos folgen. Nach diesem Plan hat er in der 3. Woche nur noch 100 GE in seiner Kasse. Jedoch erhält er in der 4. Woche eine Fremdkapitaleinlage in Höhe von 300 GE. Ein Geldgeber betrachtet das Pfandhaus als sichere Geldanlage und stellt dem Pfandleiher einen Bargeldgeldbetrag über 300 GE für 3 Wochen zur Verfügung. Daraufhin kann dieser weitere Darlehen erteilen.

Der Pfandleiher muss den Rückzahlungstermin des Geldgebers jedoch zwingend in seinem Finanzplan berücksichtigen. Zu diesem Rückzahlungstermin muss er mindestens 300 GE in seiner Kasse haben, da er ansonsten zahlungsunfähig wird. Dieser Zwang ist auch die Grundlage zu Otto Hübners "goldener Bankregel", welche eine solche Situation verhindern will. Die Rückzahlung des Fremdkapitals ist aber nur möglich, wenn zumindest der erteilte Kredit 2 in der 6. Woche vertragsgemäß zurückgezahlt wird.


In

Finanzplan4.png

der Grafik wird sowohl der voraussichtliche tägliche Kassenstand wie auch der Mittelwert des Kassenbestandes über einen Zeitraum von 8 Wochen, dargestellt. Es ist ersichtlich, das weder der Endwert von 500 GE noch der Mittelwert von 275 GE, eine verlässliche Aussage über die Zahlungsfähigkeit des Pfandleihers treffen kann.

Nur durch die Berücksichtigung des gesamten Finanzierungsplans kann die dauerhafte Zahlungsfähigkeit sichergestellt werden. Hierzu gehört auch die Einbeziehung künftiger Ein- und Auszahlungen. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Kassenbestand nie negativ sein darf. Einen kritischen Stand hat die Kasse in der 5. Woche mit "0" GE.

Was hier als belanglose, selbstverständliche Weisheit erscheinen mag, ist jedoch das Fundament des Liquiditätsmanagements moderner Banken. Der Zustand der Zahlungsunfähigkeit muss mit allen Mitteln verhindert werden. Bedingt durch das besondere Geschäftsmodell der Pfandleihe kann diese nur in Schwierigkeiten geraten, wenn eine Fremdkapitaleinlage nicht fristgemäß zurückgezahlt werden kann. Ein Anleger hat dem Pfandleiher 300 GE befristet zur Verfügung gestellt. Besitzt der Pfandleiher zum Rückzahlungstermin keinen entsprechenden Kassenbestand, ist er vorübergehend zahlungsunfähig.

Heutige Geschäftsbanken unterliegen aufgrund ihres Geschäftsmodells und der staatlichen Liquiditätsverordnung diesem Zwang eines Pfandleiher nicht mehr.

Finanzvermittler

Das Bild des Pfandleihers haben offensichtlich heute noch diejenigen vor Augen, die von der Finanzvermittlung der Banken ausgehen, ohne zugleich die erheblichen Abweichungen des Bankensystems von diesem Idealmodell aufzuführen. In den Kapiteln zur Liquidität von Banken wird dieses Idealmodell, einschließlich der Abweichungen im tatsächlichen Bankbetrieb, näher beleuchtet.



Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Banken Allgemeine Encyclopädie für Kaufleute und Fabrikanten 1838
  2. Die Leihbanken Die neue Zeit: Darstellung der Weltereignisse seit dem Jahre 1848